Leckagen und Motorprobleme: Kieler Lotsenboote am Limit

Stand: 14.08.2024 13:28 Uhr

Seit Oktober 2023 können die Lotsen in Kiel ihre Versetzstation auf hoher See nicht mehr nutzen. Die Lotsenboote müssen seitdem längere Strecken zurücklegen - mit Folgen. Die Aussetzer nehmen zu.

von Lisa Synowski

Mit konzentriertem Blick schaut Torben Tripmacker in die Höhe. Über ihm hängt das Lotsenboot "Laboe", das sich mit seiner orangenen Farbe klar vom wolkigen Himmel absetzt. Knapp 17 Meter lang, gut fünf Meter breit, 30 Tonnen schwer. Ein Kran hievt es aus dem Hafenbecken auf das Gelände der Gebrüder Friedrich Werft im Kieler Stadtteil Friedrichsort. "Gut, dass heute kaum Wind ist", lacht der technische Leiter des Lotsbetriebsvereins (LBV). Das Lotsenboot liegt ruhig in der Luft und schwebt schon nach wenigen Minuten direkt über dem Gerüst, in dem es gleich liegen soll. Langsam lässt der Kran das Schiff nach unten, bis es sicher in der Stahlkonstruktion angekommen ist. "Mal sehen, was wirklich alles gemacht werden muss", sagt Torben Tripmacker, der sich die "Laboe" jetzt gemeinsam mit mehreren Werftmitarbeitern ganz genau anschaut.

Zehn Monate Notbetrieb

Der Lotsbetriebsverein ist mit seinen Booten dafür zuständig, dass die Lotsen in Kiel zu ihren Einsätzen auf der Förde oder dem Nord-Ostsee-Kanal kommen. Dass die "Laboe" in diesem Jahr zur Wartung muss, war eigentlich nicht geplant. Genau wie die anderen fünf großen Lotsenboote des Lotsbetriebsvereins sollte auch die "Laboe" frühestens 2025 wieder in die Werft. Doch seit zehn Monaten arbeiten die Lotsenboote in Kiel am Limit.

"Wir haben bei den Booten etwa das Doppelte an Betriebsstunden", berichtet Tripmacker. Der Grund: Der Leuchtturm Kiel ist bei der Sturmflut im Oktober 2023 stark beschädigt worden. Die Lotsen können ihn seitdem nicht mehr als Versetzstation nutzen. Wenn also ein Lotse ein Schiff durch die Förde geleitet hat, kann er sich nicht mehr direkt auf hoher See erholen und auf den nächsten Einsatz vorbereiten. Stattdessen muss er entweder auf dem Lotsenboot warten, oder zu einer provisorische Notstation an Land in Laboe gebracht werden. Das bedeutet lange Umwege für die Lotsenboote, deren Betriebszeit sich seitdem verdoppelt hat.

Wartungsintervalle vorgezogen

"Das Unterwasserschiff sieht gut aus. Durch die hohe Fahrzeit haben wir viel weniger Muschel-Ablagerungen als sonst", sagt Torben Tripmacker, der sich die "Laboe" inzwischen von außen angeschaut hat. "Die Probleme haben wir dafür im Inneren", erzählt er auf dem Weg in den Maschinenraum. Vor einem großen Generator bleibt der Technik-Chef stehen. Der Diesel hat mit 36.000 Betriebsstunden sein Ablaufdatum erreicht, und muss dringend ausgetauscht werden. Torben Tripmacker hat zwar sein eigenes fünfköpfiges Technik-Team, aber für komplizierte Arbeiten braucht er die Werft. "Wir haben jetzt alle Wartungsintervalle von 2025 und 26 auf dieses Jahr vorgezogen, um das Material bestmöglich zu pflegen und große Ausfälle zu verhindern", so Tripmacker, der bei einem anderen Boot diesem Sommer schon einen unerwarteten Motor-Totalschaden zu verzeichnen hatte.

Technische Aussetzer haben zugenommen

Ein paar Kilometer weiter südlich arbeitet das Team des Lotsbetriebsvereins auf Hochtouren an einem anderen Lotsenboot. Es ist vor zwei Tagen wegen Zündaussetzern und Kraftstoffproblemen aus dem Fahrbetrieb genommen worden. Schiffsmechaniker Andreas Hartmann kniet am Motorenbereich des Schiffs. Er hat Kraftstoffpumpe und Einspritzdüsen repariert und verkleidet die noch offen liegenden Kabel jetzt wieder. Viel Zeit hat er nicht, denn das nächste Schiff hat sich schon angemeldet - mit mehreren Leckagen. "Das ist viel mehr geworden mit dem Notbetrieb, gerade auch diese Kleinigkeiten. Kaum ist ein Auftrag abgearbeitet, kommt jetzt immer schon der nächste", berichtet der Schiffsmechaniker.

Zukunft des Leuchtturms weiterhin unklar

Wie lange der Notbetrieb noch weitergeht, ist für das Team aktuell nicht absehbar. "Wir geben natürlich Gas und sehen zu, dass man auch den jetzigen Betrieb aufrechterhält, aber auf lange Sicht ist das keine Lösung", so Torben Tripmacker. Er hofft, dass die Lotsenboote den Leuchtturm Kiel möglichst bald wieder als Versetzstation ansteuern können. Vom zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ostsee heißt es jedoch, dass zur Zukunft des Leuchtturms aktuell keine zeitliche Prognose abgegeben werden könne.

Lotsenbetrieb rund um die Uhr gewährleisten

Auf der Werft haben die Arbeiten an der "Laboe" inzwischen begonnen. Etwa zwei Wochen wird es dauern, bis alle Wartungsarbeiten an dem Boot abgeschlossen sind. Die nächsten Werftplätze für seine anderen Boote hat Torben Tripmacker bereits gebucht. Unterkriegen lassen, will er sich von der aktuellen Mehrbelastung nicht: "Wir sind dafür da, dass die Lotsen vernünftig von A nach B fahren können und werden alles dafür tun, dass die Technik weiterhin durchhält."

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Schleswig-Holstein Magazin | 15.08.2024 | 19:30 Uhr

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