Zwischen Entsetzen und Erleichterung: Urteile nach Jugendgewalt

Stand: 23.07.2024 17:00 Uhr

Schwere Raubüberfälle, Erpressung und gefährliche Körperverletzung - das war nur ein Teil der Taten, mit denen fünf Jugendliche die Stadt Heide Anfang des Jahres in Angst und Schrecken versetzt haben.

von Laura Stuhlmacher

Die Urteilsverkündung des Vorsitzenden Richters Knut Hansen-Notbaar am Dienstag dauerte fast eine Stunde. In dieser Stunde war die Luft vor dem Sitzungssaal fast zum Schneiden angespannt. Weil der gesamte Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, konnten nur enge Verwandte mit in den Sitzungssaal 1. Angehörige und Freunde der Angeklagten blieb nichts weiter übrig, als nervös vor dem Saal auf und ab zu gehen. Handys waren ebenfalls verboten, selbst auf den Fluren. Immer wieder ging der Blick zur Uhr, deren minütliches Ticken die Anspannung noch greifbarer machte. Um 16 Uhr öffneten sich dann die Türen - und zwei der Angeklagten, ein Junge und ein Mädchen, wurden in Handschellen abgeführt.

Keine Anrechnung der Untersuchungshaft

Den Jungen verurteilte das Gericht zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Das Amtsgericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte unter anderem für fünf schwere Raubüberfälle, vier davon mit gefährlicher Körperverletzung und eine schwere räuberische Erpressung mit gefährlicher Körperverletzung verantwortlich ist. Das Urteil gegen ihn ist noch nicht rechtskräftig.

Das Mädchen wurde durch das Gericht zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, weil sie für zwei Raubüberfälle verantwortlich sei. Sie sitzt seit etwa drei Monaten in Untersuchungshaft, doch "die Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft unterbleibt aus erzieherischen Gründen" heißt es vom Gericht.

Entscheidung zur Bewährung steht noch aus

Ein Angeklagter machte sich laut Gericht vier Mal des schweren Raubes, davon drei Mal mit gefährlicher Körperverletzung, einer Unterschlagung sowie zwei Diebstählen schuldig. Gegen ihn wurde eine Jugendstrafe von anderthalb Jahren verhängt. Ob diese Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, soll laut Gericht in einer gesonderten Entscheidung fallen, die "binnen vier Monaten zu treffen ist".

Die beiden weiteren Angeklagten wurden ebenfalls für mehrere Raubüberfälle, Wohnungseinbrüche und Erpressung verurteilt, die Strafen von einem Jahr und neun Monaten sowie anderthalb Jahren sind jedoch zur Bewährung ausgesetzt und laut eines Gerichtssprechers bereits rechtskräftig. Die Jugendlichen zeigten sich erleichtert, als sie den Sitzungssaal als Verurteilte, aber ohne Handschellen verlassen konnten.

Kriminologe: "Harte Strafen schrecken nicht ab"

Es sind vergleichsweise hohe Strafen, die das Amtsgericht Meldorf am Dienstagnachmittag verhängte. Professor Thomas Bliesener vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen erklärte auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein, dass eine Abschreckungswirkung durch harte Strafen nicht erwiesen sei. Da sei die Befundlage eindeutig. Denn die meisten Täter würden vor und während ihrer Straftaten nicht darüber nachdenken, welche strafrechtliche Auswirkung ihr Handeln habe.

Dennoch: Beschleunigte Verfahren wie in diesem Fall haben das Ziel, eine Signalwirkung bei den Jugendlichen zu erreichen. Das begrüßte auch Heides Bürgermeister Oliver Schmidt-Gutzat (SPD), als der Prozess im Juni begann. Laut Experte Bliesener sollten nun die Präventionsmaßnahmen an Schulen, in den Gemeinden und bei der Polizei wieder hochgefahren werden. Diese seien nämlich vor allem während der Corona-Pandemie weggefallen - und die Ergebnisse würden heute durch den jüngsten Anstieg der Jugendkriminalität spürbar werden.

 

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Nachrichten für Schleswig-Holstein | 23.07.2024 | 19:00 Uhr

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