Im Einsatz fürs Handwerk in SH: Instagram-Tischlerin auf Tour
Mitten auf dem Schulhof des RBZ am Schützenpark in Kiel steht ein ausgebauter Camper mit einem Anhänger voller Maschinen und Geräte. Damit reist Tischlerin Julia Spielvogel ein Jahr durch Deutschland und gibt Handwerkslehrgänge an Schulen.
Nach und nach trauen sich immer mehr Schülerinnen und Schüler an das bunte Fahrzeug heran, wollen wissen, was es damit auf sich hat. Julia Spielvogel drückt ihnen prompt Kisten, Werkzeugkoffer und einen großen, rechteckigen Kasten in die Hände. "Darin befindet sich ein Laser", so die Tischlerin. Die acht Jugendlichen sollen heute mit einfachen Materialien und verschiedenen Geräten eigene Bienenhotels bauen - und so ein bisschen mehr übers Handwerken lernen.
"Digitale Walz" fürs Handwerk
Julia Spielvogel erklärt routiniert, was nun zu tun ist. Fräsen, Bohren, Lasern: Bei der Tischlerin sitzt jeder Handgriff, kein Wunder, diese Anleitung hat sie im vergangen Jahr schon an fast 50 Schulen zum Besten gegeben. Ursprünglich studierte die Bayerin Kunstgeschichte und -pädagogik, entschied sich nach ihrem Abschluss jedoch für eine Ausbildung zur Tischlerin. Nach ihrer Gesellenprüfung war klar: Eine klassische Walz möchte sie zwar nicht machen, dafür aber eine "moderne Alternative". Auf Instagram teilt die 28-Jährige ihre Erfahrungen und Eindrücke von der Reise, ist so zu einer Art Botschafterin geworden. Ihr Anliegen: Nur weil man Abitur macht, muss man anschließend nicht studieren - auch eine Ausbildung könnte die richtige Wahl sein.
Mit moderner Technik gegen Klischees
Die Workshops an den Schulen gibt sie ehrenamtlich, das Material und die Maschinen werden von Sponsoren gestellt. Ihren Lebensunterhalt bestreitet die 28-Jährige während ihrer Reise unter anderem mit Video-Beiträgen für Fachzeitischriften oder Werkzeughersteller.
In der Werkhalle des RBZ ist es inzwischen lauter geworden, es wird gefräst, diskutiert und gefachsimpelt. Der 16-jährige Kelvin ist gerade am Laser beschäftigt und sichtlich angetan. Vorab konnte er ein Motiv seiner Wahl auf ein Blatt Papier malen und einscannen - jetzt wird die Zeichnung in eine kleine, hölzerne Scheibe eingebrannt. "So etwas habe ich noch nie gesehen", staunt der 16-Jährige.
Die modernen Geräte werden eigentlich nur von Profis bedient. Spielvogel hat sie aber ganz bewusst für diesen Workshop mitgebracht. Denn viele Kinder und Jugendlichen hätten noch immer ein veraltetes Bild von Handwerksberufen.
"Da denken sie oft an den "Meister Eder", Staublungen und kaputte Rücken." Tischlerin Julia Spielvogel
Tatsächlich habe das aber nur noch wenig mit dem heutigen Berufsbild eines Tischlers zu tun. Moderne Technik, wie zum Beispiel computergestützte Fräsen, erleichtern und beschleunigen heute vielerorts die Arbeit.
Forderung nach mehr Engagement an Schulen
Mit ihrer Tour möchte Spielvogel aber nicht nur Kinder und Jugendliche erreichen. Ihr geht es auch darum, andere Gewerke für die Nachwuchsgewinnung zu sensibilisieren.
"Es bringt nichts, nur Flyer zu verteilen. Handwerk muss erlebt werden - und das geht am besten, wenn man an den Schulen zeigt, wie es geht." Tischlerin Julia Spielvogel
Nach knapp 60 Wochen Rundreise endet ihre Tour in diesen Tagen auf Sylt. Die Tischlerin freut sich darauf, bald wieder mehr Platz zu haben, als in ihrem Camper. Dennoch bleibt, wie sie sagt, ein lachendes und ein weinendes Auge. Was danach folgt? "Das lasse ich noch auf mich zukommen", erklärt die Tischlerin. Klar ist aber: Sie möchte sich weiterhin für mehr junge Menschen im Handwerk einsetzen.