In Lübeck entsteht Fisch im Labor
Das Lübecker Start-Up Bluu Biosciences arbeitet daran, Fisch aus dem Labor marktreif zu machen. Eine nachhaltige Alternative, weil so natürliche Bestände geschont werden können.
Überfischung bedroht die Meere - diese Warnung von Wissenschaftlern und Umweltschützern aus aller Welt ist nicht neu. Wohl aber ein möglicher Lösungsansatz für dieses Problem: Fischzucht, ohne Fische zu töten. Das Lübecker Start-Up Bluu Biosciences hat sich genau das auf die Fahne geschrieben. Das junge Unternehmen will mithilfe von Zellkulturen nachhaltigen Fisch produzieren.
Prinzip: Vermehrung von Stammzellen
Bluu Biosciences ist das erste Unternehmen in Europa, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von zellbasiertem Fisch spezialisiert hat. "Wir isolieren Fischzellen aus einer kleinen Biopsie. Dafür muss der Fisch, den wir benutzen, noch nicht mal sterben", erklärt Sebastian Rakers, Co-Gründer des Unternehmens. "Wir entnehmen ein kleines Stückchen Muskel und können daraus sogenannte Stammzellen isolieren." Stammzellen übernehmen zum Beispiel Reparaturen im Organismus und produzieren immer wieder neue Zellen. Bluu Biosciences regt die Stammzellen in einem Bioreaktor zum Wachsen an. Auf diese Weise entsteht gewissermaßen ein Stückchen Fischfilet. Versuche mit dem Fleisch von Lachs, Forelle oder Karpfen haben in Lübeck schon funktioniert.
Nahrungsmittelproduktion soll nachhaltiger werden
Sebastian Rakers erklärtes Ziel ist es, die heutige Nahrungsmittelproduktion zu verändern: "Wir wollen viel mehr Nachhaltigkeit reinbringen und in Kreisläufen produzieren. Da sehen wir in unserer Technologie einen eindeutigen Vorteil. Wir müssen keine Tiere mehr töten, um Lebensmittel herzustellen, und wir haben keine direkten Umweltbelastungen mehr." Bis spätestens Ende nächsten Jahres wollen die Lübecker Forscher einen Lebensmittel-Prototyp erstellen. Die ersten Fischstäbchen aus dem Labor könnten 2025 auf den Markt kommen.
Ernährung der Weltbevölkerung braucht neue Strategien
Einen geschmacklichen Unterschied zu echtem Fisch erwartet Sebastian Rakers nicht. Schließlich handelt es sich bei dem im Labor gezüchteten Fisch weiterhin um ein tierisches Produkt. Ein Produkt, das allerdings ohne Gefährdung des Tierwohls gewonnen wird. Für Sebastian Rakers ist das zukunftsweisend: "Wir sehen das als wichtige Alternative zur Fischerei. Heutzutage sind 60 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände maximal befischt. Ein höherer Ertrag ist hier nicht möglich - und 30 Prozent sind schon überfischt. Das heißt, mit wachsender Weltbevölkerung müssen wir uns Gedanken machen, wie wir künftig diese vielen Menschen auf der Erde ernähren wollen."
Vegane Ernährung gilt als besonders klimafreundlich
Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen steigt weltweit die Nachfrage nach Fisch. Damit wächst auch das Problem der Überfischung der Meere. Das Lübecker Start-up um Sebastian Rackers könnte einen Beitrag leisten, das Problem zu begrenzen: "Alleine werden wir das auch nicht lösen können, dafür sind die Herausforderungen zu komplex. Ich denke, dem muss an vielen Stellen entgegen gewirkt werden. Unser Beitrag ist sicherlich ein wichtiger Schritt dahin, aber wird alleine das Problem nicht in den Griff kriegen." Für eine klimafreundlichere Ernährung sind anstelle von Fisch aus dem Labor zum Beispiel vegane Fischersatzprodukte aus Tofu oder Seitan eine Alternative. Eine pflanzenbasierte oder vegane Ernährungsweise ist aber laut einer Studie der gemeinnützigen Klima-Beratungsgesellschaft CO2 online tatsächlich mit Abstand am besten für das Klima. Vegane Ernährung vermeidet pro Kopf und Jahr 1010 Kilogramm CO2, so die Studie.