Angleichung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie: Gefahr oder notwendig?
Auswärts essen gehen: Das ist für viele Menschen, zum Beispiel in der #NDRfragt-Community, bereits jetzt eher Luxus. Ab dem 1. Januar 2024 könnte die Rechnung im Lieblingsrestaurant noch höher sein. Denn die Mehrwertsteuer soll wieder angeglichen werden.
Sie ist ein Überbleibsel der Corona-Jahre: Die auf sieben statt 19 Prozent gesenkte Mehrwertsteuer beim Restaurantbesuch. Aufgrund der hohen Inflation, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, wurde die Sonderregel bereits einmal verlängert. Nun soll sie nach aktuellen Plänen im politischen Berlin bald enden. Die Chefhaushälter der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sind sich einig darin, 2024 zum alten, höheren Satz zurückkehren zu wollen.
Restaurantschließungen wahrscheinlich
Für die in den Krisenjahren nach eigener Aussage stark gebeutelten Gastwirtinnen und Gastwirte ist das ein weiterer Schlag ins Kontor. Denn viele zahlen noch an Corona-Notkrediten und kämpfen mit den weiterhin hohen Energiekosten. "Die sind noch nicht wieder auf Vorkriegsniveau", sagt Papa Konstantinou. Er ist einer der Inhaber der "Arizona Kitchen" in Norderstedt. An sieben Tagen pro Woche wird hier Essen vom amerikanischen Kontinent serviert. "Den Mittagstisch haben wir schon vor einem Jahr gestrichen. Das hat sich einfach gar nicht mehr gerechnet mit den Energiekosten." Statt 2.500 Euro im Monat, hätten sie auf einmal 6.000 Euro an die Energieversorger gezahlt. Mittlerweile hätten sich die Kosten etwas reduziert, seien aber immer noch hoch.
"Wenn wir durch eine Steigerung der Mehrwertsteuer spürbar weniger Gäste haben, dann weiß ich nicht, wie lange wir noch durchhalten", sagt Konstantinou. Als Selbstständiger müsse er ja nicht nur sein Personal bezahlen, sondern auch selbst von etwas leben. "Und irgendwann fragt man sich: Wofür mache ich das hier überhaupt noch?" Auf Seite der Gäste hören wir im Rahmen einer Umfrage dazu passendes: "Wenn das Schnitzel mit Pommes - und das ist ja nun kein Hexenwerk - 20 Euro kostet, dann ist irgendwann auch eine Grenze erreicht", meint der eine. "Da wird Essen gehen schon deutlich weniger attraktiv. Schon schade", meint eine andere.
DEHOGA: Landgasthöfe leiden am stärksten
Auch der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA sieht das wieder Anheben der Mehrwertsteuer für Restaurantbesuche auf 19 Prozent kritisch. "Wir sind ziemlich fassungslos über diese Pläne", bringt es Lutz Frank, stellvertretender Präsident der DEHOGA Schleswig-Holstein, auf den Punkt. "Natürlich gibt es genug Betriebe, bei denen den Kunden die zwölf Prozent Preiserhöhung weniger weh tun." Aber es gebe eben auch die Landgasthöfe, die nicht "nur" Restaurant sondern sozialer Treffpunkt seien. Wenn dort die Currywurst nochmal zwei Euro mehr koste, könnten sich das viele einfach nicht mehr leisten - und die Lokale dann schließen oder Personal abbauen. Mit bis zu 12.000 Schließungen rechnet der DEHOGA. Das wäre knapp jedes zehnte Restaurant.
Denn die Kostensteigerungen bei Lebensmitteln und Energie sind auch an den Gastronominnen und Gastronomen nicht vorbei gegangen. Zudem sieht die DEHOGA den Gleichbehandlungsgrundsatz bei Steuern nicht beachtet. "Wie kann es sein, dass ich in meinem Lokal die Teller an den Tisch bringe und abspüle und dafür noch mit höherer Besteuerung bestraft werde, während Lieferdienste und Fastfood-Ketten Müllberge verursachen und nur sieben Prozent Mehrwertsteuer bezahlen?", fragt Frank.
Bund und Länder brauchen Geld
Die Kritik hat ihren Ursprung auch in von Bundeskanzler Scholz (SPD) gemachten Wahlkampfversprechen. Noch vor zwei Jahren, in der Wahlkampfarena in der Gollan-Werft, sagte Scholz: "Die wegen Corona reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie schaffen wir nie wieder ab."
Im hier und jetzt allerdings, fehlen durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Berliner Ampel-Regierung 60 Milliarden Euro. Die ehemaligen Corona-Gelder - finanziert durch Kredite - sollten eigentlich dem Klima- und Transformationsfonds zufließen und sind zum Teil schon verplant. Nun ist klar: Das Geld muss woanders herkommen. Denn das Verfassungsgericht sieht die Schuldenbremse in Gefahr. Die rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr, die die reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie kostet, stehen deshalb jetzt in einem anderen Licht. Wie es am Ende ausgeht, bleibt vorerst abzuwarten.