Klein, aber fein: FH Westküste feiert 30. Geburtstag
Die Fachhochschule Westküste (FHW) in Heide ist die kleinste Hochschule in Schleswig-Holstein. Aktuell sind 1.600 Studierende in zehn Studiengängen eingeschrieben, zum Beispiel Internationales Tourismus Management, Wirtschafts-Psychologie und Elektrotechnik. Viele Studierende loben den engen Praxisbezug, den engen Kontakt zu Unternehmen in der Region und die intensive Betreuung durch Professoren.
Hans-Dieter Ruge war einer der ersten Professoren an der FH Westküste. Er kündigte vor 30 Jahren seinen Job als Werbeleiter bei Ford Deutschland in Köln, um Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der FHW in Heide zu werden. Mittlerweile ist Ruge im Ruhestand, wohnt nach wie vor in Heide und kehrt immer mal wieder an die Hochschule zurück. Er erinnert sich an die Anfänge 1993. "Als ich damals hierher kam, waren die Studenten schon zehn Tage da, hatten Vorkurse und konnten mir dann erklären, wo die Räume sind." Damals, so Ruge, gab es ganze 42 Studenten in Betriebswirtschaft und 29 in Technik. Und drei Professoren - in Maschinenbau, Elektrotechnik und BWL. Sonst nur Lehrbeauftragte.
Studium von jetzt auf gleich
Erst im März hätten die Studenten erfahren, dass die FH in Heide ihren Betrieb aufnimmt, erzählt Ruge. Die meisten seien aus der Region gewesen, viele schon mit Berufserfahrung und daher etwas älter als die heutigen Studierenden. "Das war damals ne Kombination aus toller Lehre und ein bisschen Chaos, wo alle irgendwie mitgestalten durften." Ständig habe sich etwas am Stundenplan geändert, weil Lehrbeauftragte abgesagt hätten oder irgendwas mit den Räumen gewesen sei, erzählt Ruge. Denn die FH hätte damals eben keine Hörsäle oder Seminarräume heutiger Art gehabt, sondern lediglich umgebaute Räume auf dem Grundstück eines Gewerbebetriebes.
Neuer Campus am Stadtrand
Nach Jahren in den provisorischen Gebäuden in der Rungholtstraße bekam die Fachhochschule dann im Jahr 2000 einen eigenen Campus am Stadtrand. Am Fritz-Thiedemann-Ring enstanden modern Hörsäle, Seminarräume und Labore sowie Mensa und Bibliothek. Die FHW nennt sich mittlerweile Hochschule für Wirtschaft und Technik. Der Maschinenbau wurde nach Flensburg abgeben. Inzwischen sind die beliebtesten Studiengänge in Heide Internationales Tourismus Management, Wirtschafts-Psychologie und Elektrotechnik. Der Professor aus der FHW-Gründerzeit ist begeistert, wie sich die Hochschule entwickelt hat: "Wir haben jetzt ein sehr differenziertes Studienangebot, das dazu führt, dass viele Studierende aus anderen Ecken Schleswig-Holsteins, aber auch von außerhalb nach Heide kommen."
Praxisnah und familiär
Einer der zurzeit 1.600 Studierenden ist Lars Köppen aus Hoisbüttel, der gerade sein 7.Semester Management und Technik absolviert. "Meine Schwester hat schon hier in Heide studiert, daher kannte ich das ein bisschen von einigen Besuchen. Ich fühle mich hier sehr wohl, die Region hat für mich so'n bisschen Dänemark-Flair". Katharina Studtmeister aus Geestacht hat sich in Wirtschafts-Psychologie eingeschrieben und ist aktuell im 3.Semester. "Für mich war auch die Nähe zur Nordsee ein Faktor, denn ich finde die Region sehr schön, Büsum und St.Peter-Ording sind ja nicht so weit." Ihr 21 Jahre alter Kommilitone Linus Heidinger aus Wrist ist von Freunden auf die FH Westküste aufmerksam gemacht worden. "Ein paar Kumpel von mir haben hier studiert, und die haben mir erzählt, dass man hier praxisnah studieren kann, und da stand für mich fest: Das will ich auch."
Gut in der Region vernetzt
Zum praxisnahen Studium gehört an der FH Westküste, dass die Studierenden Praktika in den Unternehmen der Region machen. Denn viele Betriebe, sagt Präsidentin Anja Wollesen, kooperieren mit der Hochschule vor ihrer Haustür. "Wir haben eine extrem starke Verankerung in der Region. Das spiegelt sich sowohl in der Lehre als auch in der Forschung wieder. Das heißt, die Studierenden haben die Möglichkeit, sich hier in Unternehmen vor Ort zu erproben - und das immer in kleinen Gruppen. Sie werden dann bei uns auch vor und nach dem Praktikum sehr gut betreut." In vielen Fällen hätten Studierende nach dem Praktikum einen Job für die Semesterferien bei dem Unternehmen bekommen, und es gebe auch Studierende, die dann bei dem Betrieb angefangen hätten, so Wollesen.
"Unzählige Kooperationen"
Der Studiengang Internationales Tourismus Management hat nach ihren Worten mittlerweile eine große Ausstrahlung nicht nur im Norden, sondern in ganz Deutschland. "Es gibt unzählige Kooperationen mit einzelnen Urlaubsorten, Tourismus-Zentralen und landesweiten Verbänden. Das hat sich toll entwickelt, es gibt Forschungs-Aufträge von dieser Seite und viele Projekte, die unsere Studierenden im Rahmen ihres Studiums in den Urlaubsorten durchführen." Ein zweites wichtiges Institut sei das ITE, das Institut für die Transformation des Energiesystems im Fachbereich Technik. Hier gehe es vor allem um die Forschung zu erneuerbaren Energien und die Umsetzung der Energiewende.
Abkommen mit Batteriefabrik geplant
Die FH Westküste strebt aktuell weitere Kooperationen an, zum Beispiel mit dem schwedischen Unternehmen Northvolt, sollte diese Firma die geplante Batteriezellenfabrik für E-Autos bei Heide bauen. FHW-Präsidentin Wollesen hat sich schon zu mehreren Gesprächen mit den Northvolt-Projektleitern getroffen. "Wir können uns vorstellen, unsere Studieninhalte zu verändern und den Anforderungen von Northvolt anzupassen. Ausserdem sind Qualifizierungen für die Mitarbeitenden von Northvolt möglich." Dies könne eine Win-Win-Situation für FHW und Northvolt werden.
FH Westküste bekommt Neubau
Derzeit wird auf dem Campus am Heider Stadtrand gebaut. Die FH Westküste bekommt ein neues Mehrzweckgebäude zwischen Bibliothek und Mensa. Für zehn Millionen Euro entstehen neue Hörsäle, Seminarräume und Büros. "Derzeit sind zwei Studiengänge in Außenstellen untergebracht, zum Beispiel Immobilienwirtschaft in einem ehemaligen Autohaus. Und damit alles hier auf dem Campus zusammengefasst werden kann, bekommen wir das neue Gebäude." Damit würden die Studienbedingungen an der kleinsten Hochschule des Landes weiter verbessert. Was sich offenbar auszahlt: Zum Wintersemester haben sich 400 Studierende an der FHW eingeschrieben - sechs Prozent mehr als im Vorjahr.