Eine Kuh "lächelt" in die Kamera auf der Weide bei Burgwedel in der Region Hannover. © NDR Foto: Sabrina Bonin

Sind die Tierseuchen in Niedersachsen auf dem Vormarsch?

Stand: 21.02.2025 08:22 Uhr

Tierseuchen sind für Landwirte und Tierärzte auch in Niedersachsen immer wieder ein Thema. Im vergangenen Jahr war es besonders die Blauzungenkrankheit - für Betriebe mit Rindern und Schafen oft eine Katastrophe.

von Birgit Stamerjohanns

Tierarzt Michael Haake lässt der Kuh gar keine Zeit, sich zur Wehr zu setzen. Keine zwei Sekunden, dann hat er den Impfstoff in den Halsmuskel des Tieres gespritzt und geht weiter zum nächsten. Der Tierbestand der Familie Hellbusch wird heute gegen die Blauzungenkrankheit geimpft. Im vergangenen Jahr hat das Virus in ihrem Stall in Großenkneten gewütet. "Eine Kuh war so krank, dass sie leider gestorben ist", erinnert sich Landwirtin Sabine Hellbusch. Andere Betriebe in der Umgebung habe es noch deutlich schlimmer getroffen. Kühe, die so krank sind, dass es keine Heilung gibt, Tiere, die ihr Kalb verlieren, eine sinkende Milchleistung - die Blauzungenkrankheit ist für Betriebe wie den der Hellbuschs eine ziemliche Katastrophe.

Kam eine Mücke per Flugzeug nach Europa?

Das Bild zeigt Landwirtin Sabine Hellbusch, die ihre Kühe impfen lässt. © NDR
Landwirtin Sabine Hellbusch lässt ihre Kühe impfen.

Dabei ist zwischen den Jahren 2010 und 2012 in Niedersachsen kein einziger Fall aufgetreten. Das geht aus einer Statistik des Landwirtschaftsministeriums hervor. Im Jahr 2023 gab es nach einem Ausbruch in den Niederlanden 16 Fälle der Blauzungenkrankheit und ein Jahr später dann 4.210 Ausbrüche. "Das Virus wird über Gnitzen übertragen, eine Mückenart", erklärt Tierarzt Michael Haake. Weil die erneute Virus-Welle ihren Ursprung direkt neben dem Amsterdamer Flughafen Schiphol hatte, gehen Experten davon aus, dass eine Mücke per Flugzeug nach Europa gelangt ist.

Globalisierung und Klimawandel

"Die Globalisierung trägt massiv dazu bei, dass sich Tierseuchen ausbreiten", sagt Haake, der in einer Gemeinschaftspraxis in Visbek arbeitet. "Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gefahr des Eintrags von Tierseuchen - auch solcher, die bislang noch nicht in Deutschland aufgetreten sind - hoch bleiben wird", heißt es dazu aus dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, "auch weil die Übertragung über Insekten wie zum Beispiel Gnitzen hierzulande klimabedingt zunehmen kann."

Wildvögel überwintern im Norden

Das Bild zeigt Dr. Michael Haake (links) und Dr. Andreas Wilms-Schulze Kump. die Proben bei einem Hähnchen nehmen. © NDR
Die Tierärzte Michael Haake und Andreas Wilms-Schulze Kump nehmen Proben bei einem Hähnchen.

Auch bei anderen Tierseuchen spielt der Klimawandel offenbar eine Rolle, beispielsweise bei der Geflügelgrippe. "Das Problem ist, dass es endemisch geworden ist", erklärt Andreas Wilms-Schulze Kump, der Chef der Visbeker Tierarztpraxis. Damit meint er: Die Krankheit kommt in Niedersachsen neuerdings dauerhaft vor. "Durch den Klimawandel fliegen im Winter nicht mehr alle Zugvögel gen Süden, sondern bleiben in der Gegend." So trete das Risiko einer Vogelgrippe-Erkrankung durch Wildvögel nicht mehr in Wellen auf, sondern sei permanent gegeben. Ein Problem für Geflügelzüchter, für die eine Infektion ihrer Tiere mit der Vogelgrippe bedeutet, dass der gesamte Bestand getötet werden muss.

Schutzmaßnahmen zeigen Wirkung gegen Seuchen

Aber es gibt auch Gutes zu berichten: Insgesamt sind Tierseuchen weniger geworden, betont Michael Haake. Das habe auch damit zu tun, dass die Landwirte Biosicherheitsmaßnahmen auf ihren Höfen umsetzen. Sie versuchen also, das Risiko für Infektionen durch Hygiene- und Schutzmaßnahmen möglichst gering zu halten, außerdem werden die Betriebe regelmäßig kontrolliert. "Bei der Salmonellose, die von Tier auf Mensch übertragbar ist, sind die Zahlen in den letzten 15 Jahren von 27.000 Fällen beim Menschen runtergegangen auf 13.000 Fälle", so Tiermediziner Haake.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 21.02.2025 | 15:00 Uhr

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