Marode Schulen: Zukunft findet im Altbau statt

Stand: 07.04.2025 17:35 Uhr

Marode Schulgebäude und fehlende Ausstattung prägen viele weiterführende Schulen in Schleswig-Holstein. Eine NDR Umfrage zeigt: Der Sanierungsstau ist groß, Eltern und Schulleiter besorgt.

von Marlen Hildebrandt

Das Coppernicus-Gymnasium in Norderstedt (Kreis Segeberg) ist das älteste Gymnasium der Stadt. Dort fehlen derzeit sechs Klassenräume. Auch der alte Musikraum wurde kürzlich abgerissen, deshalb findet Musik nun im Kunstraum statt. Die Instrumente sind im Keller eingelagert - der Unterricht nun eher Theorie und mit Gesang, erklärt Schulleiterin Heike Schlesselmann. Wann der Anbau mit neuem Musikraum und neuen Räumen kommt, ist derzeit noch nicht klar. Klar hingegen ist, die Schülerzahlen steigen weiter an, nicht nur in Norderstedt, sondern fast überall im Land.

VIDEO: Interview mit Alexej Stroh, Vorsitzender der Direktorenvereinigung (3 Min)

Eltern schockiert Zustand der Schulen

Etwa 280 weiterführende Schulen gibt es in Schleswig-Holstein. Viele davon sind heruntergekommen und marode. "Eltern sind teilweise schon geschockt wie weiterführende Schulen aussehen", sagt Jan-Hendrik Kreft Landeselternbeirat für die Gymnasien im Kreis Segeberg. Zwar kennen einige auch den Sanierungsstau aus dem Grundschulbereich, aber es fällt dann doch auf, dass die Erwartungen an weiterführende Schulen andere waren. Für die meisten Eltern sei es unverständlich, warum so wenig an den Schulen passiert und wenn es Planungen gibt, dauern diese Jahre, oft Jahrzehnte.

Räume müssen energetisch saniert werden

Ein Kreuz aus Absperrband kennzeichnet gesperrte Bereiche. © NDR Foto: NDR Screenshot
Der Schulalltag ist geprägt von Übergangslösungen, Bauverzögerungen und Raumnot.

Schulleiter Holger Oertel von der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg) beschäftigt sich schon seit fünf Jahren mit der Sanierung der Schule. Neue Klassenzimmer, eine große Bibliothek sollen gabaut und das Gebäude muss energetisch saniert werden, denn derzeit zahle man etwa 250.000 Euro pro Jahr an Energiekosten. Spätestens 2029 soll alles fertig sein, etwa 10 Jahre habe es dann gedauert, das sei schon sehr zügig, sagt der Schulleiter.

Landesweiter Sanierungsbedarf

Das Land selbst kann keine valide Aussage über die Sanierungsbedarfe machen, teilt Pressesprecher David Emres mit. Zurzeit gäbe es auch keine Schulbauprogramme, die das Land unterstützt. Laut einer Umfrage von NDR Schleswig-Holstein melden nahezu alle Schulträger Sanierungsbedarf an. Mehr als 20 Schulträger der größten Städte im Land, die zuständig für weiterführende Schulen, sind wurden befragt. Auch Kreise, die Schulträger weiterführender Schulen sind. Nicht jeder Träger konnte konkrete Zahlen liefern. Sanierungsstau findet sich aber fast überall.

Beispiele aus der Umfrage

Auf die Frage: "Wie hoch ist der Sanierungsstau bei den weiterführenden Schulen?" Antworteten beispielsweise:

  • Norderstedt: "Die Stadt Norderstedt hat grundsätzlich einen Sanierungsstau an fast allen Schulen".
  • Flensburg: "[...] erforderliche Gesamtinivestition für 2026 und folgende: 29,45 Mio. Euro".
  • Lübeck: "Im Durchschnitt sind die Schulgebäude über 80 Jahre".
  • Elmshorn: ".[..] ist für die fünf weiterführenden Schulen noch ein Sanierungsbedarf von etwa 23,2 Mio € gegeben".
  • Itzehoe: "[...] im zweistelligen Millionenbereich (25 Millionen Euro)".
  • Neumünster: "[...] ein Volumen eines mittleren zweistelligen Millionenbetrages".
  • Geesthacht: "Zahlen liegen nicht vor. Die Überschreitung des Lebenszyklus der einzelnen Gebäudeteile ist jedoch als "hoch" einzustufen."

Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag geht davon aus, dass landesweit 1,8 Milliarden Euro fehlen, um die Schulen auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen. Jedoch gibt es auch einige Schulträger und Schulleiter, die meinen, der Bedarf sei noch viel größer.

Jede Schule ein Kraftakt

Etwa 22 Millionen Euro wird der Anbau und die Sanierung in Bad Bramstedt kosten. Von einem Stresstest, auch von Überforderung spricht Bürgermeister Felix Carl, parteilos, nicht nur für Bad Bramstedt, auch für viele andere Schulträger. Allein schon die planerischen Anforderungen seien für viele kleine oder mittelgroße Städte eine Herausforderung. Er wünschte sich mehr Entscheidungskompetenz vor Ort.

Forderung nach einheitlichen Standards

Schüler und Schülerinnen sitzen im Unterricht. © NDR Foto: NDR Screenshot
Es brauche einheitliche Standards in den Klassenzimmern und Schulen, fordern viele Schulleiter im Land.

Viele Schulleiter wünschten sich von der Landespolitik einheitliche Standards, dass sagt auch Alexej Stroh, Vorsitzender der Direktorinnen- und Direktorenvereinigung im Philologenverband Schleswig-Holstein. Jeder Schulträger mache es anders. Die Ausstattung sei nicht festgelegt, oft würden die Schulleiter gefragt, was sie für ihre Schule benötigen, doch eigentlich müsste es einheitlich festgelegt sein. Was kommt in die Fachräume, wieviel Platz benötigt man für eine bestimmte Anzahl an Schülern, wie muss eine Schule ausgestattet sein. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land, die Voraussetzungen und Ausstattungen der Schulen sollten überall gleich sein, so Stroh.

Teil des Sondervermögens muss in Sanierung der Schulen fließen

Die Forderung: Ein Teil des Sondervermögens der Bundesregierung müsse dringend auch für die Schulen in Schleswig-Holstein eingesetzt werden. Und zwar schnell - damit die jüngsten Schüler von heute nicht erst in vielen Jahren von Verbesserungen profitieren.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 07.04.2025 | 19:30 Uhr

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