75.000 verwilderte Katzen in SH: Kastrieren oder töten?
NDR Berichte über mehr als 2.500 erschossene Katzen in Schleswig-Holstein haben emotionale Debatten ausgelöst - bis hinein in die Landespolitik. Alternativen zum Abschuss gäbe es, sagen die Jäger.
Die Kommentarspalten in Sozialen Medien quillen über, eine Online-Petition sammelt zehntausende Unterschriften und auch die Landespolitik beschäftigt sich mit dem Thema: NDR Berichte über mehr als 2.500 von Jägerinnen und Jägern erlegte Katzen in Schleswig-Holstein haben hohe Wellen geschlagen. Teilweise habe die Debatte deutlich Grenzen überschritten, berichtet der Landesjagdverband (LJV). Mitarbeitende seien massiv persönlich bedroht worden.
Eine Seite der Diskutierenden verweist auf etwa 75.000 frei lebende Katzen im Land, die zum Beispiel bedrohte Vogelarten töten. Auf der anderen Seite erinnern sich Menschen an Hauskatzen, die erschossen wurden. Dass es Jägern gesetzlich erlaubt ist, diese zu erschießen, wenn sie mehr als 200 Meter vom nächsten Wohnhaus entfernt sind, ist in ihren Augen grausam.
Umweltausschuss diskutiert über Abschuss-Verbot von Katzen
Aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums gibt es keinen Anlass, das Landesjagdgesetz zu ändern. Das Töten von Katzen diene dem Ziel, "unsere wildlebenden Tiere, insbesondere Jungtiere und Vögel, vor allem Bodenbrüter, vor streunenden Katzen zu schützen", sagt Minister Werner Schwarz (CDU). Die Jägerschaft gehe sehr besonnen mit dieser Option um.
Auf Antrag der SPD, der größten Oppositionsfraktion im Landtag, war im Dezember im Umwelt- und Agrarausschuss über ein mögliches Verbot der Katzen-Jagd diskutiert worden. Dort kündigte die SPD bereits an, es nicht bei dieser Diskussion belassen zu wollen. Das Thema berühre zu viele Menschen emotional, als dass man nun einfach wieder zur Tagesordnung übergehen könne.
Kastration die wichtigste Alternative zum Erlegen der Katzen?
Sollte es tatsächlich zu einem Verbot kommen - so wie es beispielsweise in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen schon passiert ist -, müssten gleichzeitig auch Alternativen zum Erlegen von Katzen beschlossen werden. Denn logischerweise wächst die Katzenpopulation im Land schneller, wenn keine Tiere mehr geschossen werden.
Der Politik lägen "seit langer Zeit" Vorschläge vor, sagt Wulf-Heiner Kummetz aus der Geschäftsstelle des LJV. Die wichtigste - und wohl auch am leichtesten umsetzbare - Option sei eine Ausweitung der Kastrations-Aktionen von Katzen. Aktuell gibt es jedes Jahr zwei größere Aktionen dieser Art, finanziert unter anderem vom Tierschutzbund und dem Land.
Laut Landwirtschaftsministerium konnten so in diesem Jahr 1.895 wildlebende Katzen kastriert werden. Laut Kummetz ist das bei 75.000 verwilderten Katzen im Land aber "nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein".
Um einen messbaren Effekt für den Artenschutz zu erzielen, brauche es deutlich mehr Kastrationen und dafür auch eine deutlich größere finanzielle Unterstützung vom Land, so Kummetz. Im Jahr 2024 hat das Land nach eigenen Angaben 110.000 Euro beigesteuert.
Kommt die Kastrationspflicht für alle Katzen?
Der zweite Vorschlag der Jäger: eine Kastrationspflicht für alle von Menschen gehaltenen Katzen, die nicht ausschließlich im Haus leben. So könnten nicht nur die heimischen Arten geschützt, sondern auch die Tierheime entlastet werden, da weniger Katzen-Babys dorthin gebracht würden.
Die Vorsitzende des Landestierschutzverbands Schleswig-Holstein, Katharina Erdmann, unterstützt den Vorschlag. Die Kastrationspflicht sei "dringend notwendig, sofort. Denn die Wirkung wäre erst langfristig bemerkbar, wenn Teile des sonst ausufernden Nachwuchses ausbleiben", sagt Erdmann.
Eine solche Pflicht könnte das Land über das Tierschutzgesetz landesweit einführen. Das Landwirtschaftsministerium fordert jedoch eine bundesweit einheitliche Regelung - und hat die Entscheidung über eine Kastrationspflicht in die Hände der Kommunen gelegt. So könne auf unterschiedlich große Katzenpopulationen regional unterschiedlich reagiert werden, so das Ministerium.
Erste Kommunen nehmen Katzenhaltende in die Pflicht
Bisher haben laut dem Landesverband Schleswig-Holstein des Deutschen Tierschutzbunds vier Kommunen eine Kastrations- und Registrierungspflicht für Katzen eingeführt. Neben den Städten Mölln und Ratzeburg (beide Kreis Herzogtum Lauenburg) und dem Amt Nordsee-Treene (Kreis Nordfriesland) hat in diesem Jahr auch die Stadt Itzehoe (Kreis Steinburg) nachgezogen.
In Itzehoe gibt es laut der Vorsitzenden des Tierschutzbunds, Ellen Kloth, eine entscheidende Neuerung: "Hier gilt es als Ordnungswidrigkeit, wenn eine Katze nicht registriert oder kastriert wird. Das war bei den anderen Kommunen nicht so. Bei einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro überlegt man sich das schon zweimal, ob man das nicht vielleicht doch besser machen lässt."
Ein Sprecher der Stadt Itzehoe erklärte, dass die örtliche Tierschutzverordnung von den städtischen Außendienstmitarbeitern bei Auffälligkeiten vor Ort kontrolliert werde. Belegbare Zahlen, wie sich die Katzenpopulationen in den Kommunen entwickeln haben, gibt es laut Kloth noch nicht.
Tierschutzbund kritisiert "Flickenteppich" in Schleswig-Holstein
Weitere Vorschläge des LJV umfassen unter anderem einen sogenannten Sachkundenachweis, also eine Art "Katzenführerschein". Außerdem bringt der LJV ein "Verbot des Freigangs von Hauskatzen in der Brut- und Aufzuchtzeit von Singvögeln" ins Spiel. Diesen Vorschlag sieht Katharina Erdmann vom Landestierschutzverband eher kritisch. "Stellen Sie sich mal vor, dass diese Millionen an Katzen, die wir in Deutschland haben, alle im Haus bleiben müssten. Das würde zum ein oder anderen Konflikt führen und wahrscheinlich wieder mehr Katzen in Tierheimen."
Ein schnelles Verbot des Abschusses von Katzen scheint aktuell nicht wahrscheinlich. Alternativen setzen aktuell nur wenige Kommunen in Schleswig-Holstein um. "Und so ist das ein Flickenteppich", sagt Ellen Kloth vom Landesverband des Deutschen Tierschutzbunds. Die politischen Diskussionen dazu werden im neuen Jahr weitergehen.