110-Notrufe im Norden können nicht geortet werden
Wer im Norden den Polizei-Notruf 110 wählt, kann nicht auf den Meter genau geortet werden. Das hat das schleswig-holsteinische Innenministerium auf Nachfrage des SPD-Politikers Niclas Dürbrook bestätigt. Dabei ist das technisch möglich.
Es klingt wie eine Posse, dabei ist das Thema ernst zu nehmende Realität. Wer in Not gerät und die Polizei anruft, kann sich nicht darauf verlassen, dass die Beamten auch genau wissen, wo derjenige gerade steckt. Anders ist das bei der Feuerwehr: Der Notruf über die 112 kann zurückverfolgt werden - metergenau per GPS. Ein Umstand der den SPD-Innenpolitiker Niclas Dürbrook, der im schleswig-holsteinischen Landtag sitzt, ratlos zurücklässt. "Ich habe Hinweise darauf, dass das im Einzelfall zu Problemen geführt hat, weil das lange Suchaktionen zum Beispiel nach sich gezogen hat", erklärt Dürbrook NDR Schleswig-Holstein. Diese Hinweise hat der Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Ostholstein zum Anlass genommen, beim Innenministerium nachzufragen. Und tatsächlich: Aktuell dürfen Polizeinotrufe nicht exakt geortet werden. Der Grund ist ein juristischer.
Innenministerium: Notruf-Server befindet sich in Baden-Württemberg
Hintergrund für die rechtlichen Probleme: Der sogenannte zentrale AML-Server (Advanced Mobile Location), der die Position eines Anrufers beim Notruf bestimmen kann, steht laut Innenministerium in Baden-Württemberg. Es sei der einzige in Deutschland. Die entsprechenden Daten dürften aufgrund der Rechtslage in dem Bundesland allerdings nicht weitergegeben werden. Die föderale Struktur Deutschlands sei hier zurzeit aus rechtlichen Gründen hinderlich, so das Innenministerium in Kiel. Heißt also: Um die Standort-Daten übermitteln zu dürfen, müsste das Polizeigesetz von Baden-Württemberg geändert werden. Zuerst hatten die Lübecker Nachrichten über das Thema berichtet.
Gewerkschaft der Polizei: Föderales Absurdistan
Kopfschütteln auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Torsten Jäger spricht im Interview mit NDR Schleswig-Holstein von einem "föderalen Absurdistan". Zum Teil würden die Kollegen in der Leitstelle die Anrufenden bitten, noch einmal den Feuerwehrnotruf 112 zu wählen, damit sie geortet werden können. Denn hier sei das rechtlich und technisch möglich. Dabei gehe im Notfall, beispielsweise bei Vermisstenfällen, wertvolle Zeit verloren, so Jäger. Während die Feuerwehrnotrufe per Satellit sehr präzise lokalisiert werden könnten, funktioniere das bei Polizeinotrufen nur unzureichend über die Entfernungen zu den nächsten Funkmasten.
Sütterlin-Waack: Bei Gefahr für Leib und Leben kann die Polizei Mobiltelefon orten
"Das verstehen wir nicht und fordern, das entsprechende Gesetz schnellstmöglich zu korrigieren", so der GdP-Landeschef. Denn oft wüssten Anrufende im Notfall gar nicht genau, wo sie sich gerade befänden. Auch der SPD-Innenpolitiker Dürbrook fordert Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) auf, mit ihrem Amtskollegen in Baden-Württemberg eine unverzügliche Lösung zu finden. "Wir bemühen uns, eine Lösung für die Landespolizei Schleswig-Holstein zu finden, um den Bürgerinnen und Bürgern in Notsituationen schnellstmöglich helfen zu können", sagt die Ministerin dazu. Man müsse jedoch unterscheiden, ob es sich um die Ortung eines Notrufes über die 110 oder ob es sich um die Ortung eines Mobiltelefons bei Gefahr für Leib und Leben handele. "Wenn es um eine konkrete Gefahr für Leib und Leben geht, kann die Polizei natürlich auch jetzt schon das Mobiltelefon orten, um schnellstmögliche Hilfe zu entsenden", so Sütterlin-Waack.