Kolumne: Sind wir ihnen wirklich ausgeliefert, den Handys?
Trotz zahlreicher Studien über unseren exzessiven Medienkonsum scrollen wir resigniert weiter. Unsere Kolumnistin fragt sich, warum es so schwer ist, das Smartphone wegzulegen - und ob wir das überhaupt noch können.
Während ich diesen Text schreibe, wird mir immer wieder ein verführerisches Glänzen im Augenwinkel bewusst. Da liegt es, klein, dunkel und unscheinbar: mein Smartphone. Gerade ist es still. Verdächtig still. Sollte ich es nicht kurz nehmen, nur ganz kurz und mit dem köstlichen Wischen meines Daumens aufmachen? Einen kleinen Blick werfen auf mein Whatsapp, meine Postfächer, mein Instagram-Konto? Schnell schauen, ob wer was will, von mir? Weil ich es mir aber gerade entsage, um diesen Text zu schreiben, wird das Bedürfnis zu einer Irritation. Wie ein Mückenstich, den man nicht kratzen will. Argh. Mit reuevollem Blick lege ich eine Zeitung über das Handy und verdecke es. Vergessen tue ich es nicht.
Damit bin ich nicht allein
Handysucht ist ein Ding. Ich muss hier nicht wieder auflisten, wie lange Jugendliche, aber auch Erwachsene mittlerweile täglich Zeit am Smartphone verbringen. Vom sinnlosen Daddeln, also dem achten Video eines Kängurus, das ein Katzenbaby stillt, bis hin zum ausufernden Familienchat auf Whatsapp. Wir alle wissen eigentlich: Wir hängen da viel zu viel drin. Wenn ich morgens auf'm Weg zur Arbeit am Bahnhof vorbeifahre und da die wartende Menge mit gekrümmtem Buckel aufs flimmernde Gerät in der Hand schauen sehe, schäme ich mich schon irgendwie für uns. Wann haben wir uns dem Ganzen so bedingungslos ausgeliefert? Ich finde, es ist an der Zeit, sich ein wenig Macht zurückzuholen. Ich habe damit vor ein paar Monaten mal begonnen - und es läuft nicht schlecht, muss ich sagen.
Kontrolle wiedererlangen
Ich weiß, dass es im Internet extrem viele Ratgeber gibt, die auflisten, was man alles tun kann, um diese antrainierte Sucht zu bekämpfen. Ein neuer Trend empfiehlt paradoxerweise sogar, sich ein neues Handy zu kaufen, um weniger süchtig zu sein. Das so genannte Dumbphone, landläufig gern "alter Knochen" genannt, wird gerade immer beliebter unter Smartphone-Süchtigen. Angeblich soll man damit keine Apps mehr nutzen und nur noch kommunizieren können. Aber müssen wir uns echt noch mehr umweltschädliche Technik ins Haus holen, um uns von dieser vermeintlich zu befreien? Für mich der nachhaltigste erste Schritt - und das gilt vermutlich für jede Sucht - ist das Eingeständnis. Ja, ich habe ein Problem und will das ändern.
Bewusstwerdung
Mir zum Beispiel ist es wirklich ein Graus, auf Spielplätzen, am Strand und in Schwimmbädern Eltern zu beobachten, die ihre Kleinen ignorierend, nur noch auf dieses leuchtende Ding starren. Verzweifelte "Papa, Papa, guck mal"-Klagen, während der Daumen des Vaters wie ferngesteuert durchs Netz swiped. Meine Konsequenz daraus: Während der Familienzeit, Frühstück, Abendbrot, Ausflüge, bleibt der kleine digitale Imperator in der Tasche im "Nicht stören" Modus. Auf Toilette checke ich dann eventuell kurz, mehr auch nicht. Einfach wieder mehr Bewusstsein in den Konsum bringen, wieder aktiv werden, statt ausgeliefert!
Je analoger, desto zufriedener
Weiterhin lese ich jetzt wieder. Mein liebstes Hobby, jämmerlich verdorrt im Angesicht von Instagram-Videos, sorgt einfach für mein Seelenheil. Eine Stunde vorm Schlafen geht mein Handy also in den Flugmodus, immer, und mit Buch in der Hand schlafe ich ein. Friedlich und wie früher. Achso und Benachrichtigungen habe ich auch im täglichen Gebrauch fast alle abgeschaltet und Newsletter, die mich umsonst mein Mailfach öffnen lassen haben, konsequent de-abonniert. Und auf meinen kommenden Urlaub auf einer Nordseeinsel freue ich mich auch sehr. Dort bleibt das Handy einfach im Zelt. Sonne hat er nämlich nicht auch noch verdient, der glänzende Schelm.