Rassistische Chats: Schlappe für Polizei - Beamte dürfen bleiben
Vor vier Jahren waren mehrere Beamte der Polizeidirektion Osnabrück aufgeflogen, die sich rassistische "Witze" zugeschickt hatten. Die Behörde ist bisher gescheitert, sie aus dem Dienst zu klagen.
Es sind ungewöhnlich deutliche Worte, die das Landgericht Osnabrück findet. Nicht für den angeklagten Polizeihauptkommissar, sondern für die Polizeidirektion Osnabrück, die den Mann seit vier Jahren aus dem Dienst haben will. Der Angeklagte sei "gesundheitlich ruiniert", so das Gericht, die Verfehlungen "künstlich aufgebauscht". Es heißt: "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit scheint den Entscheidungsträgern der Polizeidirektion Osnabrück letztlich aus dem Blick geraten zu sein." Das schriftliche Urteil vom April liegt dem NDR Niedersachsen vor.
Suspendierter Polizeihauptkommissar galt als zuverlässig
Es geht um einen heute 58-jährigen Polizeibeamten, der heute - so attestiert es das Gericht - ein gebrochener Mann ist. Er arbeitete in der Fahndung und als Drogenermittler, galt als zuverlässig und war gut beleumundet. Bis seine Kommunikation mit Kollegen durch einen Zufall aufflog und sichtbar wurde, was sonst nur Sender und Empfänger sehen konnten.
Gegenseitig rassistische Witze zugesandt
Sie hatten sich seit 2015 mehrere Jahre lang Bilder und Videos zugeschickt, die im Kern rassistische Inhalte hatten - Bildchen, wie sie im Internet massenhaft zu finden sind, die als tabubrechende Witze daherkommen und deren Ursprung unbekannt ist. Antisemitische Sprüche und menschenverachtende Karikaturen, die wohl kaum jemand auf den Handys von Polizeibeamten wissen möchte. Die Polizeidirektion Osnabrück machte die Fälle öffentlich und griff umgehend zu harten Maßnahmen: sofortige Suspendierung und Kürzung der Bezüge mit dem Ziel "Entfernung aus dem Dienst".
Verwaltungsgericht entscheidet gegen Entfernung aus dem Dienst
In der Öffentlichkeit und von dem damaligen Innenminister Boris Pistorius (SPD) gab es dafür breiten Zuspruch. Doch mittlerweile stellt sich die Frage, ob das schärfste Schwert des Disziplinarverfahrens hier angemessen war: In keinem der Fälle hat sich ein rechtsextremes Weltbild bestätigt. Zwei Fälle sind bereits 2023 vom Verwaltungsgericht entschieden worden, aber nicht publik geworden. Keine Entfernung aus dem Dienst, entschied das Verwaltungsgericht Osnabrück in beiden Fällen, denn das sei angesichts der Fälle unverhältnismäßig. Es sah keine Verletzung der Verfassungstreue, wohl aber der Wohlverhaltenspflicht für Beamte.
Gericht sieht milderes Mittel
Die Folge: Einem Polizisten wurde das Gehalt vorübergehend gekürzt, ein zweiter wurde im Dienstgrad zurückgestuft. Beide Fälle liegen jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht, denn die Polizeidirektion hält an ihrem Ziel weiter fest und will die Beamten loswerden. Eine Entscheidung könnte im November fallen, teilt der Gerichtssprecher dem NDR Niedersachsen mit.
Strafrechtliche Ermittlungen wegen der Chats waren eingestellt worden
Die strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach Paragraf 86 wurden bereits 2021 eingestellt. Weil die Bilder nur in Eins-zu-Eins-Kommunikation geschickt wurden und es keine Chatgruppe mit vielen Teilnehmenden gab, fand nach juristischer Definition kein "Verbreiten" statt, teilte die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit. Es blieben die Disziplinarverfahren.
Urteil wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses
Nur bei einem Beamten blieben strafrechtliche Vorwürfe zurück, dem langjährigem Drogenermittler. Er wurde vom Landgericht Osnabrück im April zu 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt, weil er Interna an Dritte verraten hatte. Bezüglich der von ihm versandten Bilder an Kollegen heißt es aus seinem Umfeld, es täte ihm leid, die Darstellungen seien abscheulich und aus Launen heraus verschickt worden, er bereue es.
Polizei Osnabrück drängt weiter auf Entlassung der Beamten
Die Polizeidirektion Osnabrück hält eine Entfernung der drei Beamten aus dem Dienst weiterhin für verhältnismäßig. Mit Blick auf die wenig schmeichelhaften Zitate aus dem Urteil des Landgerichts schreibt die Polizeidirektion, dass die Richter möglicherweise nicht den gesamten Sachverhalt des Disziplinarverfahrens kannten. So sei dem Gericht eine externe Bewertung "nur schwerlich möglich".