Ärger mit Rechnungen und Verträgen: Aus für Gratis-Beratung in SH
Seit Januar bietet die Verbraucherzentrale kostenlose Beratungen für Menschen mit wenig Geld an - zum Beispiel zu Handyverträgen. Doch das Projekt soll trotz großer Nachfrage nun enden.
Mit einer großen Tüte voller Vertragsunterlagen, Rechnungen, SIM-Karten sowie einem mobilen WLAN-Hotspot betritt Xenia (Name von der Redaktion geändert) die offene Sprechstunde der Verbraucherzentrale am Vinetaplatz in Kiel-Gaarden. Die Ukrainerin spricht kein deutsch und ist angesichts der hohen Beträge, die ein Mobilfunkanbieter von ihr haben möchte, verzweifelt. Xenia lebt seit etwa zwei Jahren in einer Kieler Unterkunft für Geflüchtete. Vor einigen Wochen, so erzählt sie, sei sie in die Innenstadt gefahren, um sich ein Handy zu kaufen.
Zwei Mobilfunkverträge abgeschlossen, ohne es zu wissen
In einem Mobilfunk-Geschäft in der Nähe des Kieler Hauptbahnhofs habe sie sich hauptsächlich durch Gesten mit dem Verkäufer verständigt, unter anderem habe sie auf ein Smartphone gezeigt. Im Geschäft habe Sie die Vertragsunterlagen unterschrieben - allerdings nicht für einen, sondern gleich für zwei Mobilfunkverträge. Und nun liegen alle Briefe des Anbieters auf dem Tisch von Tina Zymni, der Beraterin der Verbraucherzentrale. Die Rechnungen summieren sich auf mehrere hundert Euro. Zu viel für Xenia.
Hoher Beratungsbedarf bei Handyverträgen, Versandhandel und Energie
Von Januar bis September 2024 haben laut Verbraucherzentrale mehr als 6.200 Personen Angebote der Quartiersarbeit genutzt. Die Menschen kommen in die offenen Sprechstunden, die mindestens einmal wöchentlich in Kiel, Flensburg, Neumünster, Lübeck, Heide (Kreis Dithmarschen) und Norderstedt (Kreis Segeberg) stattfinden. Neben den Sprechstunden besteht die Quartiersarbeit auch aus Vorträgen und Workshops. Meist haben die Hilfesuchenden Probleme bei den Themen Mobilfunk, Online-Shopping und Energie wie Strom und Wärme, so Stephan Göhrmann, Sprecher der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.
Streichung der Förderung nach nur einem Jahr
Die Quartiersarbeit wurde erst Anfang dieses Jahres ins Leben gerufen, um Menschen in sozial benachteiligten Stadtvierteln ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zu machen. Das Geld dazu erhält die Verbraucherzentrale vom Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz. Es ist Teil einer 2,4 Millionen Euro-Förderung für die Verbraucherzentrale. Diese Maßnahme hatte die Landesregierung während der Energiekrise 2022 beschlossen. Doch am Jahresende endet die Förderung. Das Ministerium teilte auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein mit, dass das Projekt von vornherein bis zum 31.12.2024 befristet gewesen sei. Laut Verbraucherzentrale hat es aber vom Land bisher die Perspektive gegeben, die Quartiersarbeit langfristig zu etablieren. Und das sei auch wichtig, denn die Probleme der Menschen seien auch im nächsten Jahr nicht kleiner, so Stephan Göhrmann.
Ab 2025 keine Alternative zu bestehendem Angebot
Der Beratungsbedarf sei seit Beginn der Quartiersarbeit hoch, so Stephan Göhrmann, und sei auch mit steigender Bekanntheit, im Laufe des Jahres weiter gestiegen. Umso enttäuschter sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom plötzlichen Aus. Eine Fortsetzung der Quartiersarbeit ohne das zusätzliche Geld aus dem Ministerium sei für die Verbraucherzentrale nicht zu finanzieren. Wenn die offenen Sprechstunden Ende des Jahres wegfallen, sind persönliche Beratungen nur noch nach Vereinbarung in den Büros der Verbraucherzentrale in Kiel, Flensburg, Heide, Lübeck und Norderstedt möglich. Und das kostenpflichtig. Ein Beratungstermin kostet in der Regel 35 Euro.
Praktische Unterstützung beim Widerruf des Handyvertrags
Beraterin Tiny Zymni spricht oft mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, die wegen fehlender Deutschkenntnisse überteuerte Mobilfunkverträge unterschreiben. Die Verträge enthalten Leistungen, die die Kunden gar nicht brauchen. Dass eine Kundin allerdings, wie offenbar bei Xenia geschehen, in einem Beratungsgespräch dazu gebracht wird, gleich zwei voneinander unabhängige Handyverträge abzuschließen, ist für Zymni auch neu. Sie fotografiert die Briefe des Anbieters und bietet Xenia an, für sie ein Widerrufsschreiben aufzusetzen. Die Erfolgsaussichten seien nicht schlecht, so die Verbraucherschützerin. Wenn Mobilfunkanbieter Post von den Verbraucherzentralen bekämen, zeigten sie sich vielfach recht kulant.