Bewegender Abschied von Ex-Regierungschefin Heide Simonis
Als Vorreiterin, bodenständige und nahbare Frau: So bleibt Heide Simonis den Menschen im Norden in Erinnerung. Am Freitag nahm Schleswig-Holstein in einer bewegenden Trauerfeier von der ersten Ministerpräsidentin Deutschlands Abschied.
Sechzehn Tage nach ihrem Tod haben Familie, Freunde sowie Weggefährten aus Kultur und der Landes- und Bundespolitik am Freitag Abschied von Heide Simonis genommen. Die ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein war am 12. Juli nach langer Krankheit im Alter von 80 Jahren in Kiel gestorben. Mehr als 500 Menschen nahmen an der Trauerfeier in der Petruskirche in Kiel teil.
Schon vor Beginn des Gottesdienstes warten die Menschen vor der Petruskirche im Kieler Stadtteil Wik. "Sie war eine Ministerpräsidentin zum Anfassen, für viele ein leuchtendes Beispiel", sagt Carmen Blume. Sie ist eine von knapp 500 Menschen, die sich heute von Heide Simonis verabschieden wollen. Neben 300 geladenen Gästen sind knapp 200 Bürgerinnen und Bürger zum Gottesdienst gekommen.
Drinnen in der Kirche sitzen die Gäste in den ersten Reihen dicht gedrängt. Auf dem hellen Sarg liegt ein Gesteck aus weißen Rosen, die Lieblingsblumen von Heide Simonis. "In liebevoller Erinnerung dein Udo", "In Liebe Dodo und Barbara" steht auf den beiden Trauerschleifen. Die Abschiedsgrüße von Witwer Udo Simonis und den Simonis-Schwestern. Die Orgel spielt, Pastor Gunnar Engel eröffnet den Gottesdienst.
Ein Leben in einer männergeprägten Domäne
"Der Tod von Heide hat viele Menschen zutiefst berührt", sagt Engel. Heide Simonis sei vor allem eine menschliche Politikerin gewesen und habe das Land durch ihre Art geprägt. Sie sei nahbar gewesen und habe sich denen zugewandt, die sonst leicht übersehen wurden. "Sie war ein Mensch für andere". Furchtlos habe sie neue Wege beschritten. Mit der Skepsis, die ihr entgegenschlug, habe sie umgehen können, sagt der Pastor.
In seiner Predigt erinnert Engel an den Lebensweg von einer Frau, die in einer männergeprägten Domäne ihren Weg ging. Es sei ein Weg gewesen, der nicht selbstverständlich war. "Sie war eine menschliche Politikerin oder ein politischer Mensch, jemand der die Welt gestalten wollte."
Pastor Engel: "Sie fragte um Rat, um dann das Gegenteil zu tun"
Immer wieder geht es um den Witz und den Eigensinn, die Heide Simonis zu Lebzeiten ausmachten. Etwas davon ist auch am Freitag in der Petruskirche zu spüren. Beispielsweise als Pastor Engel von seinen Erlebnissen in der Familie berichtet. "Heide fragte gerne ihre Geschwister um Rat, um dann das Gegenteil zu tun". Ein kurzer heiterer Moment an diesem Tag.
Doch auch die stillen Momente sind an diesem Tag präsent. So berichtet der Pastor, dass Heide Simonis nach langen politischen Sitzungen nachts auf dem Fußboden ihrer Wohnung saß und Quilts herstellte, um das Erlebte zu verarbeiten. "So mancher Politikfrust ist in den vergangenen Jahrzehnten in einer Decke gelandet, wie man im Hause sehen kann", sagt der Pastor.
"Heide Simonis hat mir für den heutigen Tag eigentlich nur eine Anweisung mitgegeben", sagt Engel. Er bezieht sich auf ein bestimmtes Zitat. Schon zu Lebzeiten ahnte Heide Simonis, was der Pastor an ihrem Grab sagen würde: "Hier ruht die Frau, die viermal nicht gewählt wurde", sagte sie in einem Interview. Für Pastor Gunnar Engel sei dies allerdings nur ein Moment im Leben von Heide Simonis. „Heute geht es nicht einfach nur um eine Frau, die viermal nicht gewählt wurde. Das würde viel zu kurz greifen. Das würdigt weder ihr politisches, noch ihr soziales Engagement in den Jahren, noch das Erbe, das sie hinterlässt.“ Gunnar Engel legte einen anderen Schwerpunkt. „Sie hat sich mit ihrem Leben anderen Menschen zur Verfügung gestellt, das ist es, was ich am Ende sage“.
"Ich denke, was ich will. Die Gedanken sind frei", stimmt der Kammerchor Belcanto von der Empore an. Ein Lied, das Heide Simonis gerne gesungen hat. Zuletzt hat sie sich aufgrund ihrer Parkinson-Erkrankung aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Aus den ersten Reihen verfolgten den Gottesdienst Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli, Björn Engholm, einstiger Vorsitzender der Bundes-SPD, Peter Harry Carstensen (CDU), Torsten Albig (SPD), Landtagspräsidentin Kristina Herbst (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken sowie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
Heide Simonis hat Schleswig-Holstein moderner gemacht
"Heide Simonis hat Politik so erklärt, dass jeder sie verstanden hat", "Kein abgehobener Sprech, keine Floskeln“, sagt Ministerpräsident Daniel Günther in seiner Rede. Simonis habe Schleswig-Holstein moderner und vielfältiger gemacht. Simonis Bedeutung habe weit über das Land hinausgereicht. "Heide Simonis kannte in Deutschland jede und jeder", so Günther. Debatten und Konflikten sei sie nie ausgewichen. Der Tag des Scheiterns ihrer Wiederwahl sei Teil ihrer Biografie, aber nicht Teil ihres Vermächtnisses. "Wir waren stolz auf die erste und einzige Ministerpräsidentin, Schleswig-Holstein verneigt sich vor der Lebensleistung von Heide Simonis" sagt Günther. Sichtlich bewegt zeigt sich auch Serpil Midyatli: "Die große Anteilnahme zeigte, was für eine Strahlkraft sie hatte."
Engholm: "Seite an Seite gestritten"
Ex-SPD-Ministerpräsident Björn Engholm thematisiert in seiner Ansprache seine besondere politische Beziehung zu Heide Simonis. Als damaliger Ministerpräsident holte er Heide Simonis als Finanzministerin 1988 in sein Kabinett. 1993 folgte Simonis auf ihn als Regierungschefin. Über knapp zwei Jahrzehnte hätten beide "Seite an Seite gestritten, gedacht, debattiert, verworfen, entschieden. Und das ganze stets menschlich aufs Angenehmste verbunden", erinnert sich Engholm.
Engholm erinnert sich an eine "Lucky Luke des Wortes"
Für Engholm bleibt die "bewundernswerte Leichtigkeit" von Heide Simonis im Gedächtnis. Er erinnert sich an eine "Lucky Luke des Wortes", an eine "klug-rasante Geschwindigkeit, die das Hör- und Begriffsvermögen so mancher ihrer, insbesondere männlicher, Kontrahenten überstieg", "an ihre Hüte, die uns den Hauch von Ascot in Schleswig-Holstein beschert haben".
"Heide bleibt in unseren Köpfen und Herzen lebendig"
Kurze Heiterkeit. Dann wieder Stille, als Engholm das Ende ihrer politischen Laufbahn anspricht. Das Karriereende 2005 sei "eine Erinnerung, die uns bleibend bedrücken wird. Nicht durch ein offenes, kontroverses Votum herbeigeführt. Das hatte sie, insbesondere sie, die in ihrem Leben nie anders gefochten hatte, als mit offenem Visier, nicht verdient."
Heide Simonis habe für eine freie, offene, tolerante und soziale Gesellschaft gekämpft. "Heimat hoch schätzen in Zeiten der zunehmenden Ungewissheit. Heimat offen zu halten, nicht abzuschotten, auch das hinterlässt uns Heide als ein Gebot für die Zukunft für schwierige Zeiten", "Heide bleibt in unseren Köpfen und Herzen lebendig", so Engholm. Das dürften viele Schleswig-Holsteiner ähnlich empfinden, die sie erlebt haben.
Am Freitagmittag nimmt die Trauergemeinde dann schweigend Abschied. Nach Vaterunser und Schleswig-Holstein-Lied wird der Sarg aus der Kirche getragen. Die Beisetzung auf dem Kieler Südfriedhof bleibt dem engsten Kreis vorbehalten.