Levi Kaps bei der Geschlechtseintrag-Änderung im Standesamt © NDR Foto: Maya Rollberg

Viele Vorab-Anmeldungen für geänderten Geschlechtseintrag

Stand: 18.10.2024 12:50 Uhr

Das neue Selbstbestimmungsgesetz gilt ab November. Damit soll es ganz einfach werden, den Geschlechtseintrag und den Vornamen auf Wunsch zu ändern. Schon jetzt gibt es in Niedersachsen viele Anmeldungen.

von Maya Rollberg

Das Geschlecht im Reisepass ganz einfach ändern, das wird ab November durch das neue Selbstbestimmungsgesetz möglich. Alles, was es braucht, sind eine schriftliche oder persönliche Anmeldung beim Standesamt. Seit August ist eine solche Anmeldung möglich. Schon jetzt zeigt sich: Das neue Gesetz hat viele dazu bewegt, den Geschlechtseintrag im Reisepass ändern zu lassen. So auch Levi Kaps, aus dem katholisch geprägten Lingen im Emsland. Levi, der früher Yasmin hieß, möchte seinen Eintrag in "divers" ändern lassen.

Zahlreiche Anmeldungen seit August

Karte zur Anzahl der Geschlechtsänderungen in Niedersachsen (Stand: September 2024) © NDR
So viele Anmeldungen auf einen geänderten Geschlechtseintrag gab es in einzelnen Kommunen.

"Für mich war es der Anstoß, mit meiner Identität nach außen zu gehen und zu sagen: Das bin ich." Der 31-jährige Levi, der als Bestatter arbeitet, hat sich direkt im August zur Anmeldung entschlossen. Damit ist Levi kein Einzelfall: Bislang sind allein in Hannover 229 Anmeldungen eingegangen. In Oldenburg sind es 120 Anmeldungen, in Lüneburg 29. Zum Vergleich: Dort gab es mit der alten Gesetzgebung im vergangenen Jahr nur zwei Anträge, um das eingetragene Geschlecht in männlich, weiblich oder divers zu ändern. Das betrifft nicht nur die größeren Städte: Auch in Norden in Ostfriesland gab es schon sechs Anmeldungen, in Meppen (Emsland) mit seinen rund 35.000 Einwohnern immerhin schon drei.  

Noch Unklarheiten bei den Standesämtern

Dennoch herrscht auch noch Verunsicherung: Denn prompt nach der Ankündigung des Gesetzes im April hatte das Bundesinnenministerium den Standesämtern zusätzliche Vorgaben gemacht. Die neu gewählten Vornamen sollten klar einem Geschlecht zuzuordnen sein. Eine nun als Frau eingetragene Person kann also ihren alten Vornamen, der im Zweifelsfall klassisch männlich klingt, wie zum Beispiel Ludger, nicht behalten. Auch bei Geschlechtseintrag "divers" ist es kompliziert: Was sind eindeutig diverse Vornamen?

Wahl der Vornamen eingeschränkt

Außerdem hatte das Ministerium anfangs vorgegeben, dass die Anzahl der Vornamen gleichbleiben muss. Beispiel: Ein "Hans-Georg" sollte nach Ummeldung auch mindestens eine "Anne-Marie" werden. Diese Vorgabe wurde Ende August aber wieder zurückgezogen. Dennoch setzen die Standesämter dies bis heute teilweise unterschiedlich um. Inzwischen gibt es eine Liste von Standesämtern, in denen die Anmeldungen von einfach bis schwierig klassifiziert wurden.

Bundesministerium aktualisiert laufend

Laut Bundesfamilienministerium wird es noch vor Inkrafttreten des Gesetzes im November eine weitere Aktualisierung der ungeklärten Fragen geben. Bis zuletzt jedoch waren die Standesämter vielerorts nicht geschult und deshalb unvorbereitet im Umgang mit den Anmeldungen. Das habe viele Personen verunsichert, berichtet Madou Klaes vom Queer-Beirat aus Osnabrück, wo es beim Standesamt bereits 45 Anmeldungen gibt.

Verunsicherung bei Betroffenen

Portrait von Levi Kaps © Levi Kaps
Levi Kaps (31) aus Lingen gibt das neue Gesetz Mut für ein selbstbestimmtes Leben.

Bis das Gesetz also in Kraft tritt, könnte sich seitens der Standesämter noch etwas tun. Bis heute gibt es Hürden, die für Betroffene unangenehm sein können. Zwar herrscht somit bisweilen noch Verunsicherung, aber die hohen Anmeldezahlen zeigen, wie wichtig das neue Selbstbestimmungsgesetz für viele Menschen ist.

Levi Kaps aus Lingen sieht sich durch die neue Rechtslage ermutigt. Die Anmeldung sei - trotz kurzer Verunsicherung bei der Wahl der Vornamen - unkompliziert gewesen. "Es braucht nur dich selbst, den Pass und eine Vorstellung, welche Namen du tragen willst", sagt Levi. Eine Erleichterung für die bundesweit geschätzt 50.000 Personen, die sich seit August zur Anmeldung entschieden haben.

Bisherige Gesetzeslage

Zuvor regelte das sogenannte Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 die Möglichkeit für die Änderung von Geschlechtseinträgen. Es stand lange in der Kritik, weil das Geschlecht erst nach psychologischen Gutachten und gerichtlichen Entscheidungen offiziell geändert werden durfte - ein für viele einschüchterndes, langwieriges und kostspieliges Verfahren, das ab November der Vergangenheit angehört.

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