Landwirte demonstrieren mit ihren Traktoren am Maschsee in Hannover © NDR Foto: Birgit Koch

Proteste vor einem Jahr: Was trieb die Bauern auf die Straße?

Stand: 12.12.2024 06:00 Uhr

Im vergangenen Winter sorgten Treckerdemos und Blockaden von Landwirtinnen und Landwirten für Aufsehen. Eine Studie der Universität Osnabrück hat nun die eigentlichen Motive dieser Proteste untersucht.

von Daniel Sprehe

Vor einem Jahr brachten Subventionsstreichungen beim Agrardiesel und die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung viele Landwirte auf die Straße. Doch laut einer Studie der Universität Osnabrück waren diese Themen nur die Auslöser - die wahren Gründe liegen tiefer. Zwischen März und Juni 2024 befragte ein Forschungsteam der Universität Osnabrück über 1.000 Landwirtinnen und Landwirte online und führte 34 Interviews mit Vertretern landwirtschaftlicher Interessenverbände.

Niedersachsens Bauern unter Druck

Viele Landwirte fühlen sich demnach durch gesellschaftliche Anforderungen unter Druck gesetzt. 73 Prozent der Befragten empfinden die Erwartungen im Hinblick auf mehr Umweltschutz und Tierwohl als kaum erfüllbar. "Unsere Analysen zeigen, dass Landwirtinnen und Landwirte überwiegend kritisch auf die Transformation blicken", so Professor Hajo Holst von der Universität Osnabrück.

"Öfter im Büro als auf dem Acker"

Der Bauer Hermann Wiemeyer aus Georgsmarienhütte sitzt am Schreibtisch. © privat
Der Bauer Hermann Wiemeyer kritisiert die bürokratischen Hürden.

Auch Hermann Wiemeyer aus Georgsmarienhütte protestierte im Winter mit seinem Traktor. "Ständig neue Vorschriften, und ich sitze fast mehr im Büro als im Trecker auf dem Acker", kritisiert er. Besonders die aufwendige Dokumentation jedes Arbeitsschritts koste ihn zu viel Zeit. Wiemeyer fordert mehr Vertrauen in seine Arbeit und weniger bürokratische Hürden.

Ist mehr Zusammenarbeit die Lösung?

Johannes Hoffrogge, Biolandwirt aus Spelle, steht in einem Stall. © NDR
Der Biolandwirt Johannes Hoffrogge sieht Umweltschutz positiv für die Landwirtschaft.

Johannes Hoffrogge, Biolandwirt aus Spelle, hat nicht protestiert. Trotz der Kritik an zu viel Bürokratie sieht er die Transformation hin zu mehr Umweltschutz positiv. "Wir sollten stärker auf regionale Produkte setzen, statt 60 bis 80 Prozent unseres Obstes und Gemüses zu importieren", betont er. Doch dafür müssten Landwirte besser zusammenarbeiten.

Wie sehen die Höfe ihre wirtschaftliche Lage?

Nur 40 Prozent der Betriebe bewerten ihre wirtschaftliche Lage als stabil. 58 Prozent der Befragten haben Angst, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Außerdem ist das Vertrauen in politische Institutionen auf einem Tiefpunkt. Nur vier Prozent der Befragten sind mit der politischen Situation zufrieden, nur 15 Prozent vertrauen der Bundesregierung. Auch der Deutsche Bauernverband überzeugt nur 19 Prozent der Landwirte.

Landwirtschaftskammer fordert verlässliche Rahmenbedingungen

Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sieht die Politik in der Pflicht: "Nur mit klaren Rahmenbedingungen, etwa beim Baurecht, können Betriebe tierwohlkonform umbauen." Neben finanziellen Anreizen fordert er mehr Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bauernfamilien.

Ein Schild mit der Abbildung einer Ampel und der Aufschrift "Wir Bauern sorgen für dein Essen" ist auf einem Traktor auf der Bismarckstraße angebracht. © dpa Foto: Monika Skolimowska
AUDIO: Wirtschaft: Ein Jahr nach den Bauernprotesten - ein Rückblick (11 Min)

Wissenschaftler erwarten weitere Proteste

Die Forschenden gehen davon aus, dass Landwirte auch in diesem Winter protestieren werden. Zwar wurden Streichungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer vorerst zurückgenommen, doch die grundlegenden Probleme bleiben ungelöst. "Viele Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich weiterhin von der Politik im Stich gelassen und von der Gesellschaft missverstanden", erklärt Professor Holst. Ohne strukturelle Reformen bleibe die Landwirtschaft ein Spannungsfeld zwischen Transformationsdruck und wirtschaftlicher Unsicherheit.

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