Erste Wärmepläne in SH fertig, aber keine Klarheit für die Bürger
Bis zum Jahresende legen rund 30 Städte und Gemeinden in Schleswig-Holstein ihre Wärmepläne vor. Sie untersuchten, wo neue Wärmenetze entstehen könnten. Ob diese tatsächlich gebaut werden, ist aber unklar.
In Niebüll (Kreis Nordfriesland) haben die beauftragten Ingenieure den Wärmeplan bereits vorgestellt. Er bietet kaum Überraschungen, liest sich allenfalls ernüchternd, da wohl nur der zentrale Teil der Stadt mit der Wärmeenergie per Rohr versorgt werden kann. Rund um das Rathaus besteht bereits ein Wärmenetz. Für einige Straßen im direkten Umfeld und im Industriegebiet gibt es gute Ausbauchancen. Nur wenige Hundert Meter entfernt heißt es aber bereits "Netzvariante ambitioniert". Der gesamte Stadtrand mit vielen neueren Siedlungen bleibt auf der Karte weiß. Wer hier wohnt, muss bei einem Heizungstausch eine andere Lösung finden.
Schleswig-Holstein ist schneller
Deutschlandweit müssen sämtliche Kommunen je nach Größe bis 2026 oder 2028 einen Wärmeplan erstellen. Kleine Orte können ein vereinfachtes Verfahren nutzen. Noch bevor der Bund diese Vorgabe infolge der Debatte um das Heizungsgesetz machte, hatte Schleswig-Holstein allerdings schon eine ähnliche Regelung aufgesetzt. So kommt es, dass hier etwa 30 Städte bereits zum Jahresende ihre Wärmepläne liefern. Die mittelgroßen Orte kommen bis 2027 dran.
Erst der Wärmeplan, dann die Suche nach einem Betreiber
Die Ingenieure untersuchten nun, welcher Heizbedarf in welchen Straßen zu erwarten ist und wie die Gebäude angeordnet sind. Bei älteren Häusern, die eng beisammen stehen, lohnt sich der Anschluss an ein Wärmenetz am ehesten. Ob es aber tatsächlich installiert wird, verraten die Wärmepläne nicht. Denn erst anschließend beginnt die Suche nach einem Betreiber.
Ein Jahr bis zur Entscheidung, drei bis fünf Jahre bis zum Ausbau
In Niebüll haben die Stadtwerke Nordfriesland noch nicht entschieden, ob sie das unternehmerische Risiko eingehen. Geschäftsführer Heinz-Gerhard Gülck lässt jetzt durchrechnen, was Tiefbau und Erweiterung des Kraftwerksparks kosten. Ein wichtiger Faktor ist auch die Förderung durch den Bund: "Ich gehe davon aus, dass sie Bestand haben wird. Die Planung wird ungefähr ein Jahr dauern und dann die Ausführung sicherlich noch drei bis fünf Jahre."
Je mehr mitmachen, desto höher die Chancen
Wo ausgebaut werden soll, müssten sich zudem mindestens etwa 60 Prozent der Haushalte anschließen lassen, damit es sich rechnet, meint Gülck. Im benachbarten Risum-Lindholm (Kreis Nordfriesland) sei das Interesse zunächst verhalten gewesen, berichten Bewohner und auch Projektplaner Marc Reinstein. Dabei seien dort die Rahmenbedingungen mit vier Biogasanlagen im Umfeld gut.
Ist Fernwärme konkurrenzfähig?
Wer sich anschließen lässt, legt sich für viele Jahre fest. Fernwärmekunden können ihren Anbieter nicht wechseln. Während die Preise für Öl, Gas und Strom seit der Energiekrise wieder deutlich gefallen sind, kostet die Kilowattstunde für viele Fernwärmekunden mit bis zu 27 Cent pro Kilowattstunde in diesem Jahr noch ein Vielfaches des Gewohnten. Marc Reinstein glaubt, dass Fernwärme in Zukunft trotzdem konkurrenzfähig sein dürfte. Er verweist auf die höheren Anschaffungskosten etwa für eine Wärmepumpe. In Niebüll liegt der aktuelle Arbeitspreis mit rund sieben Cent pro Kilowattstunde Fernwärme ausgesprochen niedrig. Hinzu kommt aber ein Grundpreis von mehr als 500 Euro pro Jahr.
Neue Gas- und Ölheizungen ab 2028 weitgehend verboten
Die neuen Regeln zum Heizungstausch gelten in Großstädten vom 1.Juli 2026 an. In Schleswig-Holstein betrifft das Kiel und Lübeck. Überall sonst liegt der Stichtag Mitte 2028. Von da an verlangt das Gebäudeenergiegesetz für neue Anlagen 65 Prozent erneuerbare Energie. Wenn Gemeinden schon früher mit ihren Wärmeplänen fertig sind, hat das keinen Einfluss auf die Stichtage. Nur, wenn der Wärmenetzausbau konkret beschlossen ist, greifen die Regeln in den betroffenen Straßenzügen früher, ebenso in Neubaugebieten.
Welche Lösungen für neue Heizungen erlaubt sind, erläutert ein Schaubild des Umweltbundesamtes. Es beinhaltet viele Sonderfälle. Auch nach den Stichtagen können Gasheizungen im Einzelfall noch eingebaut werden. Sie müssen aber nach einigen Jahren getauscht werden.
Wärmepumpe als Alternative
Als gängigste Lösung für die Zeit nach dem Stichtag gelten Wärmepumpen. Bei den Verbrauchskosten sind sie momentan mit etwa sieben bis acht Cent pro Kilowattstunde Wärmeenergie an den meisten Orten deutlich günstiger als Fernwärme. Sie können auch in unsanierten Gebäuden ausreichend Wärme liefern. Neue Modelle erreichen nach Herstellerangaben Temperaturen von bis zu 75°C im Heizkreislauf. Bei starkem Frost sinkt allerdings die Effizienz, so dass an einzelnen Tagen in Häusern ohne Dämmung deutlich höhere Verbrauchskosten entstehen können.
Bedenken bei Pelletheizungen oder Hybrid-Systemen
Ebenfalls in Betracht kommen Holzpellet-Heizungen, bei denen das Umweltbundesamt aber vor steigenden Brennstoffpreisen warnt. Hybride Systeme, die eine Gastherme mit einer Wärmepumpe kombinieren, dürfen nur bis 2045 laufen. Von so genannten H2-Ready Gasthermen, die sich später auf Wasserstoff umrüsten lassen, rät der Bundesverband der Verbraucherzentralen ab. Kosten und Verfügbarkeit von Wasserstoff seien nicht kalkulierbar.
Steigende Kosten für Erdgas - 2045 ist Schluss
Schon jetzt verlangt eine Sonderregelung in Schleswig-Holstein, dass neu eingebaute Heizungen zu 15 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Deutschlandweit gilt diese Vorgabe erst ab 2029. Zulässig ist dabei, beispielsweise für eine Gastherme einen speziellen Ökogas- bzw. Biomethan-Tarif zu buchen, bestätigte das Energiewendeministerium auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. Physisch kommt dabei dasselbe Gasgemisch ins Haus. Bis 2040 erhöht sich der geforderte Anteil auf 60 Prozent, so dass der Gaspreis dadurch weiter steigen könnte. Ab 2045 ist die Nutzung fossiler Energie verboten.
Kommunen stellen Pläne bis Weihnachten vor
Hausbesitzer sollten sich in jedem Fall schon jetzt damit auseinandersetzen, wie sie künftig heizen wollen, rät Projektplaner Marc Reinstein. Denn der Wechsel zur Fernwärme und das Beantragen von Fördergeldern benötigt einige Monate Vorlauf. Viele der 30 Kommunen aus der ersten Gruppe wollen ihre Wärmepläne bis Weihnachten öffentlich vorstellen.