Kriege, Gendern, Klima: Familienzoff bei der Weihnachtsgans?
Nach der stressigen Vorweihnachtszeit sollen die Feiertage entspannt werden: Gemütliche Runden mit den Liebsten, gutes Essen, ein paar Geschenke austauschen, mal wieder in Ruhe quatschen. Die Themenlage ist dabei alles andere als weihnachtlich, die Zündschnur bei vielen kurz.
Kriege in Nahost und in der Ukraine, Migrationspolitik, Klimakrise: Gespräche, selbst Diskussionen zu diesen Themen dürfen auch in weihnachtlichen Runden ihren Platz haben. Es komme eben darauf an, wie man dabei miteinander umgehe, sagt Dr. Johanna Degen von der Europa-Universität Flensburg. Die Sozialpsychologin beobachtet, dass abweichende oder unpopuläre Meinungen allzu schnell abgebügelt werden - und kritisiert diese Entwicklung.
"Wir sagen nicht: Spannend - was findest du an Trump überzeugend? Sondern: Ich bin so enttäuscht, das hätte ich von meiner Tochter nicht gedacht", sagt Johanna Degen. Besser sei es, neugierig nachzufragen, was hinter der Meinung steckt: "Oft haben die Positionen eine richtig gute Begründung." Darüber könne man dann wiederum ein tiefsinniges Gespräch führen und sich sogar noch besser kennenlernen.
Souverän auf Verschwörungsmythen und Beleidigungen reagieren
Doch was, wenn sachliche Argumente nicht ankommen? Die österreichische Autorin Ingrid Brodnig beschreibt in ihrem Buch "Einspruch”, wie wir auf Verschwörungsmythen und "Fake News" reagieren können. In einem Interview auf Deutschlandfunk Kultur rät auch sie: Interessiert nachfragen, statt empört zu widersprechen. "Woher hast du das? Warum vertraust du gerade dieser Quelle?" Fragen wie diese könnten Unstimmigkeiten aufzudecken und vielleicht sogar ein Umdenken anregen.
Bei beleidigenden und grenzüberschreitenden Sprüchen solle man dagegen klare Kante zeigen und Grenzen setzen. "Problematische Inhalte ansprechen und gleichzeitig der Person zeigen, dass wir sie wertschätzen: Das ist für Familien die größte Herausforderung", sagt Ingrid Brodnig. Sie empfiehlt Ich-Botschaften wie: Was du gesagt hast, finde ich nicht witzig, sondern rassistisch und verletzend.
Sozialpsychologin: Einfach mal zugeben, dass man keine Ahnung hat
Wenn Diskussionen eskalieren, stecke oft Unsicherheit dahinter, sagt Johanna Degen. Denn die Probleme und Themen, über die wir streiten, sind oft komplex und eben nicht schwarz-weiß. "Wir sind uns unserer Argumente nicht sicher und schnell umstößlich", sagt die Sozialpsychologin. "Wenn wir uns in einer Ideologie oder Überzeugung wiedergefunden haben, dann ist das angenehm, irgendeine Sicherheit in sehr unsicheren Zeiten." Umso verbitterter würden die eigenen Positionen im Streitfall verteidigt.
Es helfe, andere Positionen einfach mal so stehen zu lassen - sich einig darüber zu sein, sich nicht einig zu sein. Und auch mal mutig dazu zu stehen, dass man von einigen Themen keine Ahnung habe, höchstens etwas Halbwissen oder lediglich ein Gefühl dazu, so Johanna Degen: "Ich kann sagen: Ich weiß es nicht, aber ich fürchte mich. Oder: Das macht mich traurig, können wir über das Zimtsterne-Rezept sprechen? Das ist auch in Ordnung."