Zukunftsschule in Oldenburg: Unterricht ohne Stundenplan

Stand: 02.02.2025 17:59 Uhr

Seit einem Halbjahr geht die Oldenburger Integrierte Gesamtschule (IGS) Flötenteich mit ihrem 5. Jahrgang neue Wege: Es gibt dort keinen regulären Unterricht mehr - und keinen Stundenplan.

von Nadia Yaqub

"Wir setzen zwar schon länger auf Konzepte für eigenständiges Lernen in einzelnen Bereichen oder Fächern, aber jetzt sind wir einen Schritt weiter gegangen und stellen einen ganzen Jahrgang um", sagt Schulleiterin Hannelore Lüllwitz. Die anderen Jahrgänge sollen sukzessive folgen - ein Beschluss der Gesamtkonferenz. 

Durch eigenständige Organisation Selbstbewusstsein fördern

"Uns sagt keiner mehr, was wir lernen sollen - das sagen wir uns selbst", erklärt Mia Fähnrich. Die Elfjährige trägt einen dicken Ordner unter dem Arm. Zusammen mit Freundin Mieke Krebs sucht sie sich ein stilles Plätzchen: Ein gemütliches Sofa in einem Klassenraum ohne Lehreraufsicht. Ein Kartensystem sorgt für geordnete Abläufe: "Kinder mit 'Starter'-Karte müssen noch beaufsichtigt werden, 'Durchstarter' wie ich dürfen lernen, wo sie möchten", sagt Mia. In ihrem Ordner schlägt sie die Seite mit dem Logbuch und der To-Do-Liste für heute auf. Sie hat ihren Tag genau durchgeplant: zuerst Englisch, dann Mathe und später Deutsch. Ein Stundenplan, wenn man so will - aber von Mia eigenständig erstellt. 

Was ist eine "Zukunftsschule"?

An dem zunächst auf fünf Jahre angelegten Modellprojekt "Zukunftsschule Niedersachsen" nehmen 65 Schulen im ganzen Bundesland teil. Im Rahmen des Projekts testen die Schulen verschiedene pädagogische Konzepte aus.  Sie erhalten Freiheiten und Gestaltungsspielraum, um sich innovativ und zukunftsorientiert zu entwickeln.

Einmal pro Woche finden Lerngespräche statt

Erledigte Aufgaben werden im Logbuch abgehakt. Einmal pro Woche schaut eine Lehrkraft sich das Buch während eines Lerngesprächs mit dem jeweiligen Schüler oder der Schülerin an. "Natürlich wird auch manchmal geschummelt, aber das merken wir doch auch", sagt Lehrer Benjamin Drewniok. Ein Vorteil sei, dass er sich bei den Lerngesprächen intensiv Zeit für ein einziges Kind nehmen könne: "Dabei kann ich raushören, was das Kind beschäftigt. Manchmal ist der gestorbene Hamster wichtiger, als die Matheaufgabe. Ich biete dem Kind dann die Aufmerksamkeit, die es braucht, um sich in Ruhe den weiteren Aufgaben widmen zu können."

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Sitzenbleiben ist abgeschafft

Statt Klassenarbeiten, die benotet werden, erbringen die Fünftklässlerinnen und Fünftklässler Nachweise für Aufgaben und Projekte. Sollten diese nicht gelingen, bekommen sie weitere Chancen. So will die Schule Leistungsdruck und Prüfungsangst umgehen und das Selbstbewusstsein der Kinder fördern. Auch Sitzenbleiben gibt es nicht mehr an der IGS Flötenteich. 

Demokratiefähigkeit als erzieherisches Ziel

Mit ihrem Konzept zeigt die Schule einen möglichen neuen Weg auf, wie Bildung in der Gesellschaft neu gestaltet werden kann. Solche oder ähnliche Konzepte laufen seit 2021 an mehreren Schulen im ganzen Land - initiiert vom Kultusministerium mit dem Modellprojekt "Zukunftsschule Niedersachsen". Ziel sei, nicht mehr nur Wissen, sondern auch gesellschaftliche Werte wie Solidarität und Verantwortung zu vermitteln, heißt es. Und das findet auch Lehrer Benjamin Drewniok wichtig, denn: "Vor 30 Kindern einen Vortrag halten und danach eine Aufgabe stellen - so funktionieren Lehrer-Alltag und Unterricht heute einfach nicht mehr."

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Hallo Niedersachsen | 31.01.2025 | 19:30 Uhr

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