Der Nahrungswald als Alternative für Landwirte im Norden?
Es sind Ideen im Umgang mit dem Klimawandel, die einen langen Atem brauchen: Noch sind die meisten Nahrungswälder Liebhaber-Projekte für Idealisten. Aber ein Projekt der Universität Osnabrück will daraus eine lohnende Alternative für Landwirte machen.
Es ist Pflanztag auf dem Hof Hoffrogge in Spelle im Emsland: Junge Quittenbäume sollen heute in die Erde und dazu noch eine Hecke aus Weide, Erle und Birke. Diese Pionierpflanzen sollen die anderen Bäume vor Wind schützen. Auf zwei Hektar wächst langsam der junge Nahrungswald von Landwirt Johannes Hoffrogge. Bald sollen es fünf Hektar sein. Er setzt auf die Quitte, weil sie besonders gut mit vielen klimatischen Einflüssen zurechtkommt. Normalerweise wächst sie in der Türkei. Er hofft, dass die Quitte auch in Norddeutschland gut Früchte produzieren kann, wenn es hier heißer und trockener wird.
Bunt gemischt statt eintönig
Der Nahrungswald ist das Gegenteil von Monokultur. Hoffrogge pflanzt zwar strukturiert in Reihen, aber setzt die Pflanzen abwechselnd. Klassiker wie Apfel- und Kirschbäume, genauso wie Mandel, Feige, Pfirsich, Esskastanie und bald auch Nuss- und Beerensträucher. Schon jetzt wachsen hier mehr als 30 verschiedene Kulturen.
Zur Nahrungswald-Idee forscht Professor Martin Franz von der Universität Osnabrück:
"Wir sprechen von einem Nahrungswald, wenn es sich um ein aufeinander abgestimmtes System von unterschiedlichen Pflanzen handelt, die alle auf Dauer angepflanzt werden. Es sind also keine jährlichen Kulturen und das System funktioniert auch ohne Tierhaltung."
Neben dem Institut für Geographie der Universität Osnabrück sind auch die Hochschule Rhein-Waal aus Kleve und zwei Stiftungen aus den Niederlanden an dem Projekt "Regenerative Landwirtschaft" beteiligt. Denn im Nachbarland gebe es schon ältere Nahrungswälder, die genug Ertrag bringen und rentabel seien. Das schwebt Martin Franz auch für Deutschland vor: "Noch ist diese Idee in der Nische und wird von Enthusiasten verfolgt. Wir wollen sie aber so weiterentwickeln, dass sie auch für den Mainstream, für deutlich mehr Landwirte interessant wird."
Vermarktung muss profitabel sein
Johannes Hoffrogge hat für den Nahrungswald einen Verein gegründet. Er verfolgt ein Konzept der solidarischen Landwirtschaft. Vereinsmitglieder helfen beim Pflanzen und sollen später auch bei der Ernte mit anpacken. Denn die Ernte im Nahrungswald ist natürlich deutlich aufwendiger als auf einem herkömmlichen Feld. Aber damit die Idee des Nahrungswaldes auch für andere interessant ist, braucht es mehr Vermarktungsmöglichkeiten, sagt Wissenschaftler Franz. Im Forschungsprojekt haben sie untersucht, ob es Abnehmer für Produkte aus Nahrungswäldern gibt: Rund zehn Unternehmen hätten Absichtserklärungen unterzeichnet - von der Brennerei bis zur Einzelhandelskette.
Künstliche Intelligenz und Roboter
Um die Ente im Nahrungswald möglichst effizient zu gestalten, setzen sie im Projekt auch auf moderne Technik. "Die Ernte im Nahrungswald ist sehr komplex, Robotik kann hier eine Lösung sein", sagt Franz. Dafür ist die Zusammenarbeit mit dem Osnabrücker StartUp "Nature Robots" geplant.
Fruchtbarer Boden im Nahrungswald
Die Vorteile für die Natur liegen aus Sicht von Hoffrogge und Franz auf der Hand: Die vielen unterschiedlichen Pflanzen profitieren voneinander, spenden Schatten, geben Nährstoffe, kommen ohne künstlichen Pflanzenschutz und extra Dünger aus. Wenn der Nahrungswald komplett ist, soll er ziemlich autark funktionieren. Hoffrogge müsste dann nur zum Ernten kommen. Aber nicht etwa zum Düngen, sagt er: "Durch Laub, durch Wurzelwachstum, durch Biomasse entsteht eine natürliche Düngung, es braucht keine externe Düngung. Wir brauchen keine Chemie. Wir brauchen keine Bewässerung. Wir brauchen keine schweren Maschinen." Aber bis wirklich Erntezeit ist und der Nahrungswald in Spelle einen guten Ertrag bringt, werden noch zehn bis 15 Jahre vergehen.