Videos von Tierquälerei: Amt schließt Schlachthof in der Wesermarsch
Erneut hat eine Tierrechtsorganisation Video-Aufnahmen vorgelegt, wie Rinder und Schafe mutmaßlich mit Elektroschocks gequält werden - in einem Schlachthof in der Wesermarsch. Das Veterinäramt hat den Betrieb geschlossen.
Die Bilder sind verstörend. Im Anlieferungsbereich des Schlachthofs traktieren zwei Mitarbeiter ein Rind mit Elektrotreibern. Sie wollen das Tier in Richtung Schlachtung treiben. Aber das gelingt ihnen nicht. Immer wieder bekommt das Rind Elektroschocks, gerät in Panik. Mehr als vier Minuten dauert diese Tortur, bis das Tier endlich den Treibgang passiert hat. Die Bilder stammen von der Tierrechtsorganisation Aninova, ehemals Deutsches Tierschutzbüro, und zeigen ihr zufolge einen großen Schlachtbetrieb in der Wesermarsch. "Ich habe selten solch einen brutalen Umgang mit Tieren gesehen. Das Rind wurde 160 Mal geschockt, mehrfach auch ins Gesicht, das ist in dieser Form ganz klar gesetzlich verboten", sagt der Aninova-Vorstandsvorsitzende Jan Peifer.
Landwirtschaftsministerin kündigt Strafanzeige an
Andere Aufnahmen zeigen Rinder und Schafe, die offenbar unzureichend betäubt worden sind. Die eigentliche Tötung erfolgt durch einen Kehlschnitt. Wenn die Tiere nicht richtig betäubt werden, erleben sie den Schnitt bei Bewusstsein mit. Die niedersächsische Tierschutzbeauftragte Julia Pfeiffer-Schlichting hat die Bilder begutachtet. Sie ist Tierärztin und kennt sich mit dem Ablauf in Schlachtbetrieben aus: "Die Schlachthofmitarbeiter müssen sachkundig sein. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Menschen, die dort arbeiten, auch geschult sind. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass sie dort Sachen begehen, von denen sie wissen, dass die nicht in Ordnung sind." So sieht es auch Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) und kündigt im Gespräch mit NDR Niedersachsen an, Strafanzeige gegen den Schlachthofbetreiber zu stellen.
Veterinäramt verbietet Schlachthof den Betrieb
Aninova hat nach eigenen Angaben bereits Strafanzeige erstattet. Die Tierrechtsorganisation hat außerdem das zuständige Veterinäramt in Brake informiert. Das reagierte auf die Aufnahmen, erstattete selbst Strafanzeige und untersagte am Montag mit sofortiger Wirkung und in Begleitung der Polizei den Schlachtbetrieb. Die Behörde will nun die Vorwürfe prüfen und dann entscheiden, wie es weitergeht. Wann das ist, sei noch nicht klar, hieß es gegenüber dem NDR. Die Videos umfassen Aninova zufolge mehrere Hundert Stunden Material und wurden im August und September gemacht. Der Verein habe deshalb bis jetzt gebraucht, um es auszuwerten.
Unternehmen räumt teilweise Fehlverhalten ein
Der Schlachthofbetreiber wollte dem NDR kein aufgezeichnetes Interview geben. Im persönlichen Gespräch räumt er aber teilweise ein Fehlverhalten von Mitarbeitern ein. Insbesondere beim Einsatz der Elektrotreiber.
Staudte kritisiert aktuelle Rechtslage zu Videoüberwachung
Dass solch massive Verstöße gegen das Tierschutzrecht in Schlachthöfen immer wieder vorkommen, ist für Landwirtschaftsministerin Staudte inakzeptabel: "Das bedeutet, dass dort viel genauer hingeguckt werden muss. Und deshalb wäre es notwendig, dass wir verpflichtende Videoüberwachung in diesen Anlagen bekommen." Bisher sei das rechtlich nicht möglich für die Behörden und die Tierschutzorganisationen griffen dann zur Selbsthilfe, fühlten sich legitimiert Aufnahmen zu machen. "Und man muss sagen, das sind wirklich wichtige Hinweise, wo sehr schlimme Zustände aufgedeckt werden."
Bundestag arbeitet an neuem Tierschutzgesetz
Aktuell wird eine Novelle des Tierschutzgesetzes im Bundestag diskutiert. Eine Videoüberwachung ist im Entwurf aber nur für große Schlachthöfe vorgesehen. Solche, die mehr als 1.000 Rinder im Jahr schlachten. Der Schlachthof in der Wesermarsch liegt über dieser Grenze, würde also - wenn das Gesetz denn so verabschiedet wird - videoüberwacht. Tierrechtler sagen aber, die Kontrolle müsse auch in kleineren Anlagen lückenlos stattfinden. Weil jedes Tier gleich empfinde, egal wie klein oder groß der Schlachthof ist.