KZ Kaltenkirchen: "Auch bei uns vor der Haustür gab es Lager"
Spuren der Nazi-Zeit finden sich bis heute auch in Schleswig-Holstein - und manche bleiben nur erhalten, weil Menschen sich engagieren. So wie Uta Körby. Durch ihr Engagement für die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen hat sie in den vergangenen Jahren viel bewegt. Ein Porträt.
Ein Waldstück unmittelbar an der B4 - im Hintergrund hört man das Rauschen der vorbei jagenden Autos, im Vordergrund - da steht Uta Körby. Elegant gekleidet, der silberne Lockenschopf vom Wind zerzaust, die Augen blitzen hinter ihrer Brille hervor. Um sie herum ragen hohe Kiefern in den strahlend blauen Himmel. Sie sind so alt wie Körby selbst: 78. Ende Mai 1945 kommt die Tochter eines Wehrmachtoffiziers in Kiel zur Welt.
Die pensionierte Sonderschullehrerin studierte in Frankfurt. Heute lebt sie auf einem Hof in Lutzhorn (Kreis Pinneberg). Die 78-Jährige ist passionierte Reiterin. Bis in die 1990er-Jahre hinein genießt sie Ausritte durch die malerischen Felder und Wälder ihrer Umgebung. Niemals hätte sie geahnt, dass sich auf diesen Strecken grausame Geschichte ereignet hat.
Bagger entdeckt KZ-Überreste
Für sie war es ein Schockmoment, als im Jahre 1997 ein Bagger auf die Überreste der Wasch- und Latrinenbaracke des KZ-Außenkommandos Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) stößt. Nur wenige Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Dass sie jahrelang nichtsahnend dort entlang geritten sei, für Uta Körby der Moment, an dem ihr klar wurde: Sie würde sich auch über die Arbeit an der Schule hinaus engagieren.
"Natürlich ist es das 'Nicht-vergessen', was mich antreibt, immer angetrieben hat und nach wie vor antreibt", sagt sie. "Es ist aber nicht nur das 'Nicht-vergessen', sondern es ist eben auch ein Bestandteil der Aufklärung: Aufgeklärt sein über die eigene Geschichte, die unsere Gesellschaft ja auch ausmacht. Unsere heutige Gesellschaft gründet eben auch auf dieser Geschichte - in einem ganz starken Maße", erklärt sie ihre Motivation.
"Das war die Abwehr, überhaupt zur Kenntnis nehmen zu wollen, was hier gewesen ist." Uta Körby
Zusammen mit einer kleinen Gruppe, die den Ort aus der Vergessenheit hieven möchten, setzte sie alle Hebel in Bewegung, damit die Öffentlichkeit von den Überresten des KZ Wind bekommt. Sie ist Mitgründerin eines Trägervereins und kämpfte teils gegen heftigen Widerstand, unter anderem vonseiten der Kirche und Politik, dafür, dass das Gelände hier eine Gedenkstätte wird.
Sie erzählt davon, wie sie und andere Vereinsmitglieder angefeindet wurden, als sie deklarierten, dass der Ort eine Gedenkstätte werden müsste: "Dass wir ausgerechnet eine Latrinengrube zu einem Denkmal erklärt haben, also als denkmalwürdig erachten. Dahinter verbarg sich natürlich eine ganz andere Abwehr. Das war die Abwehr, überhaupt zur Kenntnis nehmen zu wollen, was hier gewesen ist."
2019 mit Bundesverdienstkreuz geehrt
Für ihr Engagement als Mitbegründerin des Trägervereins KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch erhielt Uta Körby im Jahre 2019 das Bundesverdienstkreuz. Rückblickend erzählt sie, wie sie - als Alt-68erin - den Gedanken an diese doch auch militaristisch anmutende Zeremonie gewöhnungsbedürftig findet. Stolz ist sie trotzdem. Und das kann sie auch sein. Bei ihrer offiziellen Verabschiedung Ende Mai dieses Jahres findet Bildungsministerin Karin Prien (CDU) für Uta Körbys Einsatz, unter anderem als Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein, viele lobende Worte. Unter anderem sagt Prien, dass es Uta Körby maßgeblich zu verdanken sei, dass wir hier in Schleswig-Holstein heute so eine starke Gedenk- und Erinnerungskultur haben. Das, so Prien, sei nicht immer so gewesen.
"Mich hat immer sehr gestört, wenn von den Nazis so gesprochen wurde - und immer noch wird - als ob das Aliens waren, die irgendwoher gekommen sind", sagt Körby und schüttelt mit dem Kopf. "Nein, es ist ja aus der Mitte der Gesellschaft herausgekommen und wurde ja auch von der Mehrheitsgesellschaft, muss man leider einräumen, auch getragen. Und ohne Geschichte zu kennen, ist man dazu verdammt, sie zu wiederholen. Wenn etwas geschehen ist, kann es auch wieder geschehen."
Ein Lebenswerk für die Erinnerung
Uta Körby wird sich in nächster Zeit Schritt für Schritt aus ihren Tätigkeiten zurückziehen, sie hat ihren Vorsitz der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte abgegeben. Doch ihr Lebenswerk, die Gedenkstätte bleibt und damit das Aufrechterhalten der Erinnerungen an eine Zeit, die sich niemals wiederholen darf.