Rassismusvorwürfe gegen Landkreis Leer: Verhärtete Fronten
Im Landkreis Leer gehören Befragungen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Standard für Menschen, die ein dauerhaftes Bleiberecht wollen. Daran, ob das rechtlich in Ordnung ist, gibt es Zweifel.
Wer in Deutschland ein dauerhaftes Bleiberecht beantragt, muss sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekennen. Der Flüchtlingsrat wirft dem Landkreis Leer vor, hier zusätzliche Hürden einzubauen. Und zwar vor allem für Menschen aus Afrika.
Willkür, Schikane, Rassismus?
Zum Verfahren für Aufenthaltsgenehmigungen gehört im Landkreis Leer ein persönliches Gespräch, in dem es darum geht, ob die Antragsteller die Kerninhalte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstanden haben. Das hat ein Kreissprecher dem NDR Niedersachsen am Dienstag noch einmal bestätigt. Der Flüchtlingsrat sagt, solche Befragungen seien absolut unüblich, normalerweise würde ein unterschriebenes Bekenntnis ausreichen. Die Praxis im Landkreis Leer hält der Flüchtlingsrat für Schikane: Aus Niedersachsen ist dem Flüchtlingsrat keine andere Ausländerbehörde bekannt, die das so handhabt. Außerdem, so behauptet der Flüchtlingsrat, würden die Fragen in diesen Tests immer detaillierter - bis dann irgendwann Fehler gemacht würden.
Landkreis Leer: Geübte Praxis bei Aufenthaltsgenehmigungen
Der Landkreis erklärt, die Praxis sei vom Land bisher nicht kritisiert worden. Auf das Sprachniveau der Antragsteller werde dabei Rücksicht genommen, zur Unterstützung werden anschauliche Beispiele oder Bilder verwendet. Außerdem können anerkannte Dolmetscher hinzugezogen werden.
Was sagt das niedersächsische Innenministerium?
Das niedersächsische Innenministerium erklärte gegenüber dem NDR Niedersachsen: Man wisse seit Dezember Bescheid und stehe mit dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat und dem Landkreis Leer in Kontakt. Grundsätzlich sei in Niedersachsen jede der insgesamt 52 Kommunen selber zuständig - wenn es um das Aufenthaltsrecht geht. Die Ausländerbehörde könne eine persönliche Befragung durchführen, um bestehende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses auszuschließen oder zu bestätigen. Dass der Landkreis Leer der einzige ist, der diese Befragungen immer macht, wollte das Innenministerium weder bestätigen noch dementieren.
Keine Anzeichen für
Nun hat allerdings ein Gericht in einem ähnlichen Fall ein Urteil gefällt. Der Landkreis Peine hatte einem Libanesen die Einbürgerung verweigert - weil er 23 Fragen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung teilweise falsch beantwortet habe. Das Verwaltungsgericht Braunschweig erklärte diese Praxis des Landkreises am Donnerstag für unrechtmäßig. Das Gericht stellte fest, dass eine Befragung durch Mitarbeiter des Landkreises nur erlaubt sei, wenn es Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers gebe. Diese hätten im vor Gericht behandelten Fall aber nicht vorgelegen.
Wie geht es weiter?
Was die grundsätzliche Frage angeht, da sind Innenministerium und der Kreis Leer im Austausch. Signale aus dem Landkreis, dass die aktuelle Praxis überdacht wird, hat es bislang aber noch nicht gegeben. Eine Ministeriumssprecherin erklärte aber auch, dass mittlerweile das zuständige Verwaltungsgericht mit der Thematik befasst sei. Im Fall der zehn Menschen aus Westafrika, die laut Flüchtlingsrat wegen der Befragungspraxis des Landkreises kein Bleiberecht bekommen haben und jetzt abgeschoben werden sollen, laufen die entsprechenden Verfahren. Ausgang ungewiss.
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