Stand: 26.06.2020 15:44 Uhr

Kripo im Uniklinikum in Lübeck: Sicherstellung von Patientenakten

von Stefan Buchen
Der Schriftzug UKSH prangt an der Wand der Eingangshalle. © NDR Foto: Anina Pommerenke
Die Polizei sicherte Patientenakten im UKSH.

In einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung hat die Kriminalpolizei Lübeck im Uniklinikum Schleswig-Holstein Patientenakten sichergestellt. Das bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck auf Anfrage von Panorama 3. Die Staatsanwaltschaft Lübeck habe "den Herausgabebeschluss beim Amtsgericht Lübeck erwirkt". Dieser sei am 24. Juni vollstreckt worden, erläuterte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft weiter. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Lübeck bestätigt, dass eine anonyme Strafanzeige in der Sache eingegangen sei.

Panorama 3 berichtete über Verdacht

Panorama 3 hatte am 23. Juni über Vorwürfe berichtet, wonach der Chefarzt der Herzchirurgie am UKSH in Lübeck am 16. September 2019 einen nicht akut lebensbedrohlich erkrankten Patienten, einen sogenannten Wahlpatienten, operiert haben soll, obwohl ein Notfallpatient auf dem OP-Plan gestanden habe. An dem Tag habe nur ein OP-Bett zur Verfügung gestanden. Der Vorgang wird in einer sogenannten "CIRS"-Meldung, einem krankenhausinternen System zur Fehlermeldung, geschildert. Diese Meldung liegt Panorama 3 vor. Demnach sollen Zeugen vor der Operation Bedenken geäußert und mehrfach bei dem Chefarzt nachgefragt haben, ob er so vorgehen wolle. Der Chefarzt sei bei seiner Entscheidung geblieben.

Der Zustand des nicht operierten Notfallpatienten, der an einer Entzündung der Herzklappen gelitten habe, habe sich in der darauffolgenden Nacht stark verschlechtert. Ein Multiorganversagen sei eingetreten. Der Patient sei dann am frühen Morgen notoperiert worden. Die Not-OP habe sein Leben aber nicht mehr retten können. Der Patient sei drei Tage später gestorben. Zeugen des Ablaufs bestätigten das Geschehen gegenüber Reportern des NDR.

Klinikleitung und Chefarzt weisen Vorwürfe zurück

Panorama 3 konfrontierte das UKSH mit den in der "CIRS"-Meldung aufgeworfenen Verdachtsmomenten. Man habe den Fall unverzüglich einer "sorgfältigen Prüfung" unterzogen und festgestellt, dass die Vorgehensweise medizinisch geleitet gewesen sei, teilte der Sprecher des Uniklinikums mit. In der "CIRS"-Meldung heißt es, der verstorbene Notfallpatient sei kassenärztlich versichert gewesen, wohingegen der operierte Wahlpatient eine Privatversicherung gehabt habe. "Der Vorwurf der Bevorzugung eines bestimmten Versichertenstatus wird zurückgewiesen," betonte der UKSH-Sprecher.

Der Chefarzt der Herzchirurgie ließ auf Anfrage über seinen Anwalt ausrichten, dass die Vorwürfe unbegründet und "längst widerlegt" seien. Die CIRS-Meldung gebe den Vorgang "unvollständig" wieder und lasse "entlastende Umstände" wie Vorerkrankungen des Notfallpatienten unerwähnt. Diese Vorerkrankungen hätten nach Einschätzung des Chefarztes einer sofortigen Operation des Notfallpatienten "entgegengestanden". Angaben der CIRS-Meldung zum Versichertenstatus seien "unrichtig".

Staatsanwaltschaft prüft Unterlagen

Die vom UKSH herausgegebenen Unterlagen müssten nun ausgewertet werden, teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lübeck Panorama 3 mit. Man nehme die Verdachtsmomente "sehr ernst". Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen "Unbekannt". Das Uniklinikum habe "vollumfänglich kooperiert und alle Unterlagen freiwillig herausgegeben." Das Uniklinikum ließ Fragen von Panorama 3 zur Sicherstellung der Patientenakten unbeantwortet.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 23.06.2020 | 21:15 Uhr

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