Stand: 29.06.2020 16:19 Uhr

Bio für alle dank Solidarischer Landwirtschaft?

von Astrid Wulf

Bei der Solidarischen Landwirtschaft - kurz SoLaWi - bekommt man Gemüse oder auch Brot und Eier direkt vom Bauern. Das Solidarische am Konzept: Die Kundinnen und Kunden verpflichten sich meist für ein Jahr, einen monatlichen Beitrag zu zahlen. Dabei gibt keine festen Preise wie zum Beispiel bei einer Bio-Kiste. Stattdessen gibt es Richtwerte, und wer mitmacht, entscheidet selbst, wie viel er oder sie im Monat zahlen kann und will. Die NDR Info Perspektiven haben sich auf dem Krumbecker Hof in der Nähe von Lübeck umgehört, wie das funktioniert.

Dennis Wachholz und Natalie Adams von der solidarischen Landwirtschaft Krumbecker Hof. © NDR Foto: Astrid Wulf
Dennis Wachholz und Natalie Adams betreiben die Solidarische Landwirtschaft Krumbecker Hof im zweiten Jahr. Das Interesse am besonderen Vertriebsmodell ist groß - die Warteliste wächst stetig.

Monika Sass trägt ihre Plastikwanne durch das Gemüselager. Hier im Depot sucht sie ihre wöchentliche Gemüseration im Depot zusammen. Sie ist eine von rund 200 Anteilseignerinnen dieser Solidarischen Landwirtschaft: "Ich suche mir gerade Frühlingszwiebeln und Schlangengurken - alles was für den kleinen Anteil ist. Gerade ist es sehr reichhaltig."

Mitglieder sorgen füreinander

Monika Sass aus Bad Schwartau mit einer Wanne voll Gemüse auf dem Hof der Solawi. © NDR Foto: Astrid Wulf
Monika Sass aus Bad Schwartau zahlt etwas mehr als den vorgeschlagenen Betrag - der solidarische Gedanke ist ihr wichtig.

Auf einer ausgehängten Liste steht, wovon sie sich wie viel einpacken kann. Am Ende ist ihre Plastikwanne voll mit Gemüse und Salat. Der Richtwert für diese Menge liegt bei etwa 60 Euro. "Ich zahle etwas mehr, damit alle daran teilhaben können, auch die, die es finanziell nicht können. Das ist halt das Solidarische." Auch Clemens Schreiber zahlt für seinen wöchentlichen Gemüsevorrat etwas mehr als empfohlen, weil er es sich leisten kann: "Ich bin auch bereit, für solche Qualität zu zahlen, solange ich es mir leisten kann, und auch ein bisschen mehr. Dann kann ein anderer, der vielleicht nicht so viel Geld hat, trotzdem dabei sein."

Natalie Adams vom Krumbecker Hof bei der Arbeit im Gewächshaus. © NDR Foto: Astrid Wulf
AUDIO: Solidarische Landwirtschaft boomt (4 Min)

Boom setzte schon vor der Krise ein

Gemüsebauer Dennis Wachholz zeigt im Depot das Gemüse, das er in einer Kiste für die Anteilseigner zusammenstellt. © NDR Foto: Astrid Wulf
Gemüsebauer Dennis Wachholz empfiehlt: Eine kleine Gemüsekiste gibt's für 60 Euro im Monat, eine große für etwa 100 Euro.

Dennis Wachholz und seine Frau betreiben die Solidarische Landwirtschaft im zweiten Jahr und versorgen mittlerweile 200 Haushalte mit Bio-Gemüse. Das Konzept wird immer beliebter: Mittlerweile gibt es allein im Norden 70 solcher Betriebe. Die Höfe berichten von einem regelrechten Boom. Mit den vermehrten Lieferungen, die durch die Corona-Krise entstanden sind, hat das allerdings wenig zu tun. Die vermehrte Nachfrage setzte schon vor der Krise ein und hilft den Gemüsebauern, fest planen zu können, wie viel Geld im Jahr reinkommt. Auch der solidarische Gedanke ist ihnen wichtig: "Als wir uns für die Solidarische Landwirtschaft entschieden haben, war es uns wichtig, das für jeden möglich zu machen. Jedem Menschen in jeder Einkommensklasse. Bio ist ja nun einmal eine andere Preisklasse als herkömmlich hergestelltes Gemüse und es sollte nicht so ein Elite-Ding sein."

Alle Menschen sind gleich willkommen

Anneli Michael und Praktikant Björn Schmidt ernten Schnittlauch auf dem Feld des Krumbecker Hofs. © NDR Foto: Astrid Wulf
Anneli Michael und Praktikant Björn Schmidt ernten Schnittlauch. Auch die Kunden des Gemüsehofs können bei der Ernte mithelfen.

Die Kunden, die hier Anteilseignerinnen und Anteilseigner heißen, kaufen sich nicht in den landwirtschaftlichen Betrieb ein. Stattdessen leisten sie – ähnlich wie bei einer Biokiste – einen monatlichen Beitrag. Anders als beim Bio-Abo binden sie sich allerdings häufig längerfristiger – hier am Krumbecker Hof für ein ganzes Jahr. Die Anteilseigner schätzen es, zu wissen, woher ihr Gemüse kommt – auch die Bauern kennen viele von ihnen persönlich. Wer wie viel zahlt, wissen sie hingegen nicht. Um die Buchhaltung kümmern sich andere. Dennis Wachholz weiß nur: Manche zahlen mehr, manche weniger, Hauptsache, die monatlichen Kosten werden durch die Gemeinschaft gedeckt: "Wir hatten mal einen Härtefall, der den Betrag, den er geboten, hatte nicht zahlen konnte. Dann haben wir möglich gemacht, dass sein Beitrag verringert wurde. Dann muss es allerdings von einer anderen Seite wieder reinkommen, weil wir die Erzeugungskosten zusammenbekommen wollen. Aber klar, solche Menschen gibt es auch und die sind genauso willkommen wie die, die ihre 3.400 Euro netto im Monat bekommen."

Vertrauen statt Kontrolle

Vieles läuft bei der Solidarischen Landwirtschaft auf Vertrauensbasis. Nicht nur die Frage, wie viel jeder zahlt. Auch, ob alle Anteilseigner nur so viel Gemüse abholen, wie ihnen zusteht. Kontrolliert wird das nicht - und damit will Dennis Wachholz auch gar nicht erst anfangen. "Ich glaube, das ist verankert in den Menschen. Die sehnen sich nach Gemeinschaft, nach dem Solidarischen. Ich glaube, kein Mensch will betrogen werden. Das will keiner. Und wenn man das nach außen trägt, und auch nicht macht, dann kommt das zurück, wie ein Echo." Und wenn doch jemand schummelt? Wenn der Oberstudienrat weit weniger zahlt, als er könnte und jede Woche eine Fenchelknolle mehr einsteckt als erlaubt? "Dann ist es halt so", findet Anteilsnehmer Clemens Schreiber. Auch das gehöre zur Solidarischen Landwirtschaft dazu: "Menschen sind Menschen. Ich denke nicht so darüber nach. Wenn es jemand tun will, soll er es tun. Ist nicht mein Problem."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 30.06.2020 | 08:50 Uhr

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