Experte zu Krankenhäusern: Vor Ort-Versorgung und Zentralisierung kombinieren
Zahlreiche Kliniken in SH fahren in diesem Jahr Defizite in Millionenhöhe ein, zudem macht ihnen die immer angespanntere Personalsituation deutlich zu schaffen. Welche Perspektiven hat die Krankenhauslandschaft? Zur Zukunft der Krankenhauslandschaft hat NDR Schleswig-Holstein mit dem Krankenhausexperten Professor Heinz Lohmann gesprochen. Der Diplom-Soziologe und Experte für Gesundheitswirtschaft war unter anderem Vorstandssprecher des Krankenhausunternehmens LBK Hamburg (heute Asklepios Kliniken Hamburg) und ist derzeit Präsident des Gesundheitswirtschaftskongresses in Hamburg.
Herr Lohmann, vor welchen Herausforderungen stehen die Kliniken in Flächenländern wie Schleswig-Holstein aus Ihrer Sicht aktuell?
Heinz Lohmann: Das größte Problem, was wir sicherlich haben, ist, dass wir nicht ausreichend Fachpersonal haben, um all die Einrichtungen, die wir haben, so auszustatten, dass dort vernünftige Medizin gemacht werden kann. Und das Problem wird nicht kleiner werden. Dann sind da die ökonomischen Themen, die eine immer größere Bedeutung haben. Krankenhäuser melden, dass sie Zahlungsschwierigkeiten haben. Das gilt für Schleswig-Holstein, aber das gilt auch für viele andere Krankenhäuser in Deutschland. Das wird in den kommenden Jahren noch viel stärker der Fall werden. Und die Medizin wird immer ambulanter. Was die Menschen ja auch wollen. Niemand möchte gerne, wenn nicht notwendig, im Krankenhaus behandelt werden. Selbst komplexe Medizin funktioniert ambulant immer besser. Das ist erst mal positiv, für Kliniken aber natürlich eine Herausforderung.
Sind wir beim Thema Fachkräftemangel in Krankenhäusern irgendwo falsch abgebogen?
Lohmann: Wir haben in Deutschland gar nicht so wenig Pflegekräfte. Pro Kopf gerechnet liegen wir in der Spitzengruppe in Europa. Pro Patient im Krankenhaus allerdings haben wir sehr wenige Pflegekräfte, da liegen wir im europäischen Vergleich ganz unten. Wir haben sehr viel mehr Menschen, die stationär behandelt werden als in anderen Ländern. Das ist eine Entwicklung, die man durchaus kritisch sehen kann, der aber auch nicht einfach nur zugesehen wurde. Es reichte, das sieht man jetzt ganz offenkundig, aber nicht aus.
Wie sieht dann also moderne Versorgung in Schleswig-Holstein in Zukunft aus?
Lohmann: Sie wird in jedem Fall sehr viel ambulanter sein. Kann sie auch sein, weil mehr ambulant behandelt werden kann.
Was heißt das für die Krankenhauslandschaft 2.0 in Schleswig-Holstein - optimalerweise?
Lohmann: Es wird so sein, dass wir ein leistungsfähiges, wirklich leistungsfähiges Universitätsklinikum in Schleswig-Holstein mit den Standorten Kiel und Lübeck haben. Darunter wird es größere Krankenhauseinheiten an verschiedenen Stellen in Schleswig-Holstein geben. Ich will mal sagen, in Flensburg zum Beispiel und Neumünster und an verschiedenen anderen Orten. Und darunter muss es in der Fläche Angebote geben, die weiter durchaus Krankenhäuser heißen können, im Wesentlichen aber ambulante Versorgung anbieten und Flächen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Sozialangebote vorhalten.
Also im Endeffekt wäre es eine Kombination aus vor Ort-Versorgung und Zentralisierung?
Lohmann: Genau, das ist die Zukunft. Wir können das auch. Wir können Vernetzung viel besser herbeiführen als in der Vergangenheit. Wir können Möglichkeiten der Diagnostik in die Fläche bringen. Die Auswertung kann über künstliche Intelligenz oder beispielsweise in den großen Einheiten, wie eben dem UKSH, stattfinden. Das alles ist möglich. Das muss aber organisiert werden. Und dazu ist es notwendig, die heute bestehenden Einrichtungen weiterzuentwickeln, sie zu modernisieren und damit für die Bürger in Zukunft ein vernünftiges Angebot zu gestalten. Am Status quo festzuhalten nützt nichts.
Und der Effekt wäre, dass wir weniger Personal binden würden und das ganze weniger Geld kosten würde?
Lohmann: Ich will das mal mit dem Geld hinten anstellen. Ich will erst mal sagen, dass wir eine sehr gute Medizin gestalten können und das ist ja das eigentliche Ziel. Und wir können eine gute soziale Betreuung gestalten, wenn wir diese modernen technologischen Möglichkeiten nutzen. Wenn wir sie nicht nutzen, werden wir das Problem haben, dass wir an vielen Stellen die Angebote gar nicht aufrechterhalten können. Das ist ja heute schon so, dass es ganz schwer fällt, Geburtshilfe anzubieten oder kindermedizinische Abteilungen in der Fläche zu erhalten. Und wir erreichen, dass wir die Menschen, die wir zum Beispiel auf Intensivstationen brauchen, dann auch an den Orten haben, wo Intensivstationen vorgehalten werden müssen: Da wo Operationen verstärkt durchgeführt werden, wo geforscht wird, wo modernste und komplexe Medizin entwickelt wird. Das Gleiche gilt auch für andere medizinische Pflege- und Fachkräfte.
Und dabei geben wir dann am Ende weniger Geld aus?
Lohmann: Ich persönlich glaube ja. Zumindest haben wir die Chance nicht andauernd immer mehr Geld auszugeben und wir können ökonomische Mittel sinnvoll einsetzen. Wir müssen ja bedenken: Das Ganze soll ja auch noch finanziert werden können und zwar über die solidarische Finanzierung der Krankenversicherungen. Es soll ja nicht so sein, dass sich gute Medizin in Zukunft nur noch die leisten können, die es selber finanzieren können.
Das Interview führte Hannah Böhme.