MVZ als Lösung für den Ärztemangel? Einige Probleme bleiben
Ärztemangel auf dem Land ist kein neues Problem. Eine Lösung dafür sollten Medizinische Versorgungszentren sein. Doch die MVZ haben selber mit Problemen zu kämpfen. Der Kostendruck ist hoch.
Mit der Aktentasche unter dem Arm betritt Marion Wagner am Mittag das Medizinische Versorgungszentrum, kurz MVZ, der Stadt Bad Bramstedt. Vor gut vier Jahren wurde das Zentrum mit dem Ziel eröffnet, die hausärztliche Versorgung sicher zu stellen. Sieben Allgemeinmediziner und ein Neurologe sind hier aktuell angestellt. Was für die Patienten im Ort gut ist, ist für die Stadt eine finanzielle Herausforderung. Denn das MVZ hat das vergangene Jahr mit einem Minus von 320.000 Euro abgeschlossen.
MVZ-Beraterin bundesweit im Einsatz
Aus diesem Grund ist Marion Wagner vor Ort. Die gelernte Medizinische Fachangestellte hat sich 2007 als Praxisberaterin selbstständig gemacht und sich 2016 auf Medizinische Versorgungszentren spezialisiert. Wie viele sie bundesweit schon beraten hat, kann sie schon nicht mehr zählen. Aktuell betreut sie elf Zentren. "Ich habe noch kein MVZ gesehen, dass schwarze Zahlen schreibt", bilanziert Wagner. Natürlich werde sie aber auch nur hinzugezogen, wenn es finanziell nicht gut laufe. In Bad Bramstedt will Wagner mit der Geschäftsführerin des MVZ, Tanja Schwittay sprechen.
Aktuell gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung bei uns in Schleswig-Holstein 131 medizinische Versorgungszentren. Per gesetzlicher Definition (§ 95 SGB V) sind sie ärztlich geleitete Einrichtungen, die über die strukturierte Zusammenarbeit mindestens zweier Ärzte, die Versorgung aus einer Hand gewährleisten sollen.
Laut Beraterin Marion Wagner lassen sie sich grob in vier Kategorien einordnen. Die Führung können Ärzte, Krankenhäuser, Investoren oder aber Kommunen inne haben. Letzteres ist in Bad Bramstedt der Fall. Eine genaue Aufschlüsselung für Schleswig-Holstein gibt es nicht, die kommunalen MVZ sind aber eher selten.
Medizinische Versorgungszentren unter hohem Kostendruck
Das erste in MVZ bei uns im Land wurde 2004 in Kiel am Blücherplatz gegründet. Neun Ärzte arbeiten hier derzeit, von Anfang an war es Inhaber-geführt. Das MVZ schreibt positive Zahlen, auch wenn die Gewinne in den vergangenen Jahren auch hier durch steigende Personal- und Nebenkosten zurückgegangen sind.
Auch in Bad Bramstedt sind die gestiegenen Ausgaben ein Problem. "Wir haben ein großes Spannungsfeld: Mietkosten, Nebenkosten, Personalkosten oder andere Dingen wie IT-Betreuung, die immer weiter steigen, aber unsere Einnahmen nicht", bilanziert Geschäftsführerin Tanja Schwittay. Bereits zu Jahresbeginn hat sie der Beraterin einen Einblick in Geschäftszahlen, Abrechnungen, Leistungsspektrum und Terminkalender verschafft. 3.500 Patienten werden hier pro Quartal behandelt.
Ein weiterer entscheidender Punkt laut der Beraterin: Niedergelassene Hausärzte arbeiten meist 60 Stunden die Woche. Angestellte Ärzte in einem MVZ haben laut Vertrag nur 38,5 oder 40 Stunden zu leisten. Vielleicht würden auch sie mal die ein oder andere Überstunde machen, aber trotzdem lassen sich so weniger Patienten behandeln und damit auch weniger Honorare erzielen. Für Marion Wagner sei deshalb klar, dass kommunale MVZ wie das in Bad Bramstedt in der Regel defizitär arbeiten.
Sieben Minuten pro Patient als Richtgröße
In einem freien Behandlungszimmer sprechen die beiden Frauen deshalb über notwendige Umsatzsteigerungen, eine effektivere Patientensteuerung und ein besseres Terminmanagement. Auch die Medizinischen Fachangestellten im Versorgungszentrum werden mit eingebunden. Ein Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit: mehr Patienten in kürzerer Zeit. Laut Wagner liege der Schnitt pro Patient bei niedergelassenen Hausärzten in etwa bei sieben Minuten. Dort müsse auch das MVZ hinkommen.
Auch im 20 Kilometer entfernten Wahlstedt gibt es ein kommunales MVZ. Und auch das schreibe rote Zahlen, weiß Schwittay vom dortigen Geschäftsführer. Für die Kommunen führt das zu einem schwierigen Spagat, weiß auch Segebergs Landrat Jan Peter Schröder (parteilos): "Das ist ein Problem für die Kommunen, weil die finanzielle Situation ja ohnehin schon eng gestrickt ist, oft auch defizitär ist, aber da muss man dann wieder abwägen, was mir eine gute medizinische Versorgung meiner Bevölkerung wert ist im Vergleich zu den Kosten, die es hervorruft."
Vorbild Büsum
Ein Positivbeispiel im Kampf gegen den Ärztemangel ist die Gemeinde Büsum (Kreis Dithmarschen). Dort öffnete 2015 das erste kommunale MVZ bundesweit. Denn vier der fünf ortsansässigen Hausärzte planten damals ihren Ruhestand, und es gab keine klare Perspektive für ihre Nachfolge. Als Reaktion darauf wurde das Ärztezentrum Büsum gegründet, die erste kommunale Eigeneinrichtung in Deutschland. Laut dem Geschäftsführer und ehemaligem Bürgermeister der Gemeinde Hans-Jürgen Lütje habe das MVZ jährliche Verluste zwischen 20 und 40.000 Euro verzeichnet. 2023 stand dann aber die schwarze Null und im vergangenen Jahr haben drei der dort angestellten Ärzte die Leitung übernommen. Das MVZ wird jetzt also von Ärtzen geführt und die Gemeinde ist nur noch Vermieter der Immobilie.
Dies ist auch in Bad Bramstedt langfristig das Ziel. Erst einmal muss Geschäftsführerin Tanja Schwittay aber bessere wirtschaftliche Voraussetzungen schaffen. Dabei wird sie vermutlich bis Ende des Jahres die Expertise von Marion Wagner nutzen. Die MVZ-Beraterin schätzt, die Verluste bis dahin auf 100.000 Euro reduzieren zu können. Die hausärztliche Versorgung bleibt also erst einmal ein Minusgeschäft.
