Stand: 12.02.2014 18:22 Uhr

Fernwärme: staatlich garantierte Abzocke?

von Nils Naber & Johannes Edelhoff

Sie kommt lautlos ins Haus und macht die Wohnung wohlig warm: Fernwärme. Etwa 14 Prozent aller Wohnungen werden laut Bundeskartellamt von kleinen oder großen Kraftwerken über Rohre mit Wärme - meistens mit heißem Wasser - versorgt. Es gibt kleine Netze von wenigen Kilometern und große, deren Rohrleitungen mehr als 100 Kilometer Länge betragen. Doch alle verbindet eines: in aller Regel ist der lokale Fernwärmeanbieter Monopolist. Das bedeutet, er muss keinen Wettbewerber fürchten, der ihm durch niedrigere Preise die Kunden abjagen könnte.

VIDEO: Fernwärme: staatlich garantierte Abzocke? (8 Min)

Kommunen schreiben Fernwärme vor

Vielmehr ist es so, dass ein Haus, das einmal an die Fernwärme angeschlossen wurde, schwerlich wieder davon weg kommt. Oft verfügen diese Gebäude nicht mal über einen Kamin oder einen Raum, in dem sich beispielsweise eine Gas- oder Ölheizung unterbringen ließe. In manchen Gegenden Deutschlands gehen Kommunen sogar soweit, dass sie privaten Hauseigentümern den Anschluss an das Fernwärmenetz per Grundbucheintrag verordnen, über den sogenannten Anschluss- und Benutzungszwang. Das Heizen mit Öl- oder Gasheizung ist damit tabu.

"Gefangene Kunden"

Sinn des Ganzen sollte eigentlich sein, die oftmals ökologisch sinnvollen Fernwärmesysteme besser auszulasten, weil viele davon profitieren. Doch die gut gemeinte Idee hat eben einen Pferdefuß, den der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, knapp zusammenfasst: "Das Hauptproblem auf diesem Markt ist aus meiner Sicht, dass die Kunden ihren Versorger nicht wechseln können. Wir sprechen dann kartellrechtlich von sogenannten 'gefangenen Kunden.' Es gibt ja niemanden, zu dem der Kunde ausweichen kann. Er ist im Grunde gezwungen, den Preis zu akzeptieren."

Manche zahlen doppelt so viel wie andere

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts. © ARD / NDR
Kritisiert überhöhte Fernwärme-Preise: Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts.

In einer Sektoruntersuchung hat das Bundeskartellamt den Fernwärmemarkt erstmals  durchleuchtet. Dabei stellten die Kartellwächter fest, dass die Fernwärmepreise nicht generell zu hoch sind. Allerdings kam bei der Studie heraus, "dass wir Preisunterschiede von bis zu 100 Prozent zwischen verschiedenen Versorgern haben. Das ist ein erheblicher Preisunterschied", so Andreas Mundt. Besonders interessant ist, dass die Preise tendenziell eher in den Gebieten "über dem Durchschnitt liegen", in denen Anschluss- und Benutzungszwang herrscht.

Ist jedes Fernwärme-System ein "Unkikat"?

Eigentlich absurd, denn "gerade in den Gebieten, in denen ein Anschluss- und Benutzungszwang von der Kommune festgesetzt wurde, würde man eigentlich denken: Wir haben einen sehr hohen Anschlussgrad an die Fernwärme, deswegen müssten die Kosten eigentlich niedrig sein", resümiert Christian Maaß, Energieexperte vom Hamburg Institut. Doch offenbar können einige Versorger nicht der Versuchung widerstehen ihre Monopolposition auszunutzen. Der Verband der Fernwärmeanbieter, AGFW, verweist darauf, dass Fernwärmenetze überhaupt nicht zu vergleichen wären. Die Systeme seien vielmehr alles "Unikate".

Bundeskartellamt geht gegen überhöhte Preise vor

Jetzt geht das Bundeskartellamt gezielt gegen sieben Anbieter vor, die offenbar überhöhte Preise für die Fernwärme genommen haben. Eine Kontrolle aller Fernwärmepreise wäre für das Kartellamt praktisch unmöglich. Dort hofft man, dass die genannten Missbrauchsverfahren eine Signalwirkung für die Branche haben und andere Anbieter ihre Preispolitik überprüfen. Doch generell gilt nach wie vor: "Eine richtig strukturelle Kontrolle der Fernwärmepreise haben wir in Deutschland tatsächlich bisher nicht", so Christian Maaß. Die Fernwärmekunden stehen deshalb oftmals alleine da, wenn Sie für die Fernwärme hohe Summen bezahlen sollen.

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Fernwärme: staatlich garantierte Abzocke?

Der Panorama-Beitrag vom 13. Februar 2014 als PDF-Dokument zum Download. Download (84 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 13.02.2014 | 21:45 Uhr

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