Cannabis-Legalisierung: Clubs beklagen Hürden auf dem Weg zum Anbau

Stand: 21.01.2025 19:14 Uhr

In Schleswig-Holstein haben derzeit drei Cannabis-Anbauvereinigungen eine Genehmigung zum Anbau erhalten. Direkt losgehen kann es allerdings noch nicht.

von Ole Wrobel

Ein Hof mitten im Kreis Segeberg - der genaue Standort bleibt geheim, auch um ungewollte Gäste und sogar Kriminelle fernzuhalten. Hier befindet sich die Anbauhalle der Cannabis-Anbauvereinigung "Sorgenfrei". Noch wächst hier nichts, aber 40 Mitglieder bereiten sich auf den Start vor: Die Sicherheitstechnik wird installiert und das Gebäude gegen Einbrüche gesichert.

Cannabis: Legalisierung soll Schwarzmarkt eindämmen

Diese Herausforderungen kommen auf alle Vereine zu, die eine Genehmigung für den Cannabis-Anbau erhalten möchten. Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten bei der Anzucht und dem Transport der Ernte zur Laborprüfung. Das Cannabis-Gesetz verfolgt das Ziel, den Schwarzmarkt zu bekämpfen und den Konsum über legale Wege zu ermöglichen - doch es gibt auch Kritik.

Hohe Sicherheitsanforderungen für Cannabisanbau

Seit Dezember liegt eine Genehmigung vom Land Schleswig-Holstein vor, doch die Mitglieder arbeiten noch am Umbau des Gebäudes, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Es müssen eine Sicherheitstür, eine 24-Stunden-Alarmüberwachung und ein Einbruchschutz installiert werden. "Allein die Startkosten für den Betrieb belaufen sich auf rund 80.000 Euro", erklärt der Vereinsvorsitzende Dennis Sorgenfrei.

Cannabis-Samen sind ok, Stecklinge verboten

Ein weiteres Problem sei die unklare Regelung zur ersten Anzucht. "Wir haben die Aussage, dass wir nur mit Samen arbeiten dürfen und nicht mit Stecklingen. Das birgt die Problematik, dass wenn man Samen aussät, man nicht hundertprozentig für die Genetik garantieren kann. Mann kann nicht sagen, dass es eben eine männliche oder weibliche Pflanze wird. Oder vielleicht sogar ein Zwitter." Nur weibliche Pflanzen sind für die Cannabis-Produktion geeignet.

Erste Ernte ist geplant, ein großes Problem bleibt

Drei Cannabis Anbauvereinigungen haben eine Genehmigung erhalten. © picture alliance / CHROMORANGE | Herwig Czizek Foto: Herwig Czizek
In Schleswig-Holstein bereiten sich Vereine auf den Cannabis Anbau vor - doch der Weg dorthin ist noch hügelig.

Aktuell hat der Verein 40 Mitglieder und plant, mit 200 Pflanzen zu starten. Die erste Ernte könnte im Sommer anstehen. Diese müsste dann vom Landeslabor Schleswig-Holstein geprüft werden.

Doch wenn Vereinsmitglieder Proben zur Untersuchung ins Labor bringen, würden sie nach aktuellem Gesetzesstand einen illegalen Transport von Betäubungsmitteln durchführen. "Im Gegensatz zum Medizinalbereich dürfen wir unser Cannabis nicht verschicken oder versenden", erklärt Sorgenfrei. "Dadurch sind uns die Hände gebunden. Wir wissen noch nicht, wie wir es zum Labor transportieren oder unseren Mitgliedern über eine Ausgabestation zur Verfügung stellen können".

Risiken bei Cannabiskonsum: Abgabe an Minderjährige verboten

Der Gesetzgeber setzt auf strenge Regelungen, da Cannabis ein Rauschmittel mit Suchtpotenzial ist. Jeder Verein muss sich auch um Präventionsarbeit kümmern. "Ein Verein benötigt eine Cannabis-Präventionsbeauftragte, weil der Konsum grundsätzlich mit Risiken einhergeht", so eine Sprecherin des Vereins Sorgenfrei. "Das größte Risiko tragen Jugendliche, da ihre Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Früher Konsum kann bleibende Schäden verursachen. Daher ist es besonders wichtig, dass keine Weitergabe an Jugendliche erfolgt."

Zwölf Anträge noch in Bearbeitung

Auch die Vereine "Happy Friends" aus dem Kreis Plön und "High Nord" aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde haben eine Genehmigung erhalten. Das teilten die Vereine auf Nachfrage mit. Zwölf weitere Anträge befinden sich noch in Bearbeitung, so eine Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums. Das Cannabis-Konsum-Gesetz (CanG) wurde im Frühjahr 2024 von der damaligen Ampel-Koalition auf den Weg gebracht, muss jedoch von den Ländern umgesetzt werden.

Staatssekretärin: "Handwerklich schlecht gemachtes Gesetz"

Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium Anne Benett-Sturies hat Bedenken. "Wir sehen das Cannabis-Gesetz durchaus sehr kritisch. Es gibt viele unklare Begriffe und Rechtsbereiche, die offen geblieben sind", sagt Benett-Sturies. Die Bundesländer seien mit der Umsetzung weitgehend alleine gelassen worden. "Deshalb wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung Hamburgs eingerichtet, um einheitliche Standards zu entwickeln", erklärt die Staatssekretärin, "es handelt sich um ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz."

Kritik aus der SPD

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Birte Pauls, hatte die Landesregierung in der Vergangenheit kritisiert: Das Cannabis-Gesetz hätte schneller umgesetzt werden können und die Anträge der Anbauvereinigungen hätten rascher bearbeitet werden sollen, so der Vorwurf.

Gutachten: Illegaler Markt kann zurückgedrängt werden

Auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein erklärte Pauls: "Die Freigabe von Cannabis bietet die Möglichkeit, eine regulierte Abgabe zu schaffen, die den Schwarzmarkt eindämmt und die Konsumenten und Konsumentinnen schützt." Ein externes Gutachten des Bundesgesundheitsministeriums sowie eine Auswertung durch das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung würden bestätigen, dass der illegale Markt zurückgedrängt werden könne. In welchem Ausmaß dies jedoch für Deutschland zutreffe, bleibe schwer abzusehen.

Erste Evaluation im Sommer

Das Verbraucherschutzministerium Schleswig-Holstein plant, die Umsetzung des Gesetzes sowie die Auswirkungen auf Konsumenten und Markt im Sommer 2025 zu evaluieren. Das Landespolizeiamt verweist darauf, dass bisher in Bezug auf die Eindämmung des Schwarzmarktes keine ausreichenden Daten vorliegen würden. Die Behörde geht jedoch nicht davon aus, dass die organisierte Kriminalität durch die Auswirkungen des Gesetzes vom Markt verdrängt wird. Kriminelle würden sich nicht an gesetzliche Vorgaben für Produktion, Kontrolle und Verkauf halten. Diese könnten ihre Produkte günstiger verkaufen und Konsumenten erreichen, die nicht von einer kontrollierten Abgabe profitieren, etwa Jugendliche unter 18 Jahren.

150.000 Cannabis-Konsumenten in Schleswig-Holstein

Es gibt keine genauen Zahlen über den Markt für Cannabis in Schleswig-Holstein. Das Gesundheitsministerium verweist auf bundesweite Erhebungen. Laut diesen haben im vergangenen Jahr etwa 4,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren in Deutschland Cannabis konsumiert. Auf Schleswig-Holstein umgerechnet würde das etwa 150.000 Konsumenten entsprechen, also rund 10 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe. Bei den bundesweiten Zahlen wird nicht zwischen Freizeitkonsum und dem medizinischen Bereich unterschieden. Die Cannabis-Anbau Vereinigung "Happy Friends" spricht davon, "dass aufgrund der hohen Hürden für die Vereine sich natürlich seit der Legalisierung ein Bedarfsvakuum bildet, das durch Schwarzmarkt und unberechtigte Rezepte aufgefüllt wird."

Legale Wege zum Cannabis-Konsum

Nach aktueller Gesetzeslage dürfen Cannabis-Konsumenten maximal 25 Gramm der getrockneten Substanz mit sich herumtragen. 50 Gramm dürfen sie zu Hause haben. An überprüftes und damit nicht verunreinigtes Cannabis kommen Freizeitkonsumenten auf legalem Wege aber nur über eine Mitgliedschaft in einer der Cannabis-Vereinigungen oder durch das eigene Heranziehen von maximal drei weiblichen Cannabis-Pflanzen.

 

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Cannabis in einem Plastiktütchen und auf einer Holzfläche. © Colourbox Foto: Nils Weymann

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 21.01.2025 | 19:30 Uhr

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Eine Marihuanapflanze. © picture alliance / NurPhoto | Anusak Laowilas Foto: Anusak Laowilas

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