Gedenkstätte für deportierte Sinti und Roma aus Flensburg
Sinti und Roma lebten in einem Barackenlager in Flensburgs Südstadt zwangsweise von 1935 bis 1940. Mindestens 22 starben infolge der Deportation. Das Lager war lange in Vergessenheit geraten.
Fotos gibt es keine mehr von dem Barackenlager am Steinfelder Weg. Die Häuser hatten die Nummern 41 und 43. Doch wo sie genau standen, können auch die Historiker nicht sagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in diesem Umfeld die Waldorfschule gebaut. Die ehemalige Schülerin Constanze Hafner fühlte sich verantwortlich, hier Erinnerungsarbeit zu leisten. Das Ergebnis ist nun eine Stele, die die Namen der deportierten Sinti und Roma trägt.
Drei Großfamilien in der Norderstraße
Lange Zeit gab es kaum öffentliches Interesse, das Schicksal der Sinti und Roma aufzuarbeiten, wie Sebastian Lotto-Kusche von der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte der Europa-Universität Flensburg feststellt. Drei Großfamilien von Sinti und Roma lebten in den 1920er-Jahren in ärmlichen Verhältnissen in der Norderstraße 104. Hier findet sich bereits eine Gedenktafel. Der Historiker hat seine Forschungsergebnisse in den Grenzfriedensheften und beim Beirat für Geschichte zusammengefasst.
Zwangsumsiedlung in die Baracken am Stadtrand
Der Historiker betont: "Es waren die Kommunen selbst, die eigenständig in der NS-Zeit 'Zigeunerlager' einrichteten, meist mit Polizeibewachung." In Flensburg mussten rund 50 Menschen 1935 in die einfachen Baracken am südlichen Flensburger Stadtrand umziehen. Viele Dokumente dazu wurden vernichtet. Es existieren nur noch Grundrisse. Am 16. Mai 1940 ließ das Naziregime dann Sinti und Roma aus ganz Nord- und Westdeutschland ins besetzte Polen deportieren. Einige wurden dort nach Zwangsarbeit noch während des Krieges sich selbst überlassen, durften aber nicht zurückkehren.
Das Schicksal von Selma Laubinger
80 Jahre nach den Ereignissen ist es für Sebastian Lotto-Kusche ein Puzzlespiel, die Wege und Schicksale der Opfer zu rekonstruieren. Ausgangspunkt sind Adressbücher der Stadt, um überhaupt an die Namen zu kommen. Wichtige Quellen sind die Anträge auf Entschädigungen, die Überlebende nach dem Krieg stellten. Eine von ihnen ist Selma Laubinger. Um einen Eindruck von der Forschungsarbeit zu bekommen, erhalten die Schüler Dutzende Seiten von Kopien aus den Archiven.
Im jüngsten Dokument von 1981 bezeichnet sie sich als einzige "Zigeunerin", die es noch in Flensburg gebe. Deutlich wird aus Abrechnungen, dass sie Entschädigungsgelder sofort in Windeln oder Kleidung investierte und offenbar in Armut lebte. Lotto-Kusche berichtet, wie die Verantwortlichen in Flensburg zum Teil im Amt blieben und volle Pensionen erhielten.
Eindrücke vom KZ
Die Jugendlichen lernen an diesem Tag auch den polnischen Filmemacher Kamil Majchrzak kennen. Er zeigt einen Film, bei dem er polnische, rumänische und deutsche Jugendliche beim Besuch des KZ Buchenwald begleitet und berichtet, wie er selbst während seines Jura-Studiums in Frankfurt/Oder von Neonazis zusammengeschlagen wurde, nur weil er ein Ausländer war. Vertreter der Sinti- und Roma-Verbände stehen in den anderen Workshops Rede und Antwort. 83 Jahre nach der Deportation hat das Gedenken begonnen.