Rettungspersonal kümmert sich während einer Übung um eine verletzte Person © NDR Foto: Christiane Stauss
Rettungspersonal kümmert sich während einer Übung um eine verletzte Person © NDR Foto: Christiane Stauss
Rettungspersonal kümmert sich während einer Übung um eine verletzte Person © NDR Foto: Christiane Stauss
AUDIO: Großübung der Einsatzkräfte am Lübecker Campus (1 Min)

Großübung zur Menschenrettung auf Lübecker Campus

Stand: 06.07.2024 16:38 Uhr

Lebensbedrohliche Einsatzlagen wie Amokläufe sind eine extreme Herausforderung für alle Helfer vor Ort. Worauf es in solchen Bedrohungslagen ankommt, wurde jetzt eindrücklich geübt

von Christiane Stauss

Schüsse. Schreiende Menschen. Eine Explosion, überall Rauch. Schlechte Sicht und kein Überblick darüber, wie viele Menschen sich wo in dem Gebäude befinden. Ein Horrorszenario! Und: in diesem Fall nur eine Übung auf dem Campus der Universität zu Lübeck. Studenten der Uni, Feuerwehr, Polizei, Rettungdienste, Mitarbeiter der psychosozialen Notfallversorgung und andere Beteiligte spielen hier gemeinsam drei Szenarien durch. "Lebensbedrohliche Einsatzlagen“, kurz LEBE nennen sie das.

Während einer Rettungsübung werden "verletzte" Statisten versorgt © NDR Foto: Christiane Strauss
50 von den 200 Beteiligten wurden zu teils schwerverletzten Opfern geschminkt. Sie liegen verteilt in den Fluren, dem Treppenhaus oder dem Hörsaal.

"Wir üben hier eine Amoksituation", erklärt Dr. Holger Maurer, Leiter der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin und ein Verantwortlicher der Übung. Die erdachte Situation: "Ein Täter hat am Eingang der Hörsäle eine Bombe gezündet. Dadurch haben wir hier eine Verschüttungssituation. Der Täter geht weiter, legt in einem Hörsaal Feuer; im zweiten Hörsaal verletzt er mit Messer und Schusswaffe Menschen. Danach suizidiert er sich."

Extreme Einsatzlagen sind nicht verhinderbar

Knapp 200 Beteiligte sind in Lübeck dabei, 50 spielen die zum Teil schwerverletzten Studenten. Sie liegen, ziemlich lebensecht geschminkt, mit Stich- oder Schusswunden in den Fluren, im Treppenhaus oder dem Hörsaal. Einer von ihnen ist Benjamin Schmid. Der 20-jährige Medizinstudent ist zum ersten Mal bei so einer Ernstfall-Erprobung dabei. Er simuliert, dass er ein Schädelhirntrauma und zwei Schusswunden im linken Brustbereich hat. "Ich bin jetzt im vierten Semester und könnte mir schon vorstellen, später in die Notfall- und Krisenmedizin zu gehen. Darum ist es für mich auch wichtig, hier mitzumachen. Wir können vermutlich nicht verhindern, dass solche Extremsituationen wie ein Amoklauf passieren. Aber wir können noch besser ausgebildet und vorbereitet sein", meint er.

Prioritätensetzung ist wichtig

Dr. Holger Maurer erklärt, dass man damit rechne, dass ungefähr alle zehn Jahre so ein Großunfall passieren könne. Ein größerer Verkehrsunfall oder auch ein Busunglück könne das sein. "Darum müssen solche Fälle in der Praxis geübt werden."

Die sogenannte Sichtung sei bei dieser Übung mit Massenverletzten besonders wichtig: Sondieren und erkennen, welche Patienten als erstes direkt versorgt werden müssen und welche Verwundeten vielleicht noch "warten können". Hierbei wird in die Kategorien weiß, leicht grün, grün, gelb und rot unterschieden. "Rot sind die lebensbedrohlich Verletzten. Sie müssen vor Ort direkt versorgt werden. Das kann auch erstmal weniger detailliert sein. Hauptsache, sie überleben und können ins Krankenhaus gebracht werden."

"Wir müssen mutig sein"

Rettungspersonal bei einer Übung © NDR Foto: Christiane Stauss
Bei der Großübung werden Arbeitsabläufe für den Ernstfall geprobt.

Benjamin gehört mit seiner gespielten Verletzung zur Kategorie rot. Er denkt, dass er als Arzt in solchen realen Extremsituationen irgendwie besonders ticken müsse. "Man braucht eine gewisse Form der Akzeptanz, dass schlimme Dinge passieren können. Wir Ärzte müssen dann funktionieren und, finde ich, auch mutig sein". Etwa bei einem Amoklauf wisse man anfangs selten, wie viele Täter vor Ort seien, ob noch ein weiterer Täter mit Anschlagsmotivation dort ist und wie viele Verwundete es gebe. "Das sind absolute Stresssituationen, die hier bei der Großübung auch sehr gut simuliert werden können. Hier können wir Studenten den Rettungskräften abgucken: Wie reagieren die? Wie handeln die genau?."

Vorbereiten, so optimal es geht

Und das Abgucken und Lernen geht wirklich gut. Denn die Atmosphäre wirkt echt, bedrohlich und angsteinflössend. Ziemlich nah an der Realität. "Diese interprofessionelle Übung findet in diesem Jahr schon zum zweiten Mal statt. Allerdings das erste Mal auf dem Campusgelände", sagt Dr. Maurer. Was sich alle hier erhoffen? In erster Linie Praxiserfahrung und bestmögliche Vorbereitung. Auch wenn das gar nicht zu Hunderprozent möglich sein kann. "Je komplexer und unübersichtlicher die Situation ist, desto weniger kann man sich eben vorbeiten", sagt er. Im Nachklapp wird die Übung von der Universität zu Lübeck wissenschaftlich ausgewertet. Um möglicherweise daraus zu lernen und die Hilfe im realen Fall zu verbessern.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.07.2024 | 19:30 Uhr

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