Mojib Latif, Meteorologe, Ozeanograph, Klimaforscher und Hochschullehrer, bei einem Fototermin in der Akademie der Wissenschaften. © Christian Charisius / dpa Foto: Christian Charisius / dpa

70. Geburtstag von Mojib Latif: "Ich kann noch etwas bewegen"

Stand: 29.09.2024 06:00 Uhr

Anlässlich seines 70. Geburtstages erklärt der Kieler Klimaforscher Mojib Latif, wieso sich die Gesellschaft seiner Meinung nach so schwer tut mit dem Klimawandel - und das seit Jahrzehnten.

von Lisa Pandelaki

Er war einer der Ersten, der vor den Folgen des Klimawandels gewarnt hat: Seit 40 Jahren klärt Mojib Latif deutschlandweit über Klimathemen auf. Der Kieler Klimaforscher veröffentlicht Texte, schreibt Bücher, gibt Interviews und spricht auf Veranstaltungen. Seine Gabe, auch komplizierte Sachverhalte einfach und verständlich darzustellen, macht den Mann, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, zu einem beliebten Gesprächspartner.

Latifs Präsenz in den Medien füllt einen großen Teil seines Alltags aus - neben seiner Arbeit als Professor und Wissenschaftler an verschiedenen Hochschulen und Instituten. Wieder und wieder warnt er, versucht aufzuklären und bezieht Position. Ist er nach Jahrzehnten, in denen sich so wenig getan hat, nicht müde?

Trotz wenig Wirkung, ist Latif nicht verbittert

"Was wir erreicht haben, ist auf jeden Fall, dass das Thema präsent ist, in der Öffentlichkeit und der Politik", lenkt der Präsident der Akademie der Wissenschaften Hamburg den Blick auf den positiven Effekt der jahrelangen Bemühungen der Wissenschaft. Um aufzugeben, sei das Thema einfach auch viel zu wichtig: "Ich habe das Gefühl, dass man es nicht oft genug sagen kann."

Den Blick vor der Realität verschließt Latif trotzdem nicht. In den vergangenen Jahrzehnten sei der Ausstoß von Treibgasen praktisch explodiert, trotz all der Klimakonferenzen. "Dass nichts passiert, liegt jetzt nicht notwendigerweise an der Kommunikation, sondern an den gesellschaftlichen Verhältnissen, daran, ob man wirklich bereit ist, systemische Veränderungen vorzunehmen oder nicht."

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"Ich wünsche mir, dass die Welt irgendwann verstanden hat"

Sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und seine wissenschaftliche Arbeit niederzulegen, liegt Latif deshalb auch nach all den Jahren fern. "Ich hab schon ziemlich viele Termine. Und meine Frau sagt mir dann schon hin und wieder: 'Mensch, Du bist im Rentenalter und kannst es ein bisschen ruhiger angehen lassen.' Aber ich bin einfach nicht der Typ dafür." Sein Beruf sei sein Hobby, sagt Latif.

Es bringe so viel Spaß, der Natur ihre Geheimnisse zu entlocken, das könne man gar nicht sein lassen, verrät er. Außerdem hat der Mann, der am 29. September 1954 in Hamburg geboren wurde, ein Ziel: "Ich wünsche mir, dass die Welt dann irgendwann verstanden hat, die Vorteile sieht einer globalen Energiewende. Und dann, glaube ich, wäre ich sehr zufrieden."

Zuletzt bekam Latif den Verdienstorden der Bundesrepublik

Bis es so weit ist, macht er weiter, was er so gut kann. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist 27 Seiten lang, 16 Auszeichnungen hat er bis jetzt erhalten, zuletzt den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Für das Erklären habe er sicher auch ein Stück weit ein Talent, sagt Latif. Doch vieles habe er auch im Umgang mit den Medien gelernt. Zum Beispiel Begriffe, die er immer wieder erklären muss, einfach wegzulassen.

Und auch privat versucht Latif, mit gutem Beispiel voranzugehen. Obwohl er immer wieder zwischen Kiel und Hamburg pendeln muss, lässt er das Auto, wann immer es geht, stehen. Nur rund 5.000 Kilometer Strecke lege er pro Jahr mit dem Pkw zurück. Außerdem habe er sich ein E-Auto zugelegt, sagt der Wissenschaftler.

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Das Geburtstagskind ist kein dogmatischer Prediger

Er ist sich darüber im Klaren, dass das nicht für jeden möglich ist. Latifs Charme besteht auch darin, dass er kein dogmatischer Prediger in seiner Sache ist. "Ich bin Wissenschaftler, kein Aktivist", fasst er seine Rolle zusammen. Irgendwelche Empfehlungen abzugeben, was jeder Einzelne zu tun und zu lassen habe, um das Klima zu retten, will er nicht.

Zu unterschiedlich sind die Lebensumstände jedes Einzelnen, um sie auf die gleichen Handlungsanweisungen runterbrechen zu können. "Wir können nur informieren, dass wir ein Problem haben, dass die Treibhausgase runter müssen. Aber dann muss es die Gesellschaft entscheiden, wie sie damit umgeht", sagt Latif.

Menschen seien Gewohnheitstiere, sagt Mojib Latif

Was steht seiner Meinung nach im Wege, um in Sachen Klimawandel vom Reden ins Machen zu kommen? "Das Eine ist natürlich die Bequemlichkeit. Wir müssen uns ja in irgendeiner Art und Weise verändern, in ganz unterschiedlicher Hinsicht" - beispielsweise Energie anders zu erzeugen. Zudem seien Menschen Gewohnheitstiere, für die Veränderung erst einmal etwas Schlimmes sei. "Und dann ist eben die große Gefahr, dass bestimmte Interessengruppen es nicht wollen und Fehlinformationen in die Welt bringen. Das verunsichert natürlich auch eine Gesellschaft."

Mojib Latif, Meteorologe, Ozeanograph, Klimaforscher und Hochschullehrer, bei einem Fototermin in der Akademie der Wissenschaften. © Christian Charisius / dpa Foto: Christian Charisius / dpa
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Beschimpfungen nehmen zu - vor allem via Internet

Ganz persönlich merke er das dann an dem Druck, der auf ihn und seine Kollegen zunehme, sagt Latif. Waren es früher nur einzelne Briefe, in denen er beschimpft wurde, ist die Flut nicht zuletzt durch die Möglichkeiten des Internets stark gestiegen. Auch Rassismus sieht er sich immer mehr ausgesetzt. Seine Strategie damit umzugehen: einfach ignorieren. "Wie soll ich sagen? Die sind nicht satisfaktionsfähig", ist er sich sicher.

"Ich sehe noch gar keinen Grund, in den Ruhestand zu gehen"

Mojib Latif konzentriert sich lieber auf die schönen Seiten seiner Arbeit. Er schreibe gerne Bücher und komme mit sehr vielen interessanten Menschen zusammen. "Ich hab immer noch das Gefühl, dass ich noch etwas bewegen kann. Und so lange ich das Gefühl habe, dass das möglich ist, sehe ich noch gar keinen Grund, in den Ruhestand zu gehen."

Der 70. Geburtstag sei für ihn in diesem Zusammenhang einfach eine Zahl, der er keine große Bedeutung beimisst. Essen gehen wolle er mit seiner Frau. Und Kuchen essen, am liebsten irgendwas mit Frucht. Aber dann wird er sich wieder seinem Hobby zuwenden, seiner Arbeit, seiner Berufung. In der Hoffnung, dass wir als Gesellschaft doch noch irgendwie die Kurve kriegen.

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Schleswig-Holstein Magazin | 29.09.2024 | 19:30 Uhr

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