Interview: Was machen deutsche Marine-Schiffe im Pazifik?
Die in Wilhelmshaven stationierte Fregatte "Baden-Württemberg" und der Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main" sind im Mai in den Indopazifik ausgelaufen. Im Juli nehmen sie an der wohl größten Marine-Übung der Welt teil, im August setzen sie ihre Fahrt ins Südchinesische Meer fort. Flottillenadmiral Axel Schulz kommandiert die Schiffe. Der NDR hat ihn an Bord erreicht.
Warum kreuzen deutsche Schiffe am anderen Ende der Welt?
Axel Schulz: Die Stabilität in weit entfernten Regionen wirkt sich auch auf die Stabilität Deutschlands aus. Deshalb hat die deutsche Sicherheitspolitik eine entsprechende globale Ausrichtung. Der Indopazifik ist der globale Wachstumsmotor und somit für uns als Handelsnation eine entsprechende Schlüsselregion. Ich bringe da immer gerne das Beispiel vom Handelsschiff "Ever Given", das im März 2021 den Suezkanal blockiert hat. Ich war damals im Libanon und war davon selbst betroffen, weil eine meiner Einheiten nicht durch den Kanal laufen konnte. Das Beispiel zeigt, dass globale Wertschöpfungsketten und die Freiheit und freie Befahrbarkeit der Seewege natürlich für uns eine große Rolle als Handelsnation spielen.
Die verfügbaren Schiffe sind knapp, die Marine ist auch im Roten Meer im Einsatz – beißt sich die Fahrt in den Pazifik nicht damit?
Schulz: Da zitiere ich immer wieder unseren Inspekteur, Vizeadmiral Jan Christian Kaak, dass wir als deutsche Marine "regionally rooted, but globally committed" sind, also regional verwurzelt, aber global orientiert. Wir zeigen uns hier im indopazifischen Raum gegenüber unseren strategischen Partnern, gegenüber unseren Verbündeten und Alliierten als verlässlicher Partner. Und dazu gehört auch, dass wir mit Schiffen der deutschen Marine von Zeit zu Zeit hier sind und gemeinsam üben.
Wir erreichen Sie an Bord der Fregatte "Baden-Württemberg" auf dem Weg zur Übung "Rim of the Pacific". Was wird die Besatzung dort trainieren?
Schulz: Wir werden das Flugkörperabwehrsystem "RAM" abfeuern und den Seezielflugkörper "Harpoon" live schießen, also einen scharfen Schuss machen. Wir werden an U-Boot-Jagd-Übungen teilnehmen und auf Seeziele und Landziele schießen. Letztlich können wir hier mit unseren Partnern die gesamte Bandbreite an maritimen Fähigkeiten üben, die wir in der deutschen Marine haben.
Ihre Besatzungen waren schon auf dem Weg zur Übung in einem Ernstfall gefragt, weil der Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main" ein Krankenhaus an Bord hat, in dem ein mexikanischer Seemann behandelt werden musste.
Schulz: Wir waren in der Lage, mitten im Pazifik - ungefähr 2.000 Kilometer von jeglichem Land entfernt - Leben zu retten. Ich bin sehr stolz auf das, was der internationale Verband da geleistet hat. Das war eine tolle Kooperation und tolles Teamwork. Wir haben mit Hilfe eines mexikanischen Hubschraubers den verletzten mexikanischen Soldaten aufgenommen, der dann von unserem Sanitätsteam der "Frankfurt am Main" erfolgreich operiert wurde. Das zeigt, wie wichtig so ein Einsatzgruppenversorger sein kann, wenn wir in entsprechende Lagen kommen. Wir fahren ja in einem Gebiet, das auch oft von Naturkatastrophen heimgesucht wird, und bereiten uns auch auf entsprechende Katastrophenhilfe vor.
Jetzt läuft zunächst die Übung "RIMPAC", wie geht es danach weiter?
Schulz: Anfang August laufen wir aus und besuchen unsere Freunde und strategischen Partner in Japan. Wir werden dann an der Mission "Pacific Security Maritime Exchange" teilnehmen. Das ist ein Beitrag zur Embargoüberwachung gegen Nordkorea, zur Verhinderung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen. Und in diesem Zuge werden wir auch das Südchinesische Meer durchfahren. Wir setzen uns für die friedliche Konfliktbeilegung, insbesondere mit Blick auf Streitigkeiten hinsichtlich der geografischen Grenzen ein, wollen aber auch gemeinsam mit unseren Verbündeten Flagge zeigen und uns für die Einhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung einsetzen.
Sie unternehmen eine regelrechte Weltumfahrung - für ihre Soldaten muss das eine einmalige Erfahrung sein.
Schulz: "Once in a lifetime", das kann man nicht besser zusammenfassen. Das, was wir hier machen, hat einen einmaligen Charakter. Das ist auch das Besondere der Marine, wir bieten diese Erlebnisse. Hawaii anzulaufen, ist eine Besonderheit. Viele freuen sich zum Beispiel auch auf Japan, Tokio, weil das auch ein fernes Land ist, in das man nicht so häufig kommt. Wir waren in New York, sind dort von den Amerikanern wirklich wertschätzend in Empfang genommen worden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auf uns zwischen diesen sehr exotischen Häfen an Bord harte Arbeit wartet. Aber diese Hafenaufenthalte entschädigen natürlich für das, was wir entbehren müssen, zum Beispiel Schlaf und Familie. Aber die Männer und Frauen sind stolz darauf, Teil des Indopazifik-Deployment-Verbandes zu sein. Was wir hier machen, ist letzten Endes unser Beruf, den wir auch bewusst gewählt haben - ich insbesondere.
Das Interview führte Jutta Przygoda