Abschiebehaft Glückstadt: Bewohner haben keine Sozialberatung
Seit Jahresbeginn gibt es in der Abschiebehaft in Glückstadt aufgrund von Personalmangel keine Sozialberatung mehr. Laut Justizministerium finden derzeit erste Gespräche statt - doch ob und wie es mit der Sozialberatung weitergeht, ist aktuell unklar.
In dieser Geschichte gibt es derzeit eigentlich keine Gewinner. Nicht Fredrik Nedelmann von der ehrenamtlichen Besuchsgruppe der Abschiebehaft, der weiß, wie wichtig die Sozialberatung für die Menschen in der Unterkunft ist. Nicht Stefan Jasper, der die Glückstädter Abschiebehaft leitet und ebenso überzeugt ist von der Relevanz dieser Stelle. Auch nicht das Justizministerium, das den Rechtsanspruch auf Sozialberatung zwar gerne erfüllen würde - aber es derzeit nicht kann. Und erst recht nicht diejenigen, die derzeit in der Abschiebehafteinrichtung untergebracht sind und die ohne Sozialberatung nur schwer an rechtlichen Beistand oder Vertrauenspersonen kommen.
Sozialberatung unterstützt die Inhaftierten
Die Sozialberatung, da sind sich sowohl Helfer, Haftleiter als auch das Justizministerium einig, erfüllt zentrale Aufgaben in der Einrichtung - nämlich Erstgespräche, um den Inhaftierten zu erklären was Abschiebehaft überhaupt bedeutet, was die Gerichtsbeschlüsse beinhalten und was in Folge weiter passiert. Sie kümmert sich aber auch um Kontakt zu Anwälten, die in rechtlichen Fragen zu Aufenthalt und möglichen Perspektiven beraten. Aber sie unterstützt auch bei alltäglichen Bedarfen, beispielsweise wenn Kleidung oder bestimmte Lebensmittel benötigt werden.
Das alles wird geregelt durch ein Gesetz: Im Abschiebungshaftvollzugsgesetz in Schleswig-Holstein heißt es unter Paragraph 6, Abschnitt 2:
"Die Einrichtung gewährleistet den Zugang zu einer behördenunabhängigen Beratung durch eine einschlägig tätige Hilfs- und Unterstützungsorganisation. Die soziale Beratung wird im Rahmen des Haftvollzugs berücksichtigt. Sofern im Einzelfall erforderlich, umfasst dies auch eine Perspektivberatung für die Rückkehr in das Zielland." Abschiebungshaftvollzugsgesetz SH
Fachkräftemangel sorgt für Wegfall des Angebotes
Dieses Gesetz hat eine enorm wichtige Bedeutung, findet Fredrik Nedelmann von der Besuchsgruppe. Denn es belegt ihm zufolge den Rechtsanspruch auf Sozialberatung, den die Menschen in der Unterkunft haben - aber der seit Januar nicht mehr gegeben ist. Seit Januar gibt es keine Sozialberatung mehr, weil der bisherige Träger, die Diakonie, kein geeignetes Personal dafür findet - Fachkräftemangel. Fredrik Nedelmann hat für die Situation der Haftanstalt kein Verständnis. Er sagt: "Meines Erachtens ist die Sozialberatung rechtlich vorgeschrieben. Wenn die nicht gegeben ist, kann man diese Anstalt hier so nicht betreiben."
Tobias Berger leitet die Abteilung Justizvollzug im Justizministerium. Er sieht die Rechtslage anders. "Die von uns in der Vergangenheit finanzierte zusätzliche Sozialberatung geht über den Gestattungsanspruch im Gesetz hinaus. Insofern befinden wir uns nicht in einem rechtswidrigen Zustand." Sie hätten jedoch ein eigenes Interesse daran, diese behördenunabhängige Beratung wieder zu etablieren, um den Untergebrachten eine adäquate Beratung zur Seite stellen.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein widerspricht dieser Rechtsauffassung. Martin Link vom Flüchtlingsrat erklärt auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein, dass es sehr wohl einen Rechtsanspruch auf Sozialberatung gebe - und dieser auch schnellstmöglich wieder hergestellt werden solle.
"Jeder Tag ist super hart"
Fredrik Nedelmann besucht an diesem Vormittag einen Pakistani, der seit Mitte Dezember in der Abschiebehafteinrichtung untergebracht ist. "Dem geht es nicht gut", sagt Nedelmann. Es gebe einen Haftbeschluss bis Ende des Monats. "Jeder Tag, den man hier verbringt, ist super hart, weil man nicht weiß, was als nächstes passiert." Der Pakistani sei ein Beispiel dafür, wie schwer es ist, ohne eine Beratung klar zu kommen. Bis zu 42 Menschen können in Glückstadt untergebracht werden, insgesamt verbringen sie durchschnittlich 20 Tage bis zu ihrer Abschiebung.
Stefan Jasper, der Leiter der Hafteinrichtung, erklärt, dass das Vollzugspersonal versuche, die Aufgaben der Sozialberatung - so gut es eben gehe - abzudecken. Doch das sei mitunter schwierig, da insbesondere die Unabhängigkeit der Sozialberatung einen wichtigen Beitrag dahingehend leiste, dass sich die Bewohner auch trauen würden, sich zu öffnen. Er ergänzt: "Ich glaube tatsächlich, da wir nur eine kurze Belegungszeit haben, dass also diejenigen die jetzt hier sind, diesen Unterschied gar nicht feststellen. Die erleben den Status quo so, wie er ist."
Wann gibt es wieder eine Sozialberatung?
Laut Tobias Berger vom Justizministerium laufen derzeit erste Gespräche mit möglichen Trägern, die die Sozialberatung künftig fortführen. Namen könne er jedoch noch nicht nennen. Wann und wie es also mit der Sozialberatung in der Abschiebungshaft in Glückstadt weitergeht, das steht derzeit noch nicht fest.