Kita fällt aus - und jetzt? Unternehmen in Zugzwang
Wenn die Betreuung in der Kita ausfällt, sorgt das für Probleme bei den Eltern. Aber auch die Firmen im Land können darunter leiden. Eine schlechte Betreuungssituation hält Eltern sogar vom Arbeitsmarkt fern.
In einer Umfrage des Wirtschaftsverbandes "Die Familienunternehmer" gaben 76 Prozent der befragten Verbandsmitglieder deutschlandweit an, dass Ausfälle in der Kita-Betreuung zu Störungen in den Betrieben führen. "Besonders alarmierend ist es in Schleswig-Holstein", sagt die Landesvorsitzende der "Jungen Unternehmer", Nathalie Rieck. Hier seien es sogar 90 Prozent der befragten Unternehmen. Die Umfrage zeige deutlich, es gebe dringenden Handlungsbedarf, denn der Koordinationsaufwand in den Betrieben werde immer größer. Diese Situation verschärfe den ohnehin bestehenden Fachkräftemangel enorm, setze die Familienunternehmen im Land unter Druck.
"Disponieren stündlich neu"
Auch die Druckerei von Natalie Rieck in Tornesch (Kreis Pinneberg) ist demnach betroffen. "Wir disponieren teilweise stündlich neu", sagt sie. Gerade mit Blick auf die Lieferketten. Komme das Papier zu spät, steht keiner an der Maschine, müsse einer früher gehen oder komme später, habe das alles Auswirkungen auf den Betriebsablauf und auf alle Kollegen. Auf die, die wegbleiben müssen, um ihre Kinder zu betreuen, auf die, die im Betrieb sind und auch die Kunden spüren demnach die Auswirkungen. In den vergangenen anderthalb Jahren habe sich die Lage derart verschlechtert, dass Mitarbeiter sogar ihre Arbeitszeit reduzieren mussten, um ihre Kinder besser betreuen zu können.
Notbetreuung, um Mitarbeiter zu halten
Auch das IT-Unternehmen Topmotive aus Bargteheide (Kreis Stormarn) kämpft fast täglich mit den Auswirkungen der schlechten Kita-Betreuung. In der Zentrale arbeiten 180 Mitarbeiter, zu ihnen gehören 170 Kinder. Kundenbesprechung mit Baby ist im Unternehmen möglich. "Wir machen hier sehr viel", sagt die Geschäftsführerin Anja Pleus. Flexibles Arbeiten, mobiles Arbeiten oder Homeoffice sind einige Maßnahmen, hinzu kommt eine Notbetreuung der Mitarbeiterkinder im Unternehmen. Ausgebildete Erzieher einer Agentur betreuen die Kinder in einer Art Gruppenraum im Unternehmen. Brettspiele, Malsachen oder eine Ausruhecke - alles ist wie in einer Kita. Für Janne Elwers, Assistenz der Geschäftsleitung, war dies einer der Gründe, warum sie sich beim Bargteheide IT-Unternehmen beworben hat.
Kita fällt aus: Stress für die Mitarbeiter
Die zwei Kinder von Janne Elwers wurden schon häufiger in der Notbetreuung des Unternehmens versorgt. Wenn die Kita kurzfristig ausfällt, sei das immer Stress, sagt sie. Wenn man in einem Team arbeitet, sei man immer die, die andere fragen muss, ob Termine übernommen werden können. Die Zuverlässigkeit sei ein Problem. Es sei einfach ein Unding, sagt Elwers, denn schließlich zahle man auch für die Kitabetreuung.
Eltern sind Fachkräfte, die die Unternehmen brauchen
Das Angebot, welches Topmotive seinen Mitarbeitern bietet sei ein klarer Wettbewerbsvorteil, sagt Geschäftsführerin Anja Pleus. Es koste Geld, aber es zahle sich aus. Das Unternehmen brauche die Eltern, denn sie zählen zu den Hauptzielgruppen, meint Pleus. Gerade auch Mütter hätten oft eine bessere Bildung. Sie seien gewillt zu arbeiten, aber natürlich nur, wenn Sie wissen, dass ihre Kinder gut betreut sind, erklärt Pleus. Sie selbst ist auch Mutter von drei Kindern. Das zahlt sich aus, die Mitarbeiterfluktuation liegt bei unter zwei Prozent. Doch natürlich sei auch klar, dass es nicht jedes Unternehmen so handhaben kann.
Unternehmerverband: Land muss sich um Kinderbetreuung kümmern
Natalie Rieck vom Verband "Die Jungen Unternehmer" sieht die Entwicklung, dass immer mehr Unternehmen Angebote zur Kinderbetreuung schaffen, kritisch. Nicht jedes könne sich das leisten oder ermöglichen. Der Betreuungsauftrag liege klar beim Land. Die Unternehmen seien für die Gewerbesteuer zuständig und nicht für die Bildung. Deshalb wünschten sich Wirtschaft und Eltern, dass das Land schnellstmöglich mehr Kitaplätze und eine verlässliche Betreuung schafft.