Bauchspeicheldrüsenkrebs: Kieler Forscher knacken Treiber-Gen
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist bisher nicht heilbar, die Prognose für die Patienten schlecht. Dank eines Forscherteams aus Kiel könnte es in einigen Jahren Therapien gegen die aggressiven Tumore geben.
Sie sehen aus wie ganz normales Fettgewebe, haben es aber in sich: Die kleinen Gewebeproben, die Doktorand Markus Vogt mit der Pinzette vorsichtig in kleine Reaktionsgefäße füllt, sind Proben von Bauchspeicheldrüsentumoren. Die haben er und seine Forscherkolleginnen und -kollegen vom Biochemischen Institut an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zuvor aus Labormäusen entnommen. Das Team hatte den Tumor mit einer Substanz behandelt, die ein ganz bestimmtes Eiweiß hemmen soll. Es heißt RUVBL1. Die Hoffnung der Kieler Forschenden: Wenn man das Protein RUVBL1 im Tumor hemmt, kann man dadurch den eigentlichen Treiber für Bauchspeicheldrüsenkrebs ausschalten: das Protein MYC, das die Tumore wachsen lässt. Beide hängen eng zusammen, sind sogenannte Bindungspartner.
Angriff auf den Übeltäter über Umwege
Bauchspeicheldrüsentumore sind eine Krebsart, die für Betroffene fast immer tödlich verläuft, weil es immer noch keine Heilung gibt. Etwa 800 Diagnosen werden allein in Schleswig-Holstein pro Jahr gestellt. Ein großes Problem bei der Behandlung: "Der Haupttreiber dieser Tumore, aber auch anderer Krebsarten, das sogenannte MYC-Protein, ist pharmakologisch extrem schwierig anzugreifen", sagt Markus Vogt. Die im Kieler Institut jüngst entwickelten Substanzen, die aggressive Tumorzellen durch das Hemmen von Eiweißen vernichten sollen, sind beim MYC-Protein wirkungslos. Erst im Frühjahr hatte der NDR über die sogenannten PROTACs (Porteolysis Targeting Chimeras) berichtet. Diese Substanzen wirken wie eine Art Schredder, der die Struktur der damit behandelten Eiweiße zerstört. Und weil das eben beim MYC-Protein nicht funktioniert, macht das Kieler Forscherteam den "Umweg" über den Bindungspartner RUVBL1.
Aufwendige Suche
Den richtigen Bindungspartner des MYC-Proteins musste Markus Vogt im Rahmen seiner Doktorarbeit erst einmal finden. Gemeinsam mit dem Team um seinen Doktorvater, Professor Elmar Wolf, hatte er mehr als 90 verschiedene Partner des MYC untersucht, bis er endlich den Treffer landete. "Wir haben festgestellt, dass die Bauchspeicheldrüsentumore schrumpfen, wenn wir das Protein RUVBL1 hemmen", sagt er. Das Kieler Forschungsvorhaben ist Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit rund 18 Millionen Euro geförderten Sonderforschungsbereichs zur Entwicklung neuer Krebsmedikamente. Bundesweit sind mehrere Unis beteiligt.
Erwartungen noch übertroffen
Die bisherigen Ergebnisse ihrer Versuchsreihen übertreffen sogar die Erwartungen der Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "In den über RUVBL1 behandelten Zellen haben wir nicht nur ein Schrumpfen der Tumorzellen feststellen können, es sind auch körpereigene Immunzellen in den Tumor eingewandert", erklärt Markus Vogt. Die seien für eine Krebstherapie unverzichtbar, weil sie helfen, den Krebs zu bekämpfen, indem sie ihn mit modernen Therapien angreifbar machen.
Gemeinsam blickt er mittlerweile mit Elmar Wolf auf den Bildschirm, auf dem die mikroskopischen Darstellungen der lila eingefärbten Proben zu sehen sind. Die beiden Forscher sind zuversichtlich. "In den letzten Jahren hat die Immuntherapie die Prognose von vielen Patienten entscheidend verbessert. Nur eben nicht beim Bauchspeicheldrüsenkrebs", sagt Elmar Wolf. Er glaubt nun, dass er und sein Team einen Weg gefunden haben, auch diese Erkrankung in der Zukunft behandelbar zu machen. "Allerdings", so der Professor, "wird es noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis entsprechende Medikamente auf den Markt kommen."