Fernwärme: staatlich garantierte Abzocke?
Fernwärme ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Die Idee: In Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen oder Großbetrieben entsteht quasi als Nebenprodukt Wärme, die dann genutzt wird, um umliegende Häuser mit Warmwasser und Heizungswärme zu versorgen. Und so sind in ganz Deutschland Fernwärmesysteme entstanden, die inzwischen rund 14 Prozent aller Wohnungen über Rohre mit Wärme, meist in Form heißen Wassers, versorgen. Eigentlich eine gute Idee. Eigentlich.
Fernwärme-Zwang in Osterrönfeld
Beispiel: Osterrönfeld in Schleswig-Holstein. Hier entstanden im vergangenen Jahrzehnt viele Neubaugebiete, eines davon Aspel-Nord. Die Gemeinde verpflichtete die neuen Hauseigentümer ihre Häuser mit Fernwärme zu heizen. Es gab nur einen einzigen Versorger, mit dem die Anwohner einen Vertrag abschließen konnten: E.ON Hanse Wärme (früher nur E.ON Hanse AG).
Eine von ihnen war Annika Mohr. Von Fernwärme hatte Sie damals keine Ahnung: "Ich dachte mir: gut, das wird schon alles seine Richtigkeit haben." Doch dann kamen die ersten Abrechnungen. Im Jahr 2009 stieg der Preis deutlich. "Es gab eine Preissteigerung von 30 Prozent, da fühlte ich mich dann langsam etwas hilflos und bekam es mit der Angst zu tun. Man kann sich vorstellen, wenn jedes Jahr 30 Prozent drauf kommen, das kann man irgendwann nicht mehr bezahlen." Sie beginnt sich in den umliegenden Gemeinden umzuhören und stellt fest, dass es in Osterrönfeld gleich mehrere Fernwärmenetze gibt - alle betrieben von E.ON Hanse Wärme, alle mit demselben Brennstoff: Erdgas. Doch erstaunlicherweise zahlen die Fernwärmekunden der benachbarten Netze viel weniger. Beim Vergleich der Verträge stellte sich heraus, dass Annika beinahe das Doppelte für ihre Wärme zahlen muss. "Da wurde ich dann wütend. Das kann doch nicht angehen, dass ich das Doppelte für dieselbe Leistung bezahle."
Mächtige Gegner
Gemeinsam mit einigen Mitstreitern beginnt Annika Mohr sich zu wehren. Ihr Gegner ist mächtig. "E.ON hat uns eigentlich mehr oder weniger belächelt und auf Verträge hingewiesen, dass alles rechtens sei, wir müssten das alles so hinnehmen", so Martin Horz, einer der sich ebenfalls gegen die Verträge zur Wehr setzt. Der Jurist Thomas Mädge findet heraus, dass in seinem Baugebiet der Fernwärmepreis an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt ist. Und das, obwohl doch nur Erdgas verbrannt wird. Im benachbarten Fernwärmenetz hingegen besteht eine Bindung an den Gaspreis. Weil Öl- und Gaspreise sich in den vergangenen Jahren stark auseinanderentwickelt haben, liegen die Preise in Aspel-Nord somit viel höher als in den Nachbargemeinden. Doch E.ON Hanse Wärme rechtfertigt den Preisunterschied. Deren Lieferverträge seien teilweise ebenfalls an die Preisentwicklung für Heizöl gekoppelt: "Diese Kopplung der Gaspreise an die Heizölpreise wurde teilweise in der Vergangenheit auch auf die Fernwärmeerzeugung übertragen, wenn diese gasbasiert war."
Sollte diese Behauptung nicht stimmen, hätte E.ON Wärme in den vergangenen Jahren möglicherweise glänzende Geschäfte gemacht: Während der Endverbraucherpreis für Erdgas laut Bundeswirtschaftsministerium in den letzten zehn Jahren nämlich eher konstant geblieben ist, hat sich der Preis für leichtes Heizöl hingegen mehr als verdoppelt. Das bedeutet, sollte E.ON Hanse das Gas billig eingekauft und die damit produzierte Fernwärme zum teureren Heizölpreis verkauft haben, dann wäre damit eine erstaunliche Marge zu erzielen gewesen.
Den Versorger zu wechseln ist unmöglich
Thomas Mädge versteht bis heute nicht, warum gerade in seinem Baugebiet eine Ölpreisbindung existiert. Von E.ON Wärme bekommt er dazu auch keine Antwort. So zieht er 2013 sogar vor Gericht - und bekommt Recht. Im November verurteilt das Amtsgericht Rendsburg E.ON Hanse Wärme dazu, der Familie einen Teil der Fernwärmegebühren zurück zu erstatten. Der Grund: Der Fernwärmepreis darf nicht an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt werden, wenn ausschließlich Erdgas als Brennstoff eingesetzt wird. So hatte 2011 bereits der Bundesgerichtshofs - grob vereinfacht - geurteilt (Az. VIII ZR 339/10). Gegen das Urteil ist E.ON Hanse Wärme in Berufung gegangen. Der Grund: das Gericht habe "nicht berücksichtigt, dass die E.ON Hanse Wärme (...) nur ihre eigenen Bezugskosten weitergegeben hat." Gleichzeitig teilt der Konzern aber mit, dass mittlerweile die eigenen Beschaffungsverträge mit Heizölklausel ausgelaufen seien. E.ON Hanse Wärme könne nun "diese geänderten Bedingungen an ihre Fernwärmekunden weitergeben." Die Verträge sollten auf "einen für die Kunden gut nachvollziehbaren Erdgaspreisindex" umgestellt werden.
Thomas Mädge und die anderen Mitstreiter halten die aktuellen Angebote von E.ON Hanse Wärme allerdings für überzogen. Sie hoffen darauf, E.ON Hanse Wärme irgendwann in die Knie zu zwingen. Mehr bleibt ihnen nicht. Den Versorger zu wechseln ist unmöglich.