Mangel an Antibiotika-Säften für Kinder: Eltern in Sorge
Der Apothekerverband Schleswig-Holstein sowie Kinderärzte mahnen, dass die Versorgungsengpässe bei Kinderarzneimitteln alarmierend hoch sind. Gerade bei Antibiotika-Säften stehen Eltern oft mit Rezept in der Hand da, ohne dass es das passende Medikament gibt.
In der Hirsch Apotheke in Friedrichsort in Kiel zieht Apotheker Hannes Max Schaefer die Schublade mit dem Label "Amoxi" auf. Normalerweise lagern hier die Packungen mit dem Antibiotikumsaft für Kinder - jetzt ist die Schublade leer. Seit Tagen schon. Im Gespräch äußert der Apotheker seinen Unmut: "Immer häufiger müssen wir Eltern mit Rezept in der Hand wegschicken, weil wir das von den Kinderärzten verschriebene Medikament nicht mehr da haben". Seit einigen Wochen hat sich die Situation mit den Antibiotika-Säften verschärft. Im vergangenen Winter waren es die Fiebersäfte für Kinder, die Mangelware waren. Generell spitzt sich die Situation immer weiter zu.
Vielschichtige Ursachen
Die Engpässe kommen offenbar durch ein Konglomerat aus verschiedenen Ursachen zustande, also beispielsweise dem Ukrainekrieg mit Lieferengpässen der Medikamente, aber auch deren Verpackungen. Doch auch die Preispolitik der Krankenkassen spielt eine Rolle. Der Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, Georg Zwenke, kritisiert Sparmaßnahmen der Politik, die ihm zufolge darin resultiere, dass es mittlerweile nur noch einige wenige Wirkstoffhersteller in Deutschland gibt: "Seit der Gesundheitsreform 2003 geht es kontinuierlich bergab. Die Rabattverträge mit den Pharmakonzernen haben Deutschland zum Niedrigpreisland bei Arzneimitteln gemacht". Hersteller hätten weder Anreize hier zu produzieren, noch Motivation nach Deutschland zu liefern. In den Niederlanden oder der Schweiz beispielsweise bekämen sie viel mehr Geld für für ihre Arzneien, so Zwenke.
Wann brauchen Kinder wirklich ein Antibiotikum?
Der Mangel an Antibiotikasäften ist natürlich gerade für Kinder problematisch, die aufgrund der Dosierbarkeit und Verabreichbarkeit auf Säfte angewiesen sind, sagt auch Jakob Maske vom Verband der Kinder- und Jugendärzte. Vor diesem Hintergrund haben Eltern kranker Kinder berechtigterweise Sorgen, was passiert, wenn ihr Kind nicht das benötigte Antibiotikum bekommt. Unbedingt nötig sind Antibiotika bei bakteriellen Infektionen wie:
- Lungenentzündungen
- Hirnhautentzündungen
- Harnwegsinfekten
- Infektionen mit der Gruppe-A-Streptokokken wie Scharlach (schwerer Verlauf, hochfieberndes Kind)
Unbehandelt können viele der bakteriellen Infektionen mögliche Komplikationen nach sich ziehen. Allerdings erfordern nicht aller Infektionen eine Antibiotika-Behandlung. Die zunehmende Verbreitung von Antibiotikaresistenzen erfordert eher einen zurückhaltenden und möglichst gezielten Einsatz von Antibiotika.
Was tun, wenn kein Antibiotikumsaft zu bekommen ist?
Dr. med. Alexander Baumgarten-Walczak ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Preetz (Kreis Plön). Er hat täglich mit der Situation zu tun, Rezepte ausstellen zu müssen, für die es dann in der Apotheke keine passenden Medikamente gibt. Er sagt, dass er in den meisten Fällen mit den Eltern bespreche, ob man noch 24 Stunden abwarten könne, um zu schauen, ob die Beschwerden abklingen, oder man vorerst auch nur symptomatisch arbeiten könne, zum Beispiel indem man dem Kind Schmerzmittel gebe. "Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass, wenn zum Beispiel der Wirkstoff Amoxicillin nur in Tablettenform vorrätig ist, ich den Apotheker trotzdem bitte, das rauszugeben", sagt er. "Wir klären die Eltern vorher auf, dass sie die Tabletten dann im Mörser zerkleinern und zum Beispiel mit Apfelmus untergerührt geben sollen", so Baumgarten-Walczak.
Eltern müssen Geduld haben
Derzeit ist die Bundespolitik dabei, Anreize zu schaffen, die Arzneimittelproduktion wieder mehr nach Europa zu verlagern. Pharmakonzerne sollen stärkere finanzielle Anreize bekommen, ihre Ware nach Deutschland zu verkaufen. Apotheker Hannes Max Schaefer hofft in seiner Apotheke in Friedrichsort jedenfalls auf schnelle Besserung der Situation und, dass sich seine Regale wieder füllen. Den Eltern kranker Kinder bleibt nur, sich darauf einzustellen, dass sie gezwungen sind, geduldig zu warten, bis das richtige Antibiotikum zur Verfügung steht - oder auf unkonventionelle Lösungen zu setzen, wie den Antibiotikum-Apfelmus-Brei, wie von Kinderarzt Baumgarten-Walczak beschrieben.
Bei schweren Verläufen gilt nach wie vor die Empfehlung zum Gang in die Kinderklinik. Laut des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)sind Klinikapotheken bisher nicht von einer Unterversorgung betroffen. Das heißt, wenn das Kind stationär aufgenommen wird, kann es über einen Zugang intravenös Antibiotika verabreicht bekommen.