Ein bewachsener Innenhof mit weißer Tür und Schaufenstern. © NDR Foto: Alexa Dudda
Ein bewachsener Innenhof mit weißer Tür und Schaufenstern. © NDR Foto: Alexa Dudda
Ein bewachsener Innenhof mit weißer Tür und Schaufenstern. © NDR Foto: Alexa Dudda
AUDIO: Kieler Kreativzentrum "Alte Mu" kämpft ums Überleben (4 Min)

Kreativdorf "Alte Mu" in Kiel: Es geht ums Überleben

Stand: 01.02.2024 05:00 Uhr

60 Kieler Projekte mit einer Vision: Auf kreativem Weg eine nachhaltige Zukunft schaffen. Ein neuer Vertrag mit dem Land bringt das Kreativdorf "Alte Mu" in Bedrängnis. Stehen jahrelange Planung und große Vorhaben vor dem Aus?

von Alexa Dudda

Es ist wie ein kleines Dorf mitten in der Landeshauptstadt Kiel. Im Gebäude der ehemaligen Kunsthochschule haben sich Start-ups, Werkstätten, Künstlerinnen und Künstler zusammengefunden und gründeten den gemeinnützigen Verein "Alte Mu". Hier können sie nachhaltige Ideen abseits des Wettbewerbs ausprobieren und entwickeln. "Es ist was für Unternehmen, die was bewirken wollen, die was verändern wollen in der Welt und die ein Netzwerk suchen und eine Startrampe, um ihr Projekt an Start zu bringen", sagt Friederike Kopp.

Sie kämpft seit zehn Jahren ehrenamtlich für den Erhalt der "Alten Mu" und ist im Vorstand der vor drei Jahren gegründeten Genossenschaft. Jetzt steht sie vor ihrer größten Herausforderung: Das Land Schleswig-Holstein will das Gebäude nicht länger bewirtschaften. Damit der kreative Ort seinen Platz nicht verliert, fehlen noch 320.000 Euro Eigenmittel für die Vorfinanzierung.

Ein Ort, der glücklich macht

Ein Mann steht im Garten und recht alten Laub auf den Kompost. © NDR Foto: Alexa Dudda
Mathias Semling ist seit zehn Jahren Gärtner in der "Alten Mu" und hat ein kleines "Permakultur-Paradies" erschaffen.

An dieser Summe hängt das Schicksal zahlreicher Menschen und ihrer Projekte. Von der Holzwerkstatt bis zur Stadt-Imkerei: Sie haben hier ein Zuhause gefunden. Gärtner Mathias Semling steht im Vorgarten des roten Backsteingebäudes und erinnert sich: "Ohne die 'Alte Mu' hätte es mein Projekt nicht gegeben. Da gab es viele motivierte Leute, die unterstützt haben mit Ideen, mit Tatenkraft - einfach mit diesem kooperativen Gedanken, statt Konkurrenzgedanken."

Auch Michael Päpke wirkt mittlerweile in drei der 60 Projekte mit und bleibt fasziniert von dem Ort: "Weil sie alle hier zusammen in einem Raum sind. Der eine bringt das mit, der andere das - und daraus entsteht eine neue Idee, die man vorher nicht erwartet hat." Imkerin Utha Bonowsky sagt: "Die 'Alte Mu' ist ein Ort, wo ich das Gefühl habe nicht alt zu werden. Man begegnet sich hier überall auf Augenhöhe. (…) Das ist, glaube ich, ganz wichtig fürs Glücklichsein."

Geht diese Vielfalt jetzt verloren?

Eine Frau sitzt an einem Tisch und klebt Etiketten auf Honiggläser. © NDR Foto: Alexa Dudda
Utha Bonowsky in der Honig-Werkstatt von "Kieler Honig": Die Stadt-Imkerei legte vor über zehn Jahren den Grundstein für die "Alte Mu".

Von Anfang an mussten die Mitglieder für die Zukunft der "Alten Mu" kämpfen. Grund ist die ungewöhnliche Lage. Vor zwölf Jahren fragten Kieler Studenten den Kanzler der ehemaligen "Muthesius Kunsthochschule", ob sie im leerstehenden Gebäude eine Stadt-Imkerei gründen dürfen - daher der Name "Alte Mu".

Mit Werkstatt zum Etikettieren, Küche zum Honig schlagen und eigenen Bienenstöcken auf dem Dach legte "Kieler Honig" den Grundstein für die Idee zum nachhaltigen "Kreativdorf". Aber das Gebäude gehört dem Land Schleswig-Holstein, und lange verhandelte die Imkerei um ihr Nutzungsrecht. Statt für viel Geld an Investoren zu verkaufen, ließ das Land immer mehr nachhaltige Projekte einziehen. Friederike Kopp lobt die Unterstützung des Landes: "Es war mutig, dass sie sagten, wir vertrauen auf den Prozess, der von den Kreativen gestartet wurde und nicht auf das größte Geld, das man mit so einem Grundstück verdienen könnte."

Neue Chancen und ein harter Weg

Aber damit könnte bald Schluss sein. Das Land Schleswig-Holstein möchte nicht länger den Erhalt des Gebäudes finanzieren. Damit der kreative Ort seinen Platz nicht verliert, müssen sie in Zukunft selbst die Verantwortung für die Immobilie übernehmen. Das vertraglich durchzusetzen stelle beide Seiten vor große Herausforderungen, erzählt Friederike Kopp. Sie setzte sich für die Gründung einer Genossenschaft ein, damit ein Erbbaurechtsvertrag zwischen Land und "Alter Mu" geschlossen werden kann.

Wenn die "Alte Mu" zukünftig Sanierungen und Bauvorhaben selbstständig plant und finanziert, kann die Genossenschaft für 99 Jahre Eigentümerin des Gebäudes werden. "Dadurch bekommen wir die tolle Gelegenheit, unsere eigenen Ideen von der Gestaltung der Flächen ausleben zu können", freut sich Friederike Kopp. Aber sie weiß auch um die Herausforderungen.

Von maroden Wänden zum "Kreativdorf"

Eine Brücke führt zu dem Eingang eines roten Backsteingebäudes. © NDR Foto: Alexa Dudda
Die ehemalige Kunsthochschule: in den obersten drei Stockwerken und in zwei zusätzlichen Geschossen soll Wohnraum entstehen.

Der Sanierungsbedarf sei groß, sagt sie. "Wir hatten eine Zeit lang keinen Strom, Heizung war kaputt. Wasser war, Gott sei Dank, noch nie ein Problem, außer dass es rein regnet, weil etwas marode ist." Aber Friederike Kopp und die Mitglieder stecken schon in den Planungen, um das Gebäude so fit zu machen, dass es auch für nächste Generationen hält, bekräftigt die 34-Jährige motiviert.

Das Land stellt aber noch weitere Bedingungen für den Erbbaurechtsvertrag. Fünf Jahre hat die Genossenschaft jetzt Zeit, in der ehemaligen Kunsthochschule Wohnungen zu bauen. So soll sich der Standort zu einem richtigen "Kreativdorf" entwickeln, in dem Arbeiten und Wohnen möglich ist. Die Wohnungen sind für Mitglieder der "Alten Mu", aber auch für Menschen von außerhalb, die sich einbringen möchten. Mindestens ein Drittel wird sozialer Wohnraum.

Eine Millionen von der Stadt, aber es reicht nicht

1,8 Millionen Euro Vorfinanzierung sind schon zusammen. Große Unterstützung erfährt die "Alte Mu" durch die Stadt Kiel. Sie hat eine Millionen Euro gezahlt. Annette Wiese-Krukowska ist Referatsleiterin für Kultur und Kreative Stadt in Kiel und erklärt: "Wir sind hier ein großer Hochschulstandort und wir wollen uns als Stadt auch so entwickeln, dass wir nachhaltige Themen wie Müllvermeidung wirklich gut hinbekommen. Da sind diese jungen, gut ausgebildeten Leute mit tollen Ideen absolute Kooperationspartner für uns." Diese Menschen möchte Kiel nicht an andere Großstädte verlieren, sondern als Landeshauptstadt davon profitieren, sagt sie.

Die restliche Summe stammt aus Darlehen einer Bank und Kleinkrediten. Aber es reicht nicht. "Unsere Stakeholder wollen auch sehen, wie viel wir aus eigener Kraft schaffen", sagt Friederike Kopp. Deshalb müssen noch 320.000 Euro Eigenmittel her. Das schaffe die Kreativszene alleine nicht, meint sie.

Hilfe von der Stadtbevölkerung: "Die Alte Mu ist für alle da"

Das Projekt "Alte Mu" arbeitet kostendeckend. "Wir haben deswegen nicht riesige Rücklagen oder ein Grundstück, was wir belasten können", sagt Friederike Kopp. "Wir machen das alles aus Betriebsmitteln und unserem eigenen Engagement und fragen die Stadtbevölkerung um Hilfe, denn die 'Alte Mu' ist für alle da." Der Verkauf von Genossenschaftsanteilen und eine Spendenkampagne sollen zum fehlenden Geld verhelfen.

Harald Frank ist ebenfalls im Vorstand der "Alten Mu" und hat die Finanzen genau im Blick. "Ich mache mir über die Gesamtfinanzierung am Ende, also über die 30 Millionen, nicht so große Gedanken, weil wir dann das Grundbuch belasten können. Im Moment ist es ganz wichtig, dass wir den Bauantrag Ende des Sommers auf den Tisch legen. Da arbeiten wir im Moment mit Hochdruck dran."

Friederike Kopp bleibt zuversichtlich und hofft auf die Unterstützung der Kielerinnen und Kieler. "Wir haben seit der ersten Stunde, seitdem die Idee von der 'Alten Mu' da war, so viel Liebe, Energie, Mühe und Motivation hier reingesteckt. Es wäre einfach fatal, wenn wir an dieser Stelle stoppen müssen." Mithilfe der Spendenkampagne wollen sie bis Mai 2025 alle Bedingungen erfüllen und mit dem Bau beginnen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 30.01.2024 | 20:15 Uhr

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