Elterntaxis in Schleswig-Holstein: Schwierige Suche nach Lösungen
Sogenannte Elterntaxis bringen den Verkehr vor Schulen immer wieder zum Erliegen. Für Schüler wird das laut Polizei immer mehr zum Problem. Nicht nur in Norderstedt wird deswegen regelmäßig kontrolliert.
Die vier Polizisten des Norderstedter Reviers (Kreis Segeberg) haben an diesem Morgen ihren Dienst extra eine Stunde früher begonnen, damit sie vor dem Schulzentrum Nord der sogenannten Schulweg-Sicherung nachgehen können. Dazu gehört auch Autofahrerinnen und Autofahrer auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen, die ihre Kinder direkt vor der Schule aus dem Auto aussteigen lassen. Diese sogenannten Elterntaxis sind hier laut Straßenverkehrsordnung nicht erlaubt. Denn, erklärt der stellvertretende Dienststellenleiter und Hauptkommissar Steffen Hartung, vor der Schule gilt ein absolutes Halteverbot.
Elterntaxis verstopfen die Straße
Ab 7.30 Uhr halten im 30-Sekunden-Takt Autos vor der Schule. Kinder steigen aus, holen Schulranzen und sonstige Dinge wie Sportbeutel aus dem Kofferraum, verabschieden sich und gehen dann ihres Weges. Das ganze Prozedere dauert pro Auto eine gute Minute, hält den Verkehr für diese Zeit komplett auf und verstopft die Straße so mehr und mehr. Polizeiobermeister Rico Rütjes beobachtet die Situation, hält immer wieder Autos an und bittet die Fahrerinnen und Fahrer, ihr Fenster zu öffnen: "Es handelt sich hier nicht um eine Parkzone, das heißt, Sie dürfen auch hier nicht halten, um Ihr Kind einfach rauszulassen." Der Fahrer zeigt sich überrascht: "Oh, das wusste ich nicht. Aber dann weiß ich Bescheid. Alles klar." Rütjes bittet den Mann, seinen Sohn morgen eventuell mit dem Fahrrad oder dem Bus zur Schule zu bringen und wünscht ihm zum Abschied einen schönen Tag.
Polizei: Ermahnung löst zum Teil Unverständnis bei Eltern aus
Gut zehn Konversationen dieser Art führt der Polizeiobermeister während der Kontrolle. Komplikationen oder Unverständnis seitens der Autofahrerinnen und -fahrer gibt es an diesem Morgen keine. Das ist aber nicht immer so, sagt der Polizist: "Man stößt da natürlich auch auf Unverständnis, denn die Eltern wollen ihre Kinder einfach schnell zur Schule bringen und dann weiter. Dass sie damit aber den gesamten Verkehr aufhalten, ist ihnen oft egal oder sie wissen es gar nicht."
Elterntaxis sind seit Jahrzehnten ein Problem
Offizielle Zahlen und landesweite Statistiken auch zur Entwicklung von Elterntaxis gibt es laut Landespolizeiamt nicht. Das Phänomen ist nach Angaben eines Sprechers aber landesweit ein Problem. Steffen Hartung vom Polizeirevier Norderstedt sieht in den vergangenen Jahren weder eine Zu- noch eine Abnahme: "Also wir reden tatsächlich schon seit Jahrzehnten mit den Eltern, dass das unterbleiben soll, aber die rutschen ja nach. Es kommen ja immer wieder neue Kinder, neue Eltern und dann fangen wir mit dem ganzen Thema wieder von vorne an."
Suche nach Lösungen läuft seit 2022
Die Metropolregion Hamburg und der Kreis Pinneberg arbeiten seit April 2022 in einem sogenannten Reallabor an Lösungsansätzen, um die Zahl der Elterntaxis zu verringern. Dafür gab es Messungen und Erhebungen an 27 Grundschulen sowie Schüler- und Eltern-Befragungen an 40 Schulen in der Region.
Aktuellen Zahlen zufolge kommen im Sommer knapp zwölf Prozent aller Grundschülerinnen und Grundschüler per Elterntaxi zur Schule. Im Winter sind es mit knapp 22 Prozent fast doppelt so viele. Diese Beobachtung bestätigen auch die Polizeibeamten in Norderstedt. Gerade zur kalten, eher dunklen Jahreszeit seien an den 21 Norderstedter Schulen bedeutend mehr Elterntaxis unterwegs als im Frühjahr und Sommer.
Keine Alternative zum Auto?
Ein Vater, der mit einem SUV mit Hamburger Kennzeichen seine Tochter zur Schule bringt, erklärt, dass er Verständnis für die Kontrollen der Polizei habe. Seine Tochter habe aber keine andere Möglichkeit zur Schule zu kommen, denn aus dem zwölf Kilometer entfernten Heimatort der Familie fahre keine Bus zur Schule.
Für Polizeihauptkommissar Steffen Hartung ist es auch keine Lösung, einfach mehr Parkplätze an der Schule zu schaffen, denn es gehe darum, Kindern die Möglichkeit zu geben am Verkehrsgeschehen teilzunehmen: "Sodass die Kinder lernen mit ihrer Umgebung, Fahrzeugen, Geräuschen umzugehen, Geschwindigkeiten einzuschätzen. Und das erreichen wir nicht, wenn Eltern ihre Kinder bis vor's Klassenzimmer fahren und das jeden Morgen."
Landeselternbeirat fordert mehr Schülerlotsen und besseren ÖPNV
Der Landeselternbeirat der Grundschulen schätzt Elterntaxis ebenfalls als problematisch ein. Einem Sprecher zufolge wäre der Einsatz von mehr sogenannten Schülerlotsen eine Maßnahme, um die Zahl der Elterntaxis zu verringern. Diese Verkehrshelfer unterstützen Schülerinnen und Schüler beim Überqueren von Straßen. Mehr Schülerlotsen bedeuten laut Landeselternbeirat mehr Sicherheit. Außerdem könne den Eltern so die Sorge um die Sicherheit ihrer Kinder genommen werden. Zusätzlich unterstützt der Beirat die Forderung nach einem besseren, flächendeckenderen öffentlichen Nahverkehr.
Pünktlich um acht Uhr, mit dem Beginn der ersten Schulstunde, normalisiert sich das Verkehrsaufkommen rund um das Schulzentrum Nord in Norderstedt wieder. Für Steffen Hartung und Rico Rütjes ist die heutige Kontrolle damit beendet. Gut 20 Elterntaxi-Fahrerinnen und -fahrer haben die Polizeibeamten in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt heute angesprochen. Ein Verwarnungsgeld in Höhe von 25 Euro musste an diesem Morgen nicht erhoben werden. Das kann bei der nächsten Kontrolle am Nachmittag an einer anderen Norderstedter Schule laut Steffen Hartung aber schon wieder anders sein.