Gleichberechtigung: Heider Heimatverein Süderegge geht mit der Zeit

Stand: 19.02.2024 15:56 Uhr

Der Heimatverein "Südereggen-Hahnbeer vun 1841" ist traditionsreich - will aber moderner werden. Die Satzung wurde geändert - jetzt dürfen auch Frauen in den Vorstand.

von Vinetta Richter

Freitagnachmittag, 16. Februar, 15 Uhr - die Männer aus der Süderegge treffen sich im Stadttheater von Heide und kümmern sich noch um die letzten Vorbereitungen für das anstehende Fest - das "Hahnbeer". Die Süderegge ist eine von drei Eggen in Heide (Kreis Dithmarschen). Eggen sind traditionelle Heimatvereine, die einmal im Jahr während der Fastlomszeit im Januar und Februar ihr Bestehen feiern. Dann zieht an drei Samstagen jeweils eine Egge mit einem Festumzug durch die Stadt - mit Musikkapellen, Pferden und Kutschen.

Fahnenträger laufen auf einer Straße in Heide. © NDR Foto: Vinetta Richter
Beim Umzug laufen vorne die Fahnenträger mit.

Diese Umzüge und Vereine sind einmalig in Deutschland. Die Mitglieder leben aktiv jedes Jahr Geschichte und Tradition. "Hahnbeer" (plattdeutsch: Hahn=Hahn, Beer=Fest) geht zurück in die Zeit, als Heide noch keine Stadt war, sondern eine Bauerngemeinschaft. Diese Gemeinschaft bestand aus vier Ortsteilen. Diese wurden Eggen genannt, nach ihrer jeweiligen Himmelsrichtung. Die ersten Aufzeichnungen über die Eggen stammen aus dem Jahr 1462. Die Eggen kümmerten sich damals um das Gemeinwesen in ihrem jeweiligen Stadtteil, sie teilten zum Beispiel das Land unter den Bauern auf. Es gibt eine Norder-, eine Süder und eine Österegge- Für kurze Zeit gab es auch eine Westeregge, warum es sie jetzt nicht mehr gibt, ist leider nicht klar.

Hahnbeer oder Hohnbeer?

Die beiden Worte Hahnbeer und Hohnbeer beschreiben dasselbe, nämlich die Festtage der Norder-, Süder- und Österegge in Heide. Man kann die Begriffe synonym verwenden!

Dieses Jahr findet der 183. Festumzug "Hahnbeer" von der Süderegge statt. Für die Kaffeetafel am Sonnabendnachmittag müssen noch Blumen aufgestellt werden und vor allem auf der Bühne fehlen noch die traditionellen Fahnen mit dem Hahn drauf. Auch die Sitzordnung muss nochmal durchgegangen werden. Aber ansonsten ist die Stadt Heide bereit für die Umzüge. Überall wehen bunte Fahnen im Wind und die traditionelle Pforte steht am Marktplatz.

Motto: "Begebt euch mit uns auf eine Zeitreise"

Bei den Eggen dreht sich alles darum "die Alten zu ehren und die Freud zu mehren" - aber bitte op platt! Tradition wird hier groß geschrieben. Dazu gehört eben der alljährliche "Hahnbeer" Umzug mit Einkehr im Rathaus, in Altenheimen und bei Privatleuten, die Erbsensuppe zum Mittagessen, das Boßeln, die Kaffeetafel op platt und natürlich der Festball am Abend. Das alles steht unter dem Motto der Süderegge: "Begebt euch mit uns auf eine Zeitreise von der gelebten Tradition in die Gegenwart und gestaltet mit uns die Zukunft."

Und ein bisschen gehört auch zur Tradition, dass Mitglied und vor allem Teil des Vorstandes nur Männer sein können. Aber genau an dieser Tradition hat der Vorstand der Süderegge gefeilt. Guido Thomsen ist der sogenannte 1. Föhrer der Süderegge und sitzt seit letztem Jahr dem Vorstand des Vereins vor. In dieser Funktion Als 1. Föhrer läuft er bei dem Festumzug durch die Stadt am Samstag an erster Stelle. Ihm war es bei seinem Amtsantritt sehr wichtig Traditionen zu hinterfragen und diese gegebenenfalls auch zu verändern.

Hartli Willkom leve Froens in de Egge!

Porträt von Svenja Schütt in einem Pferdestall. © NDR
Svenja Schütt ist im Vorstand der Österegge.

Auf der letzten Generalversammlung im Januar 2024 beschloss die Süderegge dann einstimmig, dass nun Frauen nicht nur Mitglied sein können, sondern auch einen Posten im 14-köpfigen Vorstand übernehmen dürfen. Lange überfällig - findet Svenja Schütt. Auch sie ist aktiv in einer Egge - der Österegge. Im Verein ist sie schon seit dem sie vier Jahre alt ist, im Vorstand ist sie seit vergangenem Jahr. Die Österegge hat sich als erstes für Frauen geöffnet und Svenja Schütt freut sich, dass die Süderegge jetzt nachzieht und auch im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Ohne die Frauen könnten die Männer den Hahnbeer gar nicht feiern! Svenja Schütt, Vorreiterin Österegge Heide

Frauen sind - auch ohne Vorstandsposten - eine wichtige Stütze bei den Feierlichkeiten. Sie kümmern sich um Verpflegung und Kaffee und helfen bei den Vorbereitungen. Meistens sind die Frauen Ehefrauen von Männern, die schon in einer Egge aktiv sind. Diese traditionelle Arbeitsaufteilung gibt es schon seit dem Beginn der "Hahnbeer" Feste und wird auch heute noch so ausgelebt, vor allem in der Norderegge. Hier dürfen Frauen noch nicht im Vorstand sein. Das liege an der Tradition, heißt es von einigen Vorstandsmitgliedern.

Nachwuchssorgen führen zur Gleichberechtigung

Wie viele andere Vereine haben auch die Eggen Probleme, neue Mitglieder zu finden. Das Nachwuchsproblem wurde nach Corona immer deutlicher, sagt Guido Thomsen. Und für die Vereinsarbeit sei es egal, ob da ein Mann oder eine Frau den Job macht. Viele Frauen in Heide finden den Wandel gut und zeitgemäß. Sie freuen sich darauf an der traditionellen Kaffeetafel als Gast teilzunehmen. Das war bis jetzt nur Männern vorbehalten und ein paar wenigen "Ausnahms"-Frauen, wie die Kellnerinnen, Rednerinnen oder Witwen ehemaliger Mitglieder. Beim abendlichen Festball waren Frauen schon immer willkommen.

Mehrere Männer stehen aufgereiht in festlicher Kleidung. © NDR Foto: Vinetta Richter
Letzte Vorbereitungen bevor es los geht bei der Kaffeetafel.

Interesse an einem Vorstandsposten in der Süderegge gibt es zur Zeit noch nicht von einer Frau. Warum das so ist, kann auch Svenja Schütt nicht erklären. Sie vermutet, dass es nicht ganz leicht ist Job, Familie und ein Ehrenamt miteinander zu vereinbaren. Das würde wahrscheinlich am besten funktionieren, wenn auch der Partner schon Mitglied bei der Egge ist.

Wandel in der Egge

Manche Vereinsmitglieder sehen dem Wandel auch etwas skeptisch entgegen und sind gespannt darauf, wie die Zusammenarbeit funktionieren wird. Vor zehn Jahren hätte das noch nicht geklappt, glauben einige. Michael Ulrich ist schon seit 1986 bei der Süderegge dabei. Er meint, dass es für Frauen schwer sein könnte sich im Männerverein durchzusetzen. Aber die Satzungsänderung sei trotzdem wichtig, denn

...wir haben ja nicht mehr 1841! Michael Ulrich, Mitglied Süderegge Heide

Traditionen können sich also weiterentwickeln und müssen das wahrscheinlich auch. Denn immer weniger Menschen haben und nehmen sich die Zeit für ein Ehrenamt. Warum also nicht die potentiellen Mitglieder verdoppeln - einfach indem auch Frauen mitmachen können?

Der Festumzug am Samstag, 17. Februar, war ein Erfolg sagen die Männer der Süderegge. Zum Glück blieb es trocken und viele Leute haben sich den Umzug angesehen. Vielleicht sind ab nächstem Jahr auch mehr Frauen an der Spitze des Umzugs mit dabei!

Weitere Informationen
Ein aktuelles Foto vom Heider Martkplatz vermischt mit einer Aufnahme aus dem Jahr 1902. © Stadtarchiv Heide/NDR Foto: Stadtarchiv Heide/Katharina Kücke

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 18.02.2024 | 19:30 Uhr

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