Rosatom-Einstieg in Lingen? Ex-Chef von ukrainischem AKW warnt
Der Ex-Chef des ukrainischen AKW Saporischschja warnt vor einer Kooperation zwischen der Brennelementefabrik Framatome in Lingen und dem russischen Staatskonzern Rosatom.
In einem von der Anti-Atom-Initiative "ausgestrahlt" verbreiteten Statement schildert Oleg Dudar, wie sich Rosatom an der militärischen Eroberung und Besetzung des AKW Saporischschja beteiligte habe. Dudar war Angaben der Initiative zufolge bis März 2023 technischer Leiter des Atomkraftwerks. Demnach half Rosatom unter anderem dabei, das AKW zu verminen und Mitarbeitende zu foltern. Zudem schildert Dudar, wie der russische Konzern bis heute eng mit Geheimdienst und Armee in Russland zusammenarbeite. Dudar lebe aktuell in Deutschland im Exil. Er könne aber nicht persönlich am Erörterungstermin teilnehmen, hieß es seitens der Anti-Atom-Initiative.
Umweltministerium entscheidet über Genehmigung
Bei dem bis Freitag angesetzten Erörterungstermin mit dem Umweltministerium sollen die Bedenken von Kritikerinnen und Kritikern ausführlich diskutiert werden. Danach will das Ministerium entscheiden, ob die Pläne für die Lingener Fabrik genehmigt werden. Wann genau die Entscheidung fallen soll, ist unklar.
ANF: Kooperation mit amerikanischem Hersteller keine Option
Zum Start des Erörterungstermin am Mittwoch, an dem laut Ministerium 280 Bürgerinnen und Bürger teilnahmen, legte die Tochterfirma von Framatome in Lingen, Advanced Nuclear Fuels (ANF), erste Antworten vor. Den Kritikern zufolge waren diese ausweichend und unzureichend. "Besonders unbefriedigend ist, dass überhaupt nicht ausreichend im Detail geantwortet wird", sagte Bettina Ackermann von "ausgestrahlt" dem NDR Niedersachsen. "Die Kooperation mit Rosatom steht im Vordergrund. Alternativen werden nicht in Betracht gezogen." Eine Kooperation von ANF mit einem amerikanischen Hersteller, der ebenfalls die sechseckigen Brennelemente produziert, die für Atomkraftwerke russischer Bauwerke benötigt werden, ist laut der Firma keine Option. Die alternativen Brennelemente würden nicht genau passen, lautete die Begründung des französischen Konzerns.
Welche Sicherheitsmaßnahmen sollen mit Rosatom bestehen?
Zudem gab ANF am Mittwoch keine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn die Lizenzen zur Produktion für die Brennelemente von russischer Seite auslaufen oder nicht mehr verlängert werden. Ein solches Szenario sei "Teil des betriebswirtschaftlichen Risikos", hieß es vom Unternehmen. Am Donnerstag wurde vor allem darüber diskutiert, welche Sicherheitsmaßnahmen für eine mögliche Kooperation mit Rosatom bestehen sollten.
11.000 Einwendungen gegen Zusammenarbeit
Die Kritiker befürchten Spionage und Sabotage im europäischen Energienetz. Um Brennelemente für russische Atomkraftwerke herstellen zu können, will Framatome mit dem russischen Staatskonzern Rosatom kooperieren. In einem Joint Venture will der französische Konzern Mitarbeiter und Bauteile des russischen Staatskonzerns Rosatom an den Standort seines Tochterunternehmens Advanced Nuclear Fuels (ANF) holen. Das bereitet Kritikern Sorge, weil der Konzern dem Kreml direkt unterstellt ist und sich auch aktiv am Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Die niedersächsische Landesregierung hatte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Unterlagen der Planungen in Lingen öffentlich auslegen lassen. Dagegen sind rund 11.000 Einwendungen eingegangen.
Umweltminister teilt Sicherheitsbedenken der Kritiker
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) teilt die Sicherheitsbedenken der Kritikerinnen und Kritiker. Eine solche Kooperation sei unverständlich, sagte er gegenüber NDR Info am Mittwoch. "Geschäfte mit dem Kriegstreiber Putin sollten generell und gerade auch im sensiblen Atomsektor nicht gemacht werden", betonte Meyer. Es sei naiv zu glauben, Putin wolle der ANF über die enge Kooperation mit Rosatom lediglich helfen, osteuropäische Staaten unabhängig von Russland zu machen. "Wir stehen klar auf der Seite der Ukraine und sollten nichts tun, was Russlands Einfluss in Europas Energiesektor erhöht", so der Umweltminister.
Fabrik in Lingen nach Atomausstieg nicht mehr ausgelastet?
Bisher werden in Lingen nur die viereckigen Brennelemente für Atomkraftwerke in Westeuropa produziert. Nachdem Deutschland im April vergangenen Jahres seine letzten Atomkraftwerke (AKW) vom Netz genommen hatte, sei die Produktion in Lingen nicht mehr ausgelastet, sagen Kritiker der Brennelementefabrik. Auch deshalb wolle der Betreiber Brennstäbe nach sowjetischer Bauart produzieren. Wie Fabrik-Geschäftsführer Andreas Hoff mitteilte, könnte eine zusätzliche Produktion von sechseckigen Brennelementen für osteuropäische Atomkraftwerke - wie sie zum Beispiel in der Ukraine oder in Finnland stehen - mehr Unabhängigkeit von russischer Produktion bedeuten.