Messerangriff in Solingen: SH diskutiert über Waffengesetze

Stand: 26.08.2024 20:33 Uhr

In Solingen hat ein Mann am Freitagabend auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet. Acht weitere hat er verletzt, einige von ihnen schwer. In Schleswig-Holstein zeigen sich Politiker entsetzt über diese Tat und fordern Konsequenzen.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) erklärte, der grausame Anschlag in Solingen habe ihn zutiefst bestürzt und fassungslos gemacht. "Es ist unbegreiflich und schwer erträglich, dass jemand in der Lage sein kann, bei einem Stadtfest friedliche, gemeinsam feiernde Menschen anzugreifen und zu töten", sagte er.

Innenministerium: Diskussionsbedarf bei "subsidiärem Schutz"

In der Debatte um mögliche Konsequenzen sieht Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) auch Spielraum beim Thema Zuwanderung. Ein Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan, das sei nicht so einfach, so Sütterlin-Waack, immerhin gebe es ein Recht auf Asyl. Intensiv beschäftigen sollte man sich aus Sicht der Ministerin aber mit denjenigen, die ohne Flüchtlingsschutz oder Asylberechtigung bleiben dürfen, weil ihnen im Heimatland Gefahr droht - der sogenannte subsidiäre Schutz. Vor allem nachdem das oberste Gericht in Nordrhein-Westfalen diesen Schutzanspruch im Fall Syrien nicht mehr sieht, hat Sütterlin-Waack hier Diskussionsbedarf.

VIDEO: Sabine Sütterlin-Waack: "Wir sind dafür da, dass sich die Bevölkerung sicher fühlt" (4 Min)

Sütterlin-Waack: "Es braucht eine bundeseinheitliche Lösung"

Beim Thema Waffengesetze spricht sich die Innenministerin für eine bundeseinheitliche Lösung aus: "Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass wir Messerverbotszonen haben und die dann auch kontrolliert werden", so Sütterlin-Waack. Im Fall von Brokstedt habe Schleswig-Holstein diesbezüglich bereits bei der Innenminister-Konferenz zusammen mit Hamburg Initiative gezeigt. Im Januar 2023 hatte ein Mann in einem Regionalzug in Brokstedt (Kreis Steinburg) mit einem Messer zwei Menschen getötet und vier weitere schwer verletzt.

Weitere Informationen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steigt nach einem Gespräch mit dem Unionsfraktionschef Friedrich Merz vor dem Bundeskanzleramt in seinen Dienstwagen. © dpa Foto: Kay Nietfeld

Treffen von Scholz und Merz: Eine Stunde für Migrationspolitik

Merz hatte Forderungen aufgestellt - aus Sicht der Regierung sind diese aber rechtlich nicht umsetzbar. Mehr bei tagesschau.de. extern

Midyatli: Terroristische Strukturen bekämpfen

Die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli zeigte sich ebenfalls bestürzt. Diese sinnlose Gewalt erschüttere uns alle zutiefst, erklärte sie. "In diesen dunklen Stunden stehen wir als Gemeinschaft zusammen und solidarisieren uns mit den Menschen in Solingen. Jetzt ist die Zeit, die Betroffenen zu unterstützen und gemeinsam gegen jede Form von Gewalt einzustehen."

Die SPD-Politikerin ist gegen einen Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan, unterstützt aber schärfere Waffengesetze und Messerverbote in der Öffentlichkeit. Ob ein Aufnahmestopp solche Taten sicher verhindern könne, bezweifelt sie: "Denn das sind Terroristen. Und wenn sie solche Taten in Deutschland ausüben wollen, dann werden sie natürlich auch versuchen andere Wege zu finden." Midyatli meint stattdessen müsse man mit aller Härte gegen terroristische Strukturen im Land vorgehen.

FDP: Funktionierendes Rückkehrmanagement ist wichtig

Der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz beschreibt den Umstand, dass der mutmaßliche Täter von Solingen vor seiner Abschiebung untergetaucht war, als grotesk. Es brauche ein funktionierendes Rückkehrmanagement. Gerade Schleswig-Holstein gebe in diesem Bereich kein gutes Bild ab. Unter anderem seien laut Buchholz die zuständigen Ausländerbehörden völlig unterbesetzt, zudem sei eine Zentralisierung in diesem Bereich nötig. Rechtliche Möglichkeiten gebe es genug und Buchholz sieht Ministerpräsident Günther in der Pflicht diese auch zu nutzen.

Wie viele Menschen sind in Schleswig-Holstein derzeit ausreisepflichtig?

Mit Stand 31.07.2024 sind laut dem Sozialministerium in Schleswig-Holstein 9.263 Personen ausreisepflichtig, davon verfügen 8.007 Personen über eine Duldung.

Gewerkschaft der Polizei für konsequentere Umsetzung von Ausreiseverpflichtungen

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Schleswig-Holstein zeigt sich betroffen von den Geschehnissen, warnt aber vor Schnellschüssen und Forderungsüberbietungen. Sie bleibt bei den bisherigen Forderungen von einer verbesserten technischen und personellen Ausstattung bei der Polizei und dem Verfassungsschutz sowie Schaffung rechtlicher Möglichkeiten, wie zum Beispiel der Vorratsdatenspeicherung. Waffenverbotszonen könnten auch eine geeignete Gegenmaßnahme sein.

Um diese Maßnahmen zu finanzieren, müsste ein Sondervermögen für die innere Sicherheit bereit gestellt werden. Ebenso muss sich laut Torsten Jäger, Landesvorsitzender der GdP, rechtlich etwas ändern. Ausreiseverpflichtungen müssten konsequent umgesetzt werden.

Habeck: "Es darf nicht an Geld scheitern"

Als Konsequenz aus der Attacke hatte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bereits am Wochenende mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze in Deutschland gefordert. Das geht aus einem Interview hervor, das Habeck am Sonntag in Flensburg gegeben hat. "Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Niemand muss in Deutschland in öffentlichen Räumen Stich- oder Hiebwaffen tragen", so Habeck bei dem Termin. Er verlangte außerdem eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden: "Es darf nicht an Geld scheitern, wir reden viel über die Sicherheitslage, die Bedrohung von außen, nun haben wir die Bedrohung im Inneren."

Bei dem Termin in Flensburg sprach Habeck auch sein Mitgefühl für die Opfer der Tat und ihre Angehörigen aus. Den Verletzten wünsche er eine schnelle Genesung. Laut Habeck müsse jetzt schnell geklärt werden, "ob es ein Netzwerk gibt, ob dieses Bekennerschreiben des IS so zu deuten ist, dass weitere terroristische Strukturen in Deutschland da sind, die entdeckt und zerschlagen werden müssen".

Weitere Informationen
Zwei Polizisten stehen am frühen Morgen an einer Absperrung in der Innenstadt von Solingen (Nordrhein-Westfalen). © picture alliance/dpa Foto: Christoph Reichwein

Nach Anschlag in Solingen: Behrens fordert modernes Waffenrecht

Niedersachsens Innenministerin plädiert auch dafür, das Asylrecht stärker durchzusetzen. Die Opposition fordert schärfere Maßnahmen. mehr

Andy Grote (SPD), Innensenator von Hamburg © picture alliance/dpa Foto: Georg Wendt

Nach Messerattacke in Solingen: Grote fordert schärferes Waffenrecht

Der Angriff mit drei Toten und acht Verletzten stehe in einer langen Reihe von brutalen Messertaten im öffentlichen Raum, sagte Hamburgs Innensenator. mehr

Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest liegen in der Nähe des Tatorts Blumen auf einem Gehweg in der Innenstadt. © dpa Foto: Christoph Reichwein

Messer-Attacke in Solingen: Politische Reaktionen aus MV

Nach der Attacke in Solingen mit drei Toten und vielen Verletzten zeigen sich auch die Politiker in Mecklenburg-Vorpommern erschüttert. mehr

Karlsruhe: Der mutmaßliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht. Zuvor war der Verdächtige dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt worden, der Haftbefehl erließ. © dpa Foto: Uli Deck

Messerattacke in Solingen: Alle Nachrichten zum Thema

Der Anschlag vom 23. August hat intensive Debatten über die politischen Folgen ausgelöst. Mehr bei tagesschau.de. extern

Zwei Männer stehen vor einem Banner mit Aufschrift „Herzlich Willkommen“ und einem Schild vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen am Standort Braunschweig. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Geflüchtete und Abschiebung: Fakten für Norddeutschland

Wie viele Abschiebungen gibt es? Wo leben die Geflüchteten in Norddeutschland? Und aus welchen Ländern stammen sie? mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 26.08.2024 | 19:30 Uhr

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Die Fassade der Batteriefabrik Northvolt. © picture alliance Foto: Britta Pedersen

Drohende Insolvenz: Northvolt startet Sanierung in den USA

Der Batteriehersteller will in einem Chapter-11-Verfahren neue Gelder einwerben. In Heide soll der Bau weitergehen. mehr

Videos

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?