Das Gedächtnis des Moors - Untersuchungen in Siek
Fast alle Moore in Schleswig-Holstein sind durch Entwässerung und Torfabbau zerstört. Auch das Sieker Moor im Kreis Storman. Jetzt soll geklärt werden, wie es vor Jahrtausenden entstanden ist.
An seinen Arbeitsplatz kommt er im Moment nur mit hohen Gummistiefeln oder Wathose. Moorkundler Helge Luthe soll herausfinden, wie das Sieker Moor einmal entstanden ist - vor Jahrtausenden. Die Antwort darauf sucht er tief in der Erde.
Vorsichtig setzt er im fast knietiefen Wasser einen Fuß vor den anderen. Ein falscher Schritt - und Helge Luthe könnte bis zum Hals im Moor versinken. "Wäre das Moor immer so feucht wie jetzt gerade, gebe es kein Problem", erklärt der Moorkundler. "Aber das liegt nur an den starken Niederschlägen der vergangenen Monate." Eigentlich ist das Sieker Moor zu trocken. Zerstört durch Entwässerung und Torfabbau, wie fast alle Moore in Schleswig-Holstein. Und dadurch setzt es klimafeindliche Treibhausgase frei.
Welche Bedingungen haben hier vor Jahrtausenden geherrscht?
Helge Luthe soll das Moor deshalb im Auftrag des Kreises Storman renaturieren. Aber dafür muss er zuerst herausfinden, wie es einmal entstanden ist - vor Jahrtausenden. "Ich bin sehr gespannt", sagt er. "Oft mutmaßt man vorher, welche Bedingungen hier wohl einmal geherrscht haben. Und dann stellt sich heraus, dass es doch ganz anders war." Der Agrarwissenschaftler hat schon mehr als hundert Moorgebiete untersucht. Seit rund zehn Jahren arbeitet er für das auf Mooruntersuchungen spezialisierte Unternehmen "Mordhorst-Bretschneider" in Nortorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) als Planungsingenieur.
Durch das Wasser watet er jetzt noch tiefer in das 15 Hektar große Moor hinein. An einer nicht ganz so nassen Stelle setzt er seinen großen Rucksack ab, und packt verschiedene Bohrer aus.
Die Sedimente erzählen ihm Geschichten
Wo ist das Wasser vor Jahrtausenden einmal hergekommen? Die Antwort auf diese Frage sucht Helge Luthe tief in der Erde. Er setzt einen Bohrer auf dem schlammigen Moorboden an und sticht hinein - zuerst rund 50 Zentimeter tief. Dann betrachtet er die herausgestochene Erde aus der Nähe und fotografiert sie mit dem Handy. Die verschiedenen Sedimentschichten erzählen ihm Geschichten, die lange zurückliegen. "Schon wenn man mit dem Messer darüberstreicht, bemerkt man Unterschiede in der Struktur des Torfes", erklärt er. "Und indem man es makroskopisch mit bloßem Auge untersucht."
Die Antwort auf seine Frage: Blasenwinsentorf
Torf besteht aus abgestorbenen Pflanzenresten."Es ist sehr faszinierend, dass sich die moorbildenden Arten so erhalten, dass man nachvollziehen kann, was hier vor Jahrtausenden gewachsen ist", freut sich Helge Luthe, als er in rund zwei Metern Tiefe einen Hinweis findet, der zur Antwort auf seine Frage führt. Und dieser Hinweis heißt: Blasenwinsentorf. "Die Pflanze gibt es in Schleswig-Holstein nur noch an drei Standorten", erklärt der Moorkundler. "Sie hat früher in vielen Mooren die erste Entwicklungsphase begründet, als es noch Gewässer war." Das deute darauf hin, dass das Sieker Moor ursprünglich aus einem See entstanden ist.
Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, heißt das, dass das Moor mit relativ einfachen Mitteln wiederbelebt werden könnte. "Denn dann gebe es hier ein natürliches Becken, das nur noch abgedichtet werden müsste", sagt Helge Luthe, der jetzt an einer anderen Stelle im Moor durch tieferes Wasser zu einem von drei Wasserstandsmessern watet. "Indem wir zum Beispiel einen Graben herstellen, den wir mit Torf füllen. Und darüber einen Wall bauen", erklärt er. "Dann kann das Wasser weder unterirdisch noch oberirdisch abfließen." Rund ein Jahr lang werden die Untersuchungen noch dauern, bis der Agrarwissenschaftler mit der Renaturierung starten kann - damit das Sieker Moor bald wieder Treibhausgase speichern kann.