Langballigau: Maßnahmen zum Küstenschutz stagnieren
Noch immer kämpfen die Menschen in Langballigau mit den Folgen der Sturmflut. Es gibt etliche Schäden an Häusern und Infrastruktur - obwohl sich das Dorf bereits 2019 um Küstenschutzmaßnahmen bemühte.
Seit fünf Wochen herrscht Ausnahmezustand im Hotel Ostsee-Anker in Langballigau (Kreis Schleswig-Flensburg). Die Wassermassen der Rekordsturmflut im Oktober haben das Gebäude in eine Baustelle verwandelt. Gastronomin Marleen Voß und ihr Mann Oliver Kurth-Voß leben seit Jahren mit dem Meer vor der Tür. Knapp zehn Jahre betreiben sie das Restaurant mit Meerblick, schon oft haben Sturmfluten den Deich vor dem Haus überspült. Doch in diesem Jahr war es anders. Die Sturmflut am 20. und 21. Oktober brachte eine Naturgewalt, die die letzten beiden großen Fluten von 2019 und 2017 übertraf. Gemessen wurde der höchste Wasserstand seit 100 Jahren. "Damit haben wir nicht gerechnet", sagt Marleen Voß.
Wasser im Haus bis zu einem Meter hoch
Gemeinsam mit zahlreichen Helfern hatten sie während der Flut noch versucht, Möbel und elektrische Geräte in Sicherheit zu bringen. Irgendwann mussten sie aufgeben. "Wir standen draußen und uns kamen die Tränen", sagt Oliver Kurth-Voß. Zwei Tage lang stand das Wasser bis zu einem Meter hoch im Haus. "Die Betten schwammen im Wasser, das komplette Mobiliar ist vernichtet, das konnten wir nur noch rausschmeißen. Alles ist nass und kontaminiert, weil die Toiletten auch hochgekommen sind", erzählt Marlene Voß.
Hotel muss kernsaniert werden
Acht von zwölf Zimmern des Hotels sind nicht mehr bewohnbar. Für Familie Voß bedeutet das einen Schaden von 160.000 Euro an Inventar und Möbeln. Doch das Ausmaß ist größer. "Das Gebäude ist begutachtet worden, es ist Wasser in allen Wänden", erzählt Marleen Voß. Die Folge: Das Restaurant wird abgerissen, das angrenzende Hotel muss kernsaniert werden. Der gesamte Schaden an Gebäuden und Inventar wird auf eine Million Euro beziffert. Eine Versicherung dafür gibt es nicht. Sieben feste Mitarbeiter und 30 Minijobber haben ganzjährig hier gearbeitet. Die Gastronomin hat allen Mitarbeitern gekündigt. Sie und ihr Mann stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Zwei Hausnummern weiter, am Restaurant Strandoase, eine ähnliche Situation. "Wir wissen aus eigener Kraft nicht wie es weiter gehen soll", heißt es in einem Spendenaufruf des Restaurants.
Aufräumarbeiten gehen weiter
So geht es allen Gewerbetreibenden in Wassernähe - auch wenn Langballigau versucht, sich nicht unterkriegen zu lassen. Noch immer säumen Absperrbänder und Sandsäcke den Strandweg. Auf dem benachbarten Campingplatz stehen Wohnwagenanhänger, die von den Fluten zerstört wurden. 70 Wohnanhänger sind schrottreif.
Land erwartet höhere Sturmfluten
Derzeit schützt nur ein kleiner Deich das Dorf vor weiteren Sturmfluten. In den kommenden Jahren könnte sich die Lage verschärfen, denn infolge des Klimawandels werden höhere Pegelstände erwartet. Im Generalplan Küstenschutz des Landes Schleswig-Holstein heißt es: "Die Sturmfluten von Januar 2017 und 2019, die eine Höhe von etwa 1,8 m über NHN (Normalhöhennull) in Lübeck erreichten, würden demnach Ende dieses Jahrhunderts auf über 2,5 m Höhe auflaufen." Für den kleinen Ort an der Ostseeküste wäre eine solche Entwicklung verheerend. Dabei gab es vor vier Jahren erste Initiativen, um die Küste zu schützen.
Küstenschutzkonzept: 14 Gemeinden schließen sich zusammen
Nach dem letzten Sturm im Jahr 2019 hatten sich 14 Gemeinden von Harrislee bis Maasholm an der Flensburger Förde zusammengeschlossen, um ein gemeinsames Küstenschutzkonzept zu erstellen. Der Kreis Schleswig-Flensburg versprach Unterstützung. Mehr ist hier nicht passiert.
"Ich fühle mich im Stich gelassen, wir können es alleine nicht schaffen. Der Kreis ist zuständig für Katastrophenschutz", so Langballigs Bürgermeister Kurt Brodersen (CDU). Anfang des Jahres habe der Kreis zugesagt, personelle Mittel für das gemeinsame Küstenschutzkonzept zur Verfügung zu stellen.
Immer wieder neue Fragen
Warum hat sich seitdem nichts getan? Nachgefragt beim Kreis Schleswig-Flensburg sagt der zuständige Ansprechpartner Thorsten Roos: Es gebe "zu wenig Personal für die komplizierten Förderanträge des Bundesumweltministeriums". Roos ist Leiter des Fachbereichs Umwelt im Kreis Schleswig-Flensburg und hatte sich dem Projekt angenommen.
Man habe den Projektantrag in Berlin vorgestellt und sei gescheitert, so Roos. "Man geht dann immer wieder neue Schleifen, immer wieder neue Fragen, wir geben Antworten, neue Fragen: Dieses Spiel kennen wir, aber man kommt am Ende nie auf den Punkt". Das heißt: Keine neuen Maßnahmen zum Küstenschutz.
Goldschmidt verweist auf Landesbetrieb für Küstenschutz
Küstenschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) verweist auf eine andere Ebene: Den Landesbetrieb für Küstenschutz (LKN). "Wir haben ein Kompetenzzentrum aufgebaut, Ansprechpartner geschaffen beim LKN, die die Kommunen dabei unterstützen, ihren Hochwasserschutz zu gewährleisten. Ich würde den Bürgermeistern empfehlen, mit dem LKN zu sprechen, was man tun kann, um die Küsten vor Ort zu schützen."
Warum hat der Kreis Schleswig-Flensburg seit 2022 auf dieser Ebene nicht nach Lösungen gesucht? Auf die Frage hat der Kreis bis heute keine überzeugende Antwort. "Das kann ich nicht sagen", sagt Thorsten Roos. Später präzisiert er: "Wir vertrauen darauf, dass das Land Lösungsansätze in seinem Gesamtplan Küstenschutz Ostsee liefert". Er sehe hier mehr Fachkompetenz, als in seinem Kreis.
Initiative der 14 Gemeinden steht still
Das Konzept soll allerdings erst im nächsten Jahr vorgestellt werden. Mit seiner Küstenlinie an der Flensburger Förde ist der Kreis Schleswig-Flensburg vom ansteigenden Meeresspiegel bei künftigen Sturmfluten schon jetzt besonders gefährdet. Warum hat der Kreis seit 2022 nicht an schnelleren Lösungen gearbeitet?
"Das was ich beeinflussen kann, habe ich gemacht", so Roos. Er habe seine Ideen zum Küstenschutz im Klimaanpassungsprogramm notiert, das im November vom Regionalentwicklungs- und Umweltausschuss vorgestellt wurde. Das wiederum steht nicht in Verbindung mit dem Projektantrag der 14 Gemeinden.
Marleen und Oliver Voß hilft das nicht mehr. Ob sie in Langballigau weitermachen, ist unklar.