Netzentgelte: Wenn Windkraft den Strom teuer macht

Stand: 17.08.2023 13:34 Uhr

Dass die Netzentgelte nach den Plänen der Bundesregierung angeglichen werden sollen, stößt in Schleswig-Holstein auf Zustimmung. Gemeinden in Schleswig-Holstein erhoffen sich dadurch mehr Gerechtigkeit und mehr Akzeptanz für die Energiewende.

von Constantin Gill

Nicht jeder im Dorf war begeistert, als die Windräder aufgestellt wurden. Umso ärgerlicher findet es Bürgermeister Torsten Teegen (KWG), dass die 70 Haushalte in der Gemeinde Loop im Kreis Rendsburg-Eckernförde auch noch unter hohen Strompreisen leiden. "Eigentlich müssen wir dafür belohnt werden, dass wir das machen", sagt er. "Wir produzieren hier vor Ort diesen Ökostrom, der eigentlich gewollt ist, und im Augenblick werden wir dafür bestraft, dass wir für Deutschland den Strom produzieren", sagt Teegen. "Und das kann nicht angehen."

Niedrigere Strompreise für mehr Akzeptanz

Ein Mann steht vor einer Windkraftanlage © NDR Foto: Constantin Gill
Torsten Teegen ist seit 25 Jahren Bürgermeister von Loop.

Im Frühjahr wurden in Loop drei große Windkraftanlagen gebaut, zusätzlich zu den schon seit längerem vorhandenen kleineren Anlagen, die etwas weiter entfernt in den Himmel ragen. Für die neuen zahlt der Bund Zuschüsse, die in Gemeindeprojekte fließen sollen.

Aber Bürgermeister Teegen würde sich wünschen, dass die Bürger direkter profitieren. Über den Strompreis eben: "Ich glaube, Akzeptanz bei den Bürgern kriegt man, wenn man direkt ans Portemonnaie geht."

Bürger sollen eher Vorteile bekommen

Auch Jörg Bülow vom Gemeindetag fordert mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Netzentgelte: Denn die Menschen vor Ort trügen auch die Belastungen der Energiewende - etwa das veränderte Landschaftsbild: "Deswegen müssen die Bürgerinnen und Bürger möglichst Vorteile spüren. Zumindest dürfen sie aber keine besondere Benachteiligung haben durch die Strompreise."

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Neues System, alte Kostenverteilung

Von Orten wie Loop fließt der Strom ins schleswig-holsteinische Netz, vor allem aber in andere Bundesländer - in den Süden. Für den Abtransport müssen Netze gebaut werden. Das kostet Geld. "Diese Verteilnetzkosten zahlen die Schleswig-Holsteiner, und nicht etwa Bewohner oder Unternehmen in Nordrhein-Westfalen", erklärt Marcus Hrach vom Bundesverband Windenergie in Schleswig-Holstein die "Ungerechtigkeit".

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Hochspannungsmasten hinter einem Feld in Scharbeutz. © picture alliance / CHROMORANGE Foto: Christian Ohde

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Die ist historisch gewachsen: Früher, so Hrach, habe es wenige, zentrale Kraftwerke direkt an den Stromautobahnen gegeben - jetzt komme der Strom aus verschiedenen dezentralen Standorten: Windparks und Solarflächen etwa. Das System habe sich geändert. Jetzt müsse es auch eine Umstellung der Netzentgelte geben, sagt er.

Längst keine Nord-Süd-Debatte mehr

Daran arbeitet der Bund: Die Netzkosten sollen fairer verteilt werden. Regionen mit viel Windkraft sollen niedrigere Gebühren zahlen als bisher. Aus dem Norden kommt Beifall. Der bayerische Ministerpräsident dagegen sieht prompt Süddeutschland "als industrielles Herz der Republik" gefährdet.

Schleswig-Holsteins Energiestaatssekretär Joschka Knuth (Grüne) ist trotzdem zuversichtlich, dass das Gesetz kommt. Die Kritik aus Bayern könne er nur bedingt verstehen: "Denn auch in Bayern gibt es im Allgäu oder im Fränkischen durchaus Regionen und Kreise, wo die Netzentgelte weit über 10 Cent liegen." Es gehe also längst nicht mehr um eine Nord-Süd-Debatte, so Knuth.

Entlastung schon im nächsten Jahr?

Die genaue Ausgestaltung der Pläne des Bundes steht noch aus. Die Änderung soll aber noch in diesem Jahr in Kraft treten. Knuth erwartet vom Bund, "dass dann auch schnellstmöglich ein Vorschlag für eine gerechtere Verteilung auf den Tisch gelegt wird und spätestens im nächsten Jahr dann auch wirksam wird."

Die Netzentgelte machen rund 20 Prozent am gesamten Strompreis aus. Dass sie für den Endverbraucher angeglichen werden sollen, ist aus Sicht von Verbraucherschützern längst überfällig. "Es kann nicht sein, dass erhebliche Kosten der Energiewende Deutschlands nur von den Verbrauchern im Norden getragen werden", meint Tom Janneck von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.

 

Mehr Erneuerbare, mehr Netzentgelte

... © NDR Foto: Constantin Gill
Gemeinden in Bayern werden nicht so belastet, wie seine Gemeinde, findet Loops Bürgermeister Teegen.

Dringend nötig ist die Änderung aus Sicht der Landesregierung auch deshalb, weil weitere Windkraftanlagen und Solarparks entstehen sollen. Und so auch die Verteilnetze weiter ausgebaut werden müssen. "Und selbstverständlich wird das dazu führen, dass auch die Kosten spürbar werden", sagt Staatssekretär Knuth.

Auf dem Weg zu den Windrädern am Rande der Maisfelder in Loop wird gerade die Straße geteert. Sie ist durch den Lkw-Verkehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Bürgerinnen und Bürger mussten Einiges in Kauf nehmen, berichtet Bürgermeister Teegen. Am Betonfundament für die Windkraftanlagen wurde rund um die Uhr gearbeitet. Diese Belastungen vor Ort, sagt Teegen, "die haben sie in Bayern nicht."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.08.2023 | 17:00 Uhr

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