Medikamentenmangel in Schleswig-Holstein
Egal ob verschreibungspflichtiges Krebsmedikament oder freiverkäufliches Ibuprofen: Viele Arzneimittel sind in Schleswig-Holsteins Apotheken aktuell nicht zu bekommen. Der Hausärzteverband spricht von teilweise bis zu 1.000 Medikamenten, bei denen es einen Lieferengpass gibt.
Einfache Schmerzmittel oder lebenswichtige Medizin - in fast allen Bereichen haben Patienten aktuell Probleme, ihr gewohntes Medikament zu bekommen. Hintergrund sind Lieferengpässe. "Die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Medikamenten ist in den Hausarztpraxen derzeit ein ständiges Thema", sagt der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein, Jens Lassen. Zeitweise sind nach seinen Angaben 1.000 Medikamente nicht verfügbar. Was genau nicht lieferbar ist, ändert sich laut Lassen oft täglich. Die Hausärzte müssen dann alternative Medikamente verschreiben, die aktuell lieferbar sind. "Das kann bei der Behandlung von Bluthochdruck oder von bakteriellen Infektionen schon eine medizinisch unangenehme Situation sein, für die es derzeit aber keine andere Lösung gibt", so Lassen weiter. Für die Praxen, die seiner Meinung nach ohnehin schon am Limit arbeiten, bedeutet das zusätzlichen Mehraufwand, weil für jeden Patienten eine individuelle Alternative gesucht werden muss.
Pharmafirmen verkaufen Produkte im Ausland
"Wir haben aktuell ein großes Problem mit Lieferengpässen", bestätigt der Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, Georg Zwenke. Nach seinen Angaben gibt es nur noch wenige pharmazeutische Unternehmen, die Medikamente herstellen und die sitzen zumeist in Indien und China. Von dort gibt es laut Zwenke nur noch selten Lieferungen nach Deutschland. Denn im europäischen Ausland können die Pharmafirmen laut Zwenke höhere Preise erzielen. "Da wundert es nicht, dass auch in Deutschland vorhandene Medikamente ins Ausland verkauft werden", so Zwenke weiter. Außerdem sei Erkältungszeit - die Nachfrage nach bestimmten Medikamenten also besonders groß.
Apotheken stellen Medikamente teilweise selbst her
Die Apotheken versuchen das Problem nach Angaben ihres Verbandes zu lösen, in dem sie einen Teil der fehlenden Medikamente selbst herstellen - zum Beispiel Ibuprofen-Fiebersäfte für Kinder. Doch auch dafür fehlen laut Verbandsgeschäftsführer Zwenke nicht selten die benötigten Wirkstoffe. "Außerdem kostet die Produktion in den Apotheken Zeit und die fehlt dann bei der Kundenberatung", meint Zwenke. Nicht selten müssen die Mitarbeiter aber die Patienten mit ihren Rezepten vertrösten und wieder zum Hausarzt schicken. Nämlich dann, wenn es kein alternatives Medikament von einem anderen Hersteller gibt. "Dann müssen die Patientinnen und Patienten ihren Arzt um eine Therapie mit einem anderen Wirkstoff bitten und wiederkommen."
Krankenkassen müssen mehr für Medikamente bezahlen
Langfristig müsse die Vergütungssituation geklärt und angepasst werden. Bedeutet: Die Krankenkassen müssen mit den Pharmakonzernen höhere Preise vereinbaren, damit es sich für die Unternehmen wieder lohnt, auch in Deutschland Medikamente zu verkaufen. "Früher haben wir überall eingekauft, um uns hier zu versorgen. Heute tun es die anderen", sagt Zwenke.