Mehrwertsteuererhöhung: Gastronomie im Norden unter Druck
Im neuen Jahr soll die Mehrwertsteuer für Gastronomen wieder steigen - von derzeit sieben auf 19 Prozent. Der Branchenverband wehrt sich dagegen nach Kräften. Wie steht es um die Gastronomie im Norden?
In einer aktuellen Befragung der #NDRfragt-Gemeinschaft gaben knapp drei Viertel der Teilnehmenden an, dass sie eine Mehrwertsteuererhöhung für Restaurantbesuche schlecht finden würden. Wenn die Mehrwertsteuer wieder steigt, wollen viele seltener auswärts essen. Damit bestätigt die Umfrage Befürchtungen der Gastronomie-Branche, die sich ohnehin schon unter großem Druck wähnt.
Erst kürzlich auf der Pressekonferenz des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA schlug dessen Präsident Guido Zöllick Alarm: "Trotz der Corona-Hilfen, die konsequent und richtig waren, hat die Branche durch die pandemiebedingten massiven Umsatzeinbrüche 36.000 Unternehmen allein in 2020 und 2021 verloren." Daten der statistischen Ämter bestätigen: Die Zahl der umsatzsteuerpflichtigen Gastro-Betriebe ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, wie die folgende Grafik zum Umschalten für die einzelnen Bundesländer im NDR Gebiet zeigt.
Um Restaurants und Kneipen während der Corona-Krise zu helfen, wurde die Mehrwertsteuer zum 1. Juli 2020 von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Dies soll nun wieder rückgängig gemacht werden. DEHOGA-Präsident Zöllick befürchetet in der Folge weitere Betriebsaufgaben und Insolvenzen. Dies sei auch für den Staat nicht angenehm, da die Steuereinnahmen dann insgesamt sinken würden und Menschen ihre Arbeit verlören, argumentiert er.
Mehrwertsteueranhebung soll Bundeshaushalt schonen
Im Juni hatten die Ampel-Fraktionen einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion für die Fortführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent in der Gastronomie über das Jahr 2023 hinaus abgelehnt. Die Abgeordneten der Koalition begründeten dies insbesondere mit den Folgen für den Bundeshaushalt. "Die Haushaltssituation ist aktuell sehr angespannt und jede einzelne Maßnahme muss daher in besonderem Maße auf ihre Dringlichkeit geprüft werden", sagte etwa Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Grünen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Inflation: Essen gehen wird für viele zum Luxus
Viele Mitglieder der #NDRfragt-Gemeinschaft sagen in der aktuellen Umfrage, dass es schwieriger für sie wird, sich einen Restaurantbesuch leisten zu können.
"Wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise wurden die Preise eh schon angehoben. Wenn nun 2024 die Mehrwertsteuer auch wieder angehoben wird, muss ich sehr genau kalkulieren." #NDRfragt-Mitglied Henning (36) aus Niedersachsen
Aber auch die Zukunft der Restaurants bereitet vielen von ihnen Kopfzerbrechen.
"Meine Sorge besteht darin, dass viele Gastronomen schließen könnten. Selbst mit der reduzierten Mehrwertsteuer läuft das Geschäft häufig nicht gut." #NDRfragt-Mitglied Kristof (33) aus Bremen
Aber es geht nicht nur um die Furcht vor der Mehrwertsteueranpassung. Laut der jüngsten Branchen-Umfrage leiden die Betriebe in ganz Deutschland laut Zöllick "nicht nur unter der Konsumzurückhaltung, sondern genauso wie ihre Gäste unter den weiter steigenden Kosten." Vor allem die erhöhten Preise für Waren, Energie und Personal machten der Branche zu schaffen.
Fachkräftemangel in der Gastronomie
Der Fachkräftemangel ist in der Gastronomie ein Problem. Ein Indikator dafür ist die sogenannte Vakanzzeit einer gemeldeten Stelle. Gemeint ist damit die Dauer vom gewünschten Besetzungstermin bis zur Abmeldung einer gemeldeten Arbeitsstelle durch den Arbeitgeber bei der Bundesagentur für Arbeit. Für Stellen als Koch oder Köchin beispielsweise liegt Hamburg aktuell zwar unter dem bundesweiten Durchschnitt aller Berufe, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen weisen aber deutlich höhere Vakanzzeiten auf.
"Es ist bekannt, dass es für unsere Betriebe auch schon vor der Krise immer schwieriger wurde, Fachkräfte und Auszubildende zu finden. Gründe sind insbesondere der demografische Wandel und die zunehmende Studierneigung junger Leute", meint Zöllick. Sicher ist aber auch: Nicht nur die Bewerberzahlen nehmen ab, auch die Anzahl der bei der Agentur für Arbeit gemeldeten Ausbildungsstellen sinkt stetig.
Die sinkende Zahl an Stellen folgt aber nicht einfach der sinkenden Zahl der Bewerber. Die Gründe seien vielfältiger, sagt Sandra Warden, Ausbildungsexpertin des DEHOGA: "Zum einen ist zu beobachten, dass die Anzahl der Betriebe auch schon vor der Corona-Krise langsam abnahm, vor allem in ländlichen Regionen. Hinzu kommt ein Strukturwandel in der Branche: Viele jüngere Konzepte setzen vermehrt auf angelernte Kräfte und sind weniger personalintensiv." Außerdem seien die fachlichen Ansprüche an Betriebe und Ausbilder gestiegen, aber auch die Erwartungen der Auszubildenden an ihre Ausbildung.