Abschiebehaft Glückstadt: Bericht gibt Einblicke

Stand: 13.09.2024 16:51 Uhr

Haftraumbrände, mögliche Hungerstreiks, eine fehlende Sozialberatung und Personalmangel: Nachrichten über Missstände in der Einrichtung in Glückstadt gab es in der Vergangenheit viele. Jetzt gibt es einen neuen Bericht zur Situation.

von Marian Schäfer

Ein Bericht des Landesbeirats der Abschiebehaft fasst die Situation für die Jahre 2021 bis 2023 in Glückstadt zusammen. Der Beirat hat die Aufgabe, die Anstaltsleitung zu beraten und sich für die Interessen der Untergebrachten einzusetzen. Neben der Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen sind zum Beispiel auch Hilfsorganisationen sowie Kirchen und Religionsgemeinschaften darin vertreten.

520 Untergebrachte bis Ende 2023 - meist aus Hamburg

Laut Bericht waren in den drei Jahren 520 Menschen in der Abschiebehaft untergebracht. Die jüngste Person war demnach 17 Jahre alt, die älteste 61 - am häufigsten waren die Menschen zwischen 20 und 39 Jahre alt. Etwas mehr als die Hälfte aller Untergebrachten stammten aus Algerien, Albanien, der Türkei, Georgien, Afghanistan, Syrien und Polen.

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Eine Betonmauer grenzt mehrere Gebäude auf dem Kasernengelände voneinander ab. © NDR Foto: Laura Albus

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Während Schleswig-Holstein in 143 Fällen die Abschiebehaft nutzte, wurden 257 Menschen und damit knapp 50 Prozent aller Fälle allein aus Hamburg nach Glückstadt geschickt. Daneben nutzt auch Mecklenburg-Vorpommern die Einrichtung. Von dort stammt auch der Untergebrachte mit der längsten Haftdauer: 114 Tage. Im Schnitt verbringen die Menschen 17,7 Tage in Glückstadt.

Ein eigener Raum, kein eigenes Handy

Der Landesbeirat beschreibt in seinem Bericht auch die Haftbedingungen. Demnach verfügt jeder Untergebrachte über einen eigenen, von innen abschließbaren und mit einem Fernseher ausgestatteten Raum. Es gibt Küchen, in denen gekocht werden kann, sowie Räume mit Computern mit Internetzugang.

Ein eigenes Handy dürfen Untergebrachte seit Ende 2023 nicht mehr nutzen, auch der Besitz von Bargeld ist nicht erlaubt. Einen Kiosk, der in der Einrichtung geplant war, gibt es laut Beiratsbericht nicht. Wenn es die Personalsituation erlaubt, können die Menschen nach draußen auf ein Freigelände.

Beispiele, in denen der Beirat interveniert hat

Der Beiratsbericht beschreibt zudem exemplarisch, in welchen Fällen Untergebrachte sich an das Gremium wandten. So bat ein Mann, der unter anderem unter Depressionen litt, um externe Hilfe, da er sich mit der internen Psychotherapeuthin nicht wohlfühlte - die Anstaltsleitung lehnte ab.

Ein anderes Mal beschwerten sich Männer darüber, einen elektrischen Rasierer gemeinschaftlich nutzen zu müssen - danach wurde dem Bericht zufolge Desinfektionsmittel bereitgestellt. Auch in einem Fall, bei dem ein Mann jeden Morgen seine Schilddrüsenmedikamente aus einem anderen Gebäude (inklusive aufwendiger Durchsuchung) holen musste, intervenierte der Beirat.

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Auslastung "massiv" gesteigert - trotz Personalproblemen

Der Beirat spricht in dem Bericht davon, dass ab 2023 die Auslastung der Haftanstalt "massiv gesteigert" worden sei. Gleichzeitig nennt er den Personalmangel als Problem, der zum Beispiel dazu führe, dass die Menschen nur eingeschränkt ins Freie könnten. Unter den Angestellten herrsche eine hohe Fluktuation, in der Einrichtung arbeiteten viele jüngere Menschen und wenige Erfahrene - aus Sicht des Beirates "ungünstig".

Beate Raudies (SPD) lächelt in die Kamera.
SPD-Landtagsabgeordnete und Beiratsmitglied Beate Raudies sieht den Personalmangel als größtes Problem.

Als "äußerst problematisch" bezeichnet das Gremium die lange fehlende Sozialberatung - seit Mai dieses Jahres gibt es diese wieder. Desweiteren mahnt das Gremium mehr Angebote der Freizeitgestaltung und Sport sowie die Möglichkeit an, eigene Handys nutzen zu können. Zudem: Mehr medizinische, psychosoziale und psychotherapeutische Hilfe.

Einrichtungsgegnerin: "Massive psychische Belastung"

Für Beate Raudies, SPD-Landtagsabgeordnete und Beiratsmitglied, stellt der Personalmangel das größte Problem dar.

"Wir sehen, dass Befürchtungen, die anfangs geäußert wurden, eintreten: Es ist schwierig, Personal zu finden, auch weil die Lage der Einrichtung schwierig ist." Beate Raudies, SPD-Landtagsabgeordnete und Beiratsmitglied

Der Mangel führe dazu, dass Untergebrachte zum Beispiel nicht ins Freie dürften oder gar in ihren Räumen eingesperrt würden.

Davon berichtet auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein auch eine Sprecherin der "Besuchsgruppe Abschiebehaft Glückstadt", die die Einrichtung ablehnt. "Wir sehen, dass immer mehr Menschen in die Einrichtung kommen, die aufgrund eines vorgeschobenen oder tatsächlichen Personalmangels nicht ins Freie dürfen oder eingesperrt werden", so die Sprecherin. "Das ist eine massive zusätzliche psychische Belastung für die Menschen."

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SSW: "Konzept ist gescheitert"

SSW-Fraktionschef Lars Harms beschäftigt sich schon länger mit der Situation in der Abschiebehaft. Er erinnerte an das eigentliche "Wohnen minus Freiheit"-Konzept der Einrichtung: "Die Idee war ja, dass diese Einrichtung dafür genutzt wird, Menschen human ausreisen zu lassen, sie quasi gemütlich auf den Flieger warten zu lassen", so Harms. "Man kann sagen, dass dieses Konzept völlig gescheitert ist."

Das zuständige Justizministerium äußerte sich auf NDR Anfrage nicht. Ein Sprecher verwies auf eine Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des Landtages im Oktober, in der Staatssekretär Otto Carstens (CDU) Stellung nehmen werde.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 13.09.2024 | 17:00 Uhr

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