Jede dritte Straße und Brücke in Schleswig-Holstein ist marode

Stand: 23.01.2025 11:30 Uhr

Eine Umfrage des NDR zeigt: Ein Drittel der kommunalen Straßen und Brücken in Schleswig-Holstein ist in einem schlechten Zustand. Durch den Sanierungsstau droht die Situation auf den Straßen noch schlechter zu werden. 

Schon der aktuelle Zustand der Straßen im Land ist nicht gut: In Schleswig-Holstein ist knapp ein Drittel der Straßen von den an der Umfrage teilnehmenden Kommunen und Gemeinden als schlecht oder sehr schlecht bewertet worden. Negative Spitzenreiter sind unter anderem Ratzeburg mit 89 Prozent maroden Straßen, Sylt mit 70 Prozent und das Amt Nordsee-Treene mit 67 Prozent. Die NDR Umfrage wurde zusammen mit der Technischen Universität Berlin durchgeführt.

Studie des NDR und TU Berlin zu kommunalen Straßen und Brücken

Das NDR Magazin Magazin Panorama 3 hat zusammen mit Wulf-Holger Arndt vom Zentrum Technik und Gesellschaft an der TU Berlin versucht, überall im Norden den Zustand der kommunalen Brücken und Straßen zu erfassen. Angefragt wurden dafür erstmals alle Städte, Samtgemeinden, Einheitsgemeinden, Ämter und amtsfreien Gemeinden im gesamten Norden. Knapp ein Drittel der Gemeinden aus Schleswig-Holstein haben die Fragen beantwortet und Daten bereitgestellt.

Kein landesweiter Überblick über den Zustand der kommunalen Straßen

Wie es um die kommunalen Straßen und Brücken bestellt ist, darüber gibt es keinen Gesamtüberblick. Denn jede Stadt und jede Gemeinde dokumentiert den Zustand der eigenen Brücken und Straßen nur für sich. Eine landesweite Erfassung gibt es nicht.

"Die späteren Generationen werden die Last tragen müssen"

Ein Beispiel: In Ratzeburg sind knapp 90 Prozent der Straßen, so die Auskunft der Stadt, in keinem guten Zustand. An manchen Stellen kann nur ganzflächig geflickt werden - mit einem Grobsplit - so der Vorsitzende des Bauausschusses, Werner Rütz (FRW). Damit könne man die Sanierung zwar verschieben, aber nur um fünf bis maximal acht Jahre. Mit den kosmetischen Maßnahmen werde Zeit gewonnen. Doch irgendwann, so der Bürgermeister aus Ratzeburg, Eckhard Graf (SPD) wird der Sanierungsstau so groß sein, dass die Kommunen tätig werden müssen. Woher dann das Geld kommen soll, ist ihnen nicht klar.

Immer weniger Landesmittel für kommunale Straßen und Radwege

Nach Angaben des Verkehrsministeriums wurden im Jahr 2023 knapp 54 Millionen Euro für den Ausbau kommunaler Straßen und Radwege bereitgestellt. Im Jahr 2025 sind es nur noch etwas über 25 Millionen Euro. Das kritisiert auch der Landesgeschäftsführer des schleswig-holsteinischen Städte - und Gemeindetages, Jörg Bülow. Er hält die starken Kürzungsmaßnahmen in der Infrastruktur für den falschen Weg. "Gerade in Zeiten schwacher Konjunktur ist es wichtig, die regionale Wirtschaft durch eine gute Infrastruktur zu stärken. Das Vertrauen der Menschen in den Staat wächst doch dort in den Gemeinden, wo eine gute Infrastruktur und Lebensqualität gestaltet werden". Bülow sagt weiter, die Perspektiven sähen nicht gut aus.

Verkehrsministerium: "Es fehlt an Geld und Personal"

Die letzte landesweite Erfassung über den Zustand der Kreisstraßen, die dem Verkehrsministerium vorliegt, ist von 2021. Das Ergebnis hier: knapp ein Drittel der Kreisstraßen sei in einem ausreichenden oder schlechten Zustand. Der Bericht mache aber auch den Trend deutlich, dass die zunehmende Alterung der Infrastruktur und die starke Beanspruchung nicht ohne Folgen bleibe. Das auf kommunaler Ebene bei der Infrastruktur gespart werden müsse, sei nicht zu vermeiden. Die aktuell schwierige Haushaltslage eröffne dem Land keinen Handlungsspielraum. Außerdem hätten die Baufirmen Kapazitätsengpässe.

Landesrechnungshof: "Mehr Verkehrsbeschränkungen und Sperrungen"

Kritik an den Kürzungen in der Infrastruktur kommt auch von Gaby Schäfer, Präsidentin des Landesrechnungshofs . "Der Substanzverfall wird zunehmen", so Schäfer. Dadurch werde es zu mehr Sperrungen im Straßenverkehr und zu mehr Verkehrsbeschränkungen für Autofahrer kommen. Ein intaktes Straßennetz sei aber für eine funktionierende Wirtschaft von großer Bedeutung. Auch die Landesstraßen, so die Präsidentin, seien von den Kürzungen betroffen.

Natürliche Alterung der Straßen: Großteil der Infrastruktur erreicht "Lebensende"

Straßen haben eine technische Lebensdauer. Sie seien wie Menschen: Wenn man zu alt wird, müsse man eben häufiger zum Arzt gehen, so erklärt das Christoph Köster vom Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LSV). Viele Straßen sind in Schleswig-Holstein in den 50er- bis 70er-Jahren gebaut worden. Nach etwa 80 Jahren könne man, so Köster, diese Straßen nicht mehr richtig nutzen. Verschärft werde das Problem auch durch den zunehmenden Lkw-Verkehr. Der LSV ist zuständig für die Landes- und Bundesstraßen, und einige Kreisstraßen. Hier habe man bereits 2014 bei den Landesstraßen nachgesteuert und Gelder zur Verfügung gestellt. Doch für die kommunalen Straßen und Radwege ist nicht der LSV zuständig, sondern die Kommunen selbst. Wenn hier das Geld fehlt, kann auch nichts repariert werden.

Jede achte Brücke in einem schlechten Zustand

Beim Zustand der Brücken steht Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen norddeutschen Bundesländern noch besser da. Dennoch: Knapp zehn Prozent der Brücken werden in Schleswig-Holstein nach Angaben der Umfrage (also nach Selbsteinschätzung der befragten Gemeinden) als ungenügend oder nicht ausreichend bewertet. Reparaturarbeiten werden hier nicht nur durch das fehlende Geld verzögert: Verwaltung, Ingenieurbüros und Baufirmen haben mittlerweile Kapazitätsprobleme, der Fachkräftemangel verschärft hier ebenfalls die Situation.

Weitere Informationen
Drohnenaufnahme der Bürgermeister-Smidt-Brücke in Bremen. © NDR

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 23.01.2025 | 16:00 Uhr

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